Justizministerkonferenz – Endlich Vereinheitlichung der sog. geringen Menge bei Cannabis?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 13.11.2012

Nach einem Bericht auf focus-online vom 11.11.2012 ist die Angleichung der Richtlinien der einzelnen Bundesländer bei der Anwendung des § 31a BtMG Thema bei der Herbsttagung der Justizminister in der kommenden Woche in Berlin (s. http://www.focus.de/politik/deutschland/hoechstgrenze-schwankt-betraechtlich-geringe-menge-cannabis-bald-einheitlich-_aid_858181.html ).

Nach § 31a Abs. 1 S. 1 BtMG kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Betäubungsmitteldelikten absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

Das Problem: Die geringe Menge wird in § 31a BtMG nicht definiert, so dass jedes Bundesland die Festlegung der geringen Menge selbst übernommen hat mit der bedauerlichen Folge, dass es in Deutschland keine einheitliche Vorgehensweise gibt.

Besonders groß waren die Unterschiede im Jahr  1994, als es ein starkes Nord-Süd-Gefälle zu beachten gab. So wurde damals in Bayern und Baden-Württemberg nur bis zu 6 Gramm Haschisch und Marihuana von der Strafverfolgung abgesehen, in Hessen und Schleswig-Holstein waren es bis zu 30 Gramm.

Deshalb forderte das BVerfG im berühmten Haschisch-Beschluss vom 9.3.1994 (NJW 1994, 1577, 1583):

„Die Vorschrift des § 31 a BtMG gestattet der Staatsanwaltschaft in weitem Umfang, Ermittlungsverfahren ohne Mitwirken des Gerichts einzustellen; sie eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaft durch Verwaltungsvorschriften zu steuern. Die Länder trifft hier die Pflicht, für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen. […] Ein im wesentlichen einheitlicher Vollzug wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Behörden in den Ländern durch allgemeine Weisungen die Verfolgung bestimmter Verhaltensweisen nach abstrakt-generellen Merkmalen wesentlich unterschiedlich vorschrieben oder unterbänden.“

Diese Entscheidung führte dann tatsächlich – wenn auch langsam - zu einer bundesweiten Vereinheitlichung, dauerte es doch bis ins Jahr 2008, bis alle Bundesländer mit Ausnahme von Berlin nach und nach die geringe Menge i.S.d. § 31a BtMG auf 6 Gramm Haschisch und Marihuana festgelegt hatten. In Berlin lag und liegt die Grenze wie schon im Jahr 1994 weiterhin bei  15 Gramm.

Obwohl Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz  die dort geltenden Grenzen im Jahr 2007 von 10 Gramm Haschisch und Marihuana auf 6 Gramm herabsetzt hatten, erhöhten sie den Wert wieder am 1.6.2011 (Nordrhein-Westfalen) bzw. am 15.2.2012 (Rheinland-Pfalz) auf 10 Gramm.

Der niedersächsische Justizminister Busemann fordert daher laut dem Bericht auf focus-online – wie ich meine völlig zu Recht - die Angleichung der Grenzwerte in Deutschland.

Damit aber nicht genug: Neben der Grenze der geringen Menge bei Cannabis muss meines Erachtens auch für Jedermann nachvollziehbar festgelegt werden, wie es sich beim Umgang mit einer geringen Menge an harten Drogen verhält (hier gibt es bislang nur in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ausdrückliche Regelungen) und wann von § 31a BtMG kein Gebrauch gemacht werden darf (etwa bei  Wiederholungstätern oder  Jugendlichen und bei Taten im Umfeld von Schulen).  Denn auch hier sind die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern groß.

Man darf gespannt sein, ob es wirklich zu der längst überfälligen Angleichung kommt…

Die Richtlinien der einzelnen Bundesländer (mit Ausnahme von Sachsen) finden Sie übrigens auszugsweise in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, § 31a Rn. 42 ff.

 

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15 Kommentare

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Im o.g. Focus-Artikel ist ebenfalls ein Drogen-Ranking angegeben. Danach befindet sich Cannabis, anders als Alkohol und Tabak, nicht unter den "Top 10" der gefährlichsten Drogen. Andere Drogenforscher kommen zu gleichen Ergebnissen. Dies hinterlässt den starken Eindruck, dass der Gesetzgeber nicht nach der Gefährlichkeit einer Droge entscheidet, sondern vordergründig nach der gesellschaftlichen Aktzeptanz, und vor Allem nach der Mögichkeit der Erhebung von Steuergeldern. Und im Radio spielen sie: "It´s all about the money"!

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Solange die Geringe-Menge-Regelung nicht tatsächlich zu einer einheitlichen Einstellungspraxis führt, sondern zu strafrechtlicher Willkür, bleibt die Diskussion um eine Vereinheitlichung Augenwischerei. Da auch Führerscheine fast zwangsläufig im Nirvana verschwinden, selbst wenn nie unter dem Einfluss von Cannabis ein KFZ geführt wurde, und Konsumenten zwangsweise in Suchttherapien gehen müssen um eine Besserung zu signalisieren (was sich natürlich auch positiv auf die Statistiken auswirkt, mit denen die Prohibitionskaste hausieren geht) ist es relativ egal, ob ein Konsument jetzt mit 6, 10 oder 15 Gramm erwischt wird.

Im übrigen verpflichtete das BVerfG den Gesetzgeber, neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ausland zu berücksichtigen um in Zukunft zu entscheiden, ob das Strafrecht tatsächlich das geeignetste Mittel ist um die angestrebten Schutzfunktionen zu erreichen. Das wurde bis heute nicht nachgewiesen - hier sehe ich den eigentlichen Handlungsbedarf.

"Angesichts der dargestellten offenen kriminalpolitischen und wissenschaftlichen Diskussion über die vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren und den richtigen Weg ihrer Bekämpfung hat der Gesetzgeber die Auswirkungen des geltenden Rechts unter Einschluß der Erfahrungen des Auslandes zu beobachten und zu überprüfen. Dabei wird er insbesondere einzuschätzen haben, ob und inwieweit die Freigabe von Cannabis zu einer Trennung der Drogenmärkte führen und damit zur Eindämmung des Betäubungsmittelkonsums insgesamt beitragen kann oder ob umgekehrt nur die strafbewehrte Gegenwehr gegen den Drogenmarkt insgesamt und die sie bestimmende organisierte Kriminalität hinreichenden Erfolg verspricht."

Bis heute wurde das Urteil und die Forderungen des BVerfG weitgehend ignoriert. Eine Vereinheitlichung der geringen Menge dient letztendlich nur der CDU in Sachen Profilierung. Ein Gramm mehr oder weniger macht aus einem Konsumenten noch lange keinen Händler.

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Meiner Meinung nach sollte zunächst einmal der Besitz/Erwerb der sogenannten geringen Menge wirklich entkriminalisiert werden.
In Bayern wird zum Teil bei Ersttätern der Besitz von nur 1 Gramm Cannabisprodukten verfolgt und mit Geldstrafe belegt.
Selbst wenn ein Verfahren eingestellt wird und keinerlei Bezug zum Strassenverkehr besteht, erfolgt eine Meldung an die Führersceinstelle mit weiteren Konsequenzen, bis hin zur MPU.
Bei solchen Ungerechtigkeiten erscheint mir eine Angleichung der geringen Menge als reine Augenwischerei.

Man stelle sich vor, jeder der eine Flasche Bier mit sich führt muss zunächst der Führerscheinstelle beweisen das er nur gelegentlich konsumiert. Der Aufschrei in unserem Land wäre groß...

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Joern.Patzak schrieb:

[...] wie es sich beim Umgang mit einer geringen Menge an harten Drogen verhält [...] und wann von § 31a BtMG kein Gebrauch gemacht werden darf (etwa bei  Wiederholungstätern ...)

Sehr geehrter Herr Patzak,

das sind zwei Aspekte, die mir ehrlich gesagt noch nie eingeleuchtet haben. Eine Differenzierung zwischen weichen und harten Drogen existiert meines Wissens in der Wissenschaft gar nicht, sondern ist allenfalls rechtlicher Natur, ohne dass es dafür einleuchtende Gründe gäbe. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Substanzen unterschiedlich stark schädigend sind, geht es doch bei § 31a BtMG immer nur darum, die Selbstschädigung straflos zu halten. Eine solche rechtliche Differenzierung anhand des Grades der Selbstschädigung gibt es ja auch sonst nicht (Bsp. darf ich mir selbst sowohl die Haut mit einem Messer leicht "ritzen" oder aber auch den ganzen Arm absäbeln, ohne dass dies außerhalb des § 109 StGB strafbar wäre, und mich sogar selbst straflos umbringen). Ich hoffe daher, dass die JuMiKo wenigstens für die Zukunft eine einheitliche Anwendung des § 31a BtMG auf alle Substanzen sicherstellt.

Gerade, wenn man die Gruppe der schwerst abhängigen Heroinkonsumenten denkt, ist für mich auch eine Beschränkung auf Nicht-Wiederholungstäter wenig nachvollziehbar. Was rechtfertigt die Strafverfolgung einer Selbstschädigung in diesem Fall? Mindert nicht die Sucht, die ja im Extremfall sogar die Schwelle der §§ 20, 21 StGB erreichen kann, sogar die "Schuld" solcher Täter? Handelt nicht der Probierer viel verwerflicher, weil er sich nur aus Spaß und nicht wegen Abhängigkeit schädigt? Und schließlich ist es auch rein praktisch wenig opportun, die abhängigen BtM-Besitzer strafrechtlich zu verfolgen. Aufgrund suchtbedingter Mittellosigkeit führt bei dieser Gruppe auch die Geldstrafe häufig zur resozialisierungsfeindlichen kurzen (Ersatz-)Freiheitsstrafe. Ich halte es daher für einen gesellschaftspolitischen Irrweg, diese Menschen mit Strafverfolgung zu überziehen. Hier ist allenfalls Gesundheitspolitik und notfalls auch nur Lebenshilfe angebracht...

Oder können Sie mir vielleicht die Beschränkung auf Ersttäter plausibel machen?

Beste Grüße

S. Sobota

 

Sehr geehrter Herr Sobata,

Sie haben mich wohl missverstanden:

Auch ich bin der Auffassung, dass geringe Mengen von "harten Drogen" dem § 31a BtMG unterliegen sollten. So schlage ich in meiner Kommentierung in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, § 31a Rn. 25 ff.  vor, die geringe Menge von Kokain und Heroin bei 1 Gramm, bei Amphetamin bei 2 Gramm und bei Ecstasy bei 3 Pillen anzusiedeln! Ich halte die jetzige Ungleichbehandlung nicht für richtig. So ist in Bremen geregelt, dass 1 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain sowie 3-4 Ecstasys als geringe Menge gelten, in Hamburg 1 Gramm Heroin und Kokain sowie unter 10 Ecstasys, in Nordrhein-Westfalen 0,5 Gramm Heroin, Kokain und Amphetamin und in Schleswig-Holstein 1 Gramm Heroin, 3 Gramm Kokain sowie 3 Gramm Amphetamin (s. aaO Rn. 44). In Rheinland-Pfalz ist insoweit nur geregelt, dass die Staatsanwaltschaft im Einzelfall entscheidet (aaO Rn. 57). Ja was denn jetzt?

Auch bei Dauerkonsumenten halte ich die Anwendung des § 31a BtMG nicht grundsätzlich für ausgeschlossen (aaO Rn. 34 ff.), es sollte nur klar geregelt werden, wie die Staatsanwaltschaft verfahren soll.

Bei Jugendlichen dagegen sollte generell den §§ 45, 47 JGG Vorrang gegeben werden, damit hier im Diversionsweg präventiv gearbeitet werden kann, z.B. durch die Auferlegung eines FreD-Kurses (Frühintenvention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten). Das hat sich als sehr effektiv erwiesen.

Viele Grüße

J. Patzak

Joern.Patzak schrieb:

Sehr geehrter Herr Sobata,

Sie haben mich wohl missverstanden:

Auch ich bin der Auffassung, dass geringe Mengen von "harten Drogen" dem § 31a BtMG unterliegen sollten. So schlage ich in meiner Kommentierung in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, § 31a Rn. 25 ff.  vor, die geringe Menge von Kokain und Heroin bei 1 Gramm, bei Amphetamin bei 2 Gramm und bei Ecstasy bei 3 Pillen anzusiedeln! Ich halte die jetzige Ungleichbehandlung nicht für richtig. So ist in Bremen geregelt, dass 1 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain sowie 3-4 Ecstasys als geringe Menge gelten, in Hamburg 1 Gramm Heroin und Kokain sowie unter 10 Ecstasys, in Nordrhein-Westfalen 0,5 Gramm Heroin, Kokain und Amphetamin und in Schleswig-Holstein 1 Gramm Heroin, 3 Gramm Kokain sowie 3 Gramm Amphetamin (s. aaO Rn. 44). In Rheinland-Pfalz ist insoweit nur geregelt, dass die Staatsanwaltschaft im Einzelfall entscheidet (aaO Rn. 57). Ja was denn jetzt?

Auch bei Dauerkonsumenten halte ich die Anwendung des § 31a BtMG nicht grundsätzlich für ausgeschlossen (aaO Rn. 34 ff.), es sollte nur klar geregelt werden, wie die Staatsanwaltschaft verfahren soll.

Bei Jugendlichen dagegen sollte generell den §§ 45, 47 JGG Vorrang gegeben werden, damit hier im Diversionsweg präventiv gearbeitet werden kann, z.B. durch die Auferlegung eines FreD-Kurses (Frühintenvention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten). Das hat sich als sehr effektiv erwiesen.

Viele Grüße

J. Patzak

 

Sehr geehrter Herr Patzak,

 

da habe ich meinen Beitrag wohl missverständlich formuliert. Ich wollte Ihnen damit nicht unterstellen, dass Sie eine Ungleichbehandlung befürworten, sonderm mir ging es um die Frage, wie sich der unterschiedliche Umgang aktuell erklärt. Weil Sie das Problem erwähnt haben, dachte ich, dass Ihnen vielleicht auch eine Begründung für die aktuelle Praxis bekannt ist. Ich werfe morgen noch einmal einen Blick in Ihre Kommentierung bez. des Dauerkonsums. Was den derzeitigen Umgang mit "harten" Drogen angeht, stimme ich Ihnen voll zu. Auch die Anwendung der speziellen JGG-Normen halte ich für vernünftig.

 

Beste Grüße

S. Sobota

Die Justizminister sollten sich an den Cannabis-Freimengen orientieren, die in Washington und Colorado seit vergangener Woche für drogenmündige erwachsene Bürger als angemessen gelten. Die dort getroffenen Entscheidungen dürfen hierzulande nicht ignoriert werden.

 

Wichtiger als eine überall verbindliche Eigenbedarfsmenge ist m.E. zunächst aber die Entkriminalisierung der Cannabis als Medizin nutzenden Patienten.
Kranke Menschen, die von Cannabis profitieren, schlicht abzuurteilen und mit Abstinenz-Auflagen zu versehen, bloß weil sie ebenso wenig eine Ausnahmeerlaubnis zur therapeutischen Verwendung vorweisen - wie sie sich die nicht erstattungsfähigen Wucherkosten für Cannabis oder cannabisbasierte Medikamente leisten können,  das treibt einem die Fremdschamesröte ins Gesicht.

 

 

 

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es geht meiner meinung auch vor allem darum, den anbau einer geringen menge zum eigengebrauch freizugeben. denn nur so können gesundheitsgefahren durch streckmittel ausgeschlossen und die organisierte kriminalität im handel bekämpft werden.

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“Penalties against possession of a drug should not be more damaging to an individual than the use of the drug itself; and where they are, they should be changed. Nowhere is this more clear than in the laws against possession of marijuana in private for personal use... Therefore, I support legislation amending Federal law to eliminate all Federal criminal penalties for the possession of up to one ounce [28g] of marijuana.”

― Jimmy Carter

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Die Justiminister sind wohl nicht zu einer Einigung gekommen, da zu § 31a BtMG kein Beschluss gefasst wurde: http://www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/jumiko/beschluesse/2012/herbst...

Die Angleichung der Richtlinien zu § 31a BtMG war Tagungsordnungspunkt II.5: http://www.hmdj.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?cid=b708f8353b430a9aed385207...

Joern.Patzak schrieb:
Die Justiminister sind wohl nicht zu einer Einigung gekommen, da zu § 31a BtMG kein Beschluss gefasst wurde: http://www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/jumiko/beschluesse/2012/herbst... Die Angleichung der Richtlinien zu § 31a BtMG war Tagungsordnungspunkt II.5: http://www.hmdj.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?cid=b708f8353b430a9aed385207...

 

Sehr geehrter Herr Patzak,

 

dass es erneut zu keiner Einigung gekommen ist, finde ich zutiefst deprimierend. Allerdings ist dies nicht nur für die aktuellen Justizminister ein Armutszeugnis, denn auch ihre Vorgänger haben es innerhalb von 18 (!) Jahren, die seit der Cannabis-Entscheidung des BVerfG ins Land gegangen sind, nicht vermocht, den geforderten einheitlichen Rechtszustand herzustellen. Das ist schon einigermaßen irritierend, zollen doch Politiker den Karlsruher Verfassungsrichtern sonst bei jeder Gelegenheit Respekt. Was § 31a BtMG betrifft, zeigt man sich derart renitent, dass es wohl an der Zeit ist, dass jemand die Sache erneut vor das BVerfG bringt... Vielleicht ist ja sogar schon ein Verfahren anhängig?

Ansonsten würde mich sehr interessieren, woran eine Einigung regelmäßig scheitert und warum nicht einmal ein Minimalkonsens erzielt werden kann.

 

Nach Lektüre Ihrer Kommentierung (§ 31a BtMG Rn. 34 ff.) habe ich noch eine Frage bezüglich des Dauerkonsums. In ihren Beispielen (endgültiges Scheitern der Therapie, Überwinden der Sucht) vermisse ich den Fall, dass die Sucht keine über die unmittelbare Versorgung hinausgehende Kriminorelevanz besitzt (vor allem keine mittelbare Beschaffungskriminalität). Solche Fälle sind mir aus der kriminologischen Gutachtenpraxis und Strafverteidigung vielfach bekannt, häufig auch bei (eigenmächtig) medizinisch-therapeutischem Gebrauch (z.B. von Cannabis). In solchen Fällen ist eine strafrechtliche Intervention meist kontraproduktiv, weil der Proband trotz Abhängigkeit sozial integriert ist. Sind Ihnen solche Fälle noch nie begegnet oder halten Sie diesbezüglich die Non-Intervention für falsch?

 

Beste Grüße

S. Sobota     

Sehr geehrter Herr Sobota,
es ist normalerweise nicht meine Art mich ungefragt in die Diskussion anderer Personen einzumischen; allerdings gebrauchen Sie im Kontext mit Cannabiskonsum nach meiner Einschätzung die Begriffe "Sucht" und "Abhängigkeit" in einer der Sache nicht angemessenen Weise.

Die Diagnose "Abhängigkeit" (früher "Sucht") ist medizinisch klar geregelt und im ICD-10 beschrieben. Für die überwiegende Mehrheit aller Cannabisgebraucher können diese Begriffe keine Anwendung finden.

 

 

Mit frdl. Gruß

 

Axel Junker

 

 

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Axel Junker schrieb:

Sehr geehrter Herr Sobota,
es ist normalerweise nicht meine Art mich ungefragt in die Diskussion anderer Personen einzumischen; allerdings gebrauchen Sie im Kontext mit Cannabiskonsum nach meiner Einschätzung die Begriffe "Sucht" und "Abhängigkeit" in einer der Sache nicht angemessenen Weise.

Die Diagnose "Abhängigkeit" (früher "Sucht") ist medizinisch klar geregelt und im ICD-10 beschrieben. Für die überwiegende Mehrheit aller Cannabisgebraucher können diese Begriffe keine Anwendung finden.

 

 

Mit frdl. Gruß

 

Axel Junker

 

Sehr geehrter Herr Junker,

 

es ist Ihr gutes Recht, sich in eine öffentliche Diskussion einzuklinken. Ich verwende die Begriffe "Sucht" und "Abhängigkeit" synonym und ohne, dass ich (als Nicht-Mediziner) zuvor eine entsprechende Diagnose nach ICD-10 gestellt habe. Es ist daher gut möglich, dass ich auch dann von Abhängigkeit spreche, wenn eine solche im medizinischen Sinne (noch) nicht vorliegt. Allerdings sind die Diagnosekriterien des ICD-10 durchaus weit gefasst (3 von 6 Kriterien reichen; z.B. Toleranzbildung, Fortsetzung des Konsums trotz schädlicher Folgen und Vernachlässigung anderer Interessen) und es gibt eine spezielle Diagnose für schädlichen Cannabiskonsum (F12.2).

Ihre Kritik verstehe ich dahingehend, dass Sie beide Begriffe im Zusammenhang mit Cannabiskonsum als "unangemessen" empfinden. Das sehe ich nicht so. Auch wenn Cannabis wohl nicht körperlich abhängig macht, kann mMn nur schwer bestritten werden, dass eine psychische Abhängigkeit sehr wohl möglich und wohl gar nicht mal so selten ist. Daher sehe ich kein Problem darin, einen Cannabisdauerkonsumenten als "abhängig" zu bezeichnen. Das hängt aber wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich Abhängigkeit nicht per se negativ assoziiere. Die meisten Menschen sind von einer Vielzahl von Dingen abhängig (nicht nur von den Volksdrogen Alkohol und Nikotin). Als Kriminologe schaue ich auf den Umgang mit der Abhängigkeit und da gibt es große Unterschiede. Hier steht die Frage im Raum, wie nachhaltig der Konsum betrieben wird und vor allem, ob er eine kriminogene Hintergrundwirkung in anderen Lebensbereichen entfaltet. Wer sein Leben im Griff hat, vor allem Arbeit, Familie etc. nicht vernachlässigt und keine Straftaten begeht, der kann meiner Meinung nach so viele Drogen einwerfen, wie er möchte. Von den geschätzten mehreren Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland wird das sicherlich auf viele zutreffen... Das ändert aber nichts daran, dass viele von ihnen - meiner Einschätzung nach - abhängig sind.

 

Beste Grüße

S. Sobota

Sehr geehrter Herr Sobota.

Danke für Ihre Erläuterungen. Ich empfinde es keineswegs als unangemessen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum von "Sucht" oder "Abhängigkeit" zu sprechen, sofern die Kriterien zur Bestimmung einer Abhängigkeit tatsächlich erfüllt sind.

 

Es würde mir - unabhängig von medizinischer Definition - dennoch widerstreben beispielsweise Herrn Patzak als "abhängig" zu bezeichnen, bloß weil er gelegentlich ein Glas Wein trinkt oder allmorgendlich Kaffee. Herr Patzak würde eine solche Nachrede als Makel empfinden. Ebenso ergeht es - denke ich - denjenigen Cannabisgebrauchern, die einen unproblematischen Umgang mit Cannabis pflegen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Axel Junker

 

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