30 Jahre Umgang verweigert - kein Unterhalt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 30.10.2012
Rechtsgebiete: ElternunterhaltFamilienrecht|3950 Aufrufe

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass eine nachdrückliche und dabei herabwürdigende Kontaktverweigerung eine Unterhaltspflicht des Kindes für ein Elternteil entfallen lassen kann.

Die Stadt Bremen hatte über mehrere Jahre die Pflegekosten für einen Senioren übernommen, der Anfang des Jahres 2012 mit 89 Jahren verstarb. Rund 9.000 Euro forderte die Stadt von dem Sohn des Verstorbenen zurück. Die Stadt sei in Vorlage getreten, der eigentliche Unterhaltsschuldner sei aber der Sohn. Der Sohn verweigerte die Zahlung. Der Vater habe nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1971 jeden Kontakt nachdrücklich abgelehnt.

Das OLG Oldenburg hat dem Sohn Recht gegeben.

Nach dem Gesetz könne im Falle schwerer Verfehlungen gegenüber dem Unterhaltsschuldner ein Anspruch auf Unterhalt entfallen, § 1611 BGB. Allerdings stelle nicht jeder Kontaktabbruch gleichzeitig eine solche schwere Verfehlung dar. Grundsätzlich bleibe die Unterhaltspflicht auch bestehen, wenn der persönliche Kontakt zwischen den Verwandten eingeschlafen sei oder man sich entfremdet habe.

Im vorliegenden Falle sei der Kontaktabbruch aber besonders nachhaltig und kränkend gewesen. Der Vater habe alle Kontaktversuche seines Sohnes abgelehnt. Selbst bei der Beerdigung des Großvaters habe der Vater kein Wort mit seinem Sohn gewechselt. ln seinem Testament habe der Vater verfügt, der Sohn solle nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten, er habe mit ihm schließlich seit 27 Jahren keinen Kontakt.
Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der Vater damit einen besonders groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung gezeigt und den Sohn damit besonders schwer getroffen habe. Der Vater habe offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Sohn abgelehnt und sich damit erkennbar aus dem Solidarverhältnis gelöst, das normalerweise zwischen Eltern und Kindern besteht.
ln einem solchen Falle müsse der Sohn keinen Unterhalt zahlen. Die Stadt Bremen könne daher auch keine auf sie übergegangenen Ansprüche des Vaters gegen den Sohn geltend machen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG Oldenburg hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

OLG Oldenburg v. 25.10.2012 - 14 UF 80/12 (Pressemitteilung des Gerichts)

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