Gerichtskundige Tatsachen...wie geht man damit eigentlich um?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.11.2012
Rechtsgebiete: gerichtskundigStrafrechtVerkehrsrecht|5833 Aufrufe

Was gerichtskundig ist, ist natürlich stets unterschiedlich. Insbesondere bei Spezialzuständigkeiten haben Gerichte besondere Kenntnisse, mit denen die Beteiligten vielleicht nicht immer rechnen. Hier ein Fall des BGH, in dem dieser einmal zu dem Thema Stellung bezieht:

 

Die Revision rügt, das Landgericht habe über diese Tatsache keinen Beweis erhoben, sondern sie als gerichtskundig angesehen und bei seiner Be-weiswürdigung herangezogen, ohne den Angeklagten zuvor auf die in Anspruch genommenen gerichtlichen Kenntnisse hingewiesen zu haben.

b) Diese - zulässig erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Rüge greift durch (§ 349 Abs. 4 StPO).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist vor der Verwertung einer gerichtskundigen Tatsache in aller Regel ein Hinweis zu erteilen, das Tatgericht werde sie (möglicherweise) seiner Entscheidung als offen-kundig zugrunde legen (BGH, Urteil vom 3. November 1994 - 1 StR 436/94, BGHR StPO § 261 Gerichtskundigkeit 2; ebenso Alsberg/Nüse/Meyer, Der Be-weisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl., S. 570 f. mwN). Hierdurch soll dem Angeklagten rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt und ihm insbesondere die Möglichkeit wirksamer Verteidigung eröffnet werden (BGH, Urteil vom 29. März 1994 - 1 StR 12/94, BGHR StPO § 261 Gerichtskundigkeit 1; s. auch BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - 4 StR 198/05, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Offenkundigkeit 3).

bb) Ein solcher Hinweis ist vorliegend nicht gegeben worden. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Hauptverhandlungsprotokoll insoweit schweigt. Denn die Erörterung einer gerichtskundigen Tatsache gehört nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beachtung das Protokoll ersichtlich machen muss (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1990 - 2 StR 29/89, BGHSt 36, 354, 359 f.).

Der geltend gemachte Verfahrensfehler wird jedoch durch die vom Senat eingeholten dienstlichen Erklärungen bewiesen.

 

BGH, Beschluss vom 27.7.2012 - 1 StR 68/12 

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