AG Köln: Diebstahl von 53 Liebesschlössern = 3 Monate "ohne"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.12.2012
Rechtsgebiete: LiebesschlösserStrafrechtVerkehrsrecht1|14115 Aufrufe

Irgendwie schon fast OT - ich fand diese Entscheidung des AG Köln aber doch schon irgendwie interessant. Der drogenabhängige Angeklagte hatte 53 "Liebesschlösser" von der Hohenzollernbrücke geknackt und wollte sie zum Schrottwert verkaufen:

 

Der Angeklagte und der gesondert verfolgte UC begaben sich am 23.02.2012 gegen 04:15 Uhr auf den Fußgängerweg auf der Südseite der Hohenzollernbrücke in Köln. Etwa auf Höhe der Brückenmitte durchschnitten sie mit ihren mitgeführten Bolzenschneidern mehrere Streben des Gitterzauns. Dieser Zaun trennt den Fußweg zu den mittig auf der Brücke verlaufenden Bahngleisen. An dem Gitterzaun sind mehrere tausend, größtenteils individuell gravierte Vorhängeschlösser (sog. "Liebesschlösser") angeschlossen. Von den aufgetrennten Streben des Gitterzauns nahmen sie dann 53 "Liebesschlösser" an sich. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend beabsichtigten die Angeklagten diese "Liebessschlösser", die ein Gewicht von etwa 15 Kilogramm hatten, zum Preis von 3,20 Euro pro Kilogramm an einen Schrotthändler zu verkaufen und den Erlös zu teilen.

III.

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten. Die Feststellungen zu den Vorstrafen beruhen auf den in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Urteilen des Amtsgerichts Siegburg vom 30.03.2011 und des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2009, sowie dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 16.05.2012. Dieser Auszug wurde von dem Angeklagten als zutreffend anerkannt.

Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten, an desssen Wahrheitsgehalt zu zweifeln kein Anlass bestand, sowie den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen "Liebesschlössern" und Bolzenschneidern.

IV.

Damit hat sich der Angeklagte des Diebstahls in Tateineheit mit Sachbeschädigung nach §§ 242 Abs. 1, 303 Abs. 1, 52 StGB schuldig gemacht.

Indem der Angeklagte die "Liebesschlösser" von dem Gitterzaun an sich nahm, um sie auf dem Schrottplatz zu verkaufen, hat sich der Angeklagte des Diebstahls schuldig gemacht.

Die "Liebesschlösser" waren für den Angeklagten fremde Sachen. Fremd ist eine Sache, die nach bürgerlichem Recht im Eigentum einer anderen Person steht und nicht herrenlos ist (Fischer, StGB, § 242 Rn. 5 ff.). Unzweifelhaft standen die "Liebesschlösser" nicht im Alleineigentum des Angeklagten oder seines Mittäters. Sie waren auch nicht herrenlos. Sie stehen im Eigentum derjenigen, die sie an der Brücke angeschlossen haben. Bewegliche Sachen werden nach § 959 BGB herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Erforderlich dazu ist neben der tatsächlichen Besitzaufgabe der rechtsgeschäftliche Wille auch das Eigentum aufzugeben. Dieser Wille muss zwar nicht ausdrücklich geäußert werden, erforderlich ist aber, dass dem Eigentümer das rechtliche Schicksal der Sache völlig gleichgültig ist. Er müsste daher zu diesem Zeitpunkt nichts dagegen haben, dass sich ein anderer die Sache zueignen könnte (Staudinger-Gursky, BGB-Neubearbeitung 2011, § 959 BGB, Rn. 3; Fritsche, MDR 1962, 714). Das ist bei den "Liebesschlössern" nicht der Fall. Diese werden dem Brauch nach am Brückengeländer angebracht um als Symbol für ewige Liebe für immer dort hängen zu bleiben. Diejenigen, die "Liebesschlösser" an das Brückengeländer anbringen, wollen diese gerade nicht dauerhaft loswerden. Sie wollen sie nur an diesem speziellen Ort deponieren. Das weitere rechtliche Schicksal der Schlösser war denjenigen, die die "Liebesschlösser" am Brückengeländer anbrachten daher nicht völlig gleichgültig. Erkennbar ist dies insbesondere daran, dass nach der Presseberichterstattung über die Tat mehrere Personen ihre "Liebesschlösser" erkannten und heraus verlangten ("N & N"; "S + U 4ever").

Die "Liebesschlösser" waren auch nicht gewahrsamslos. Der jeweilige Eigentümer der Hohenzollernbrücke (Gemarkung Deutz: DB Netz AG; Gemarkung Köln: Stadt Köln) hat Gewahrsam an den "Liebesschlössern". Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft unter Berücksichtigung der Anschauungen des Verkehrs (Fischer, StGB, § 242 Rn. 11). Für den Gewahrsam ist der Wille zur Sachherrschaft nötig, der ein Wissen, also Kenntnis vom Entstandensein des Herrschaftsverhältnisses voraussetzt, nicht jedoch ständiges Bewusstsein der Sachherrschaft. Auch braucht sich der Herrschaftswille nicht auf die einzelne Sache zu erstrecken, er kann auch allgemein bekundet sein (Fischer, StGB, § 242 Rn. 13). Der Gitterzaun an der Südseite der Hohenzollernbrücke ist mit mehreren tausend "Liebesschlössern" behangen. Nach anfänglicher Skepsis werden die Schlösser aber seit Jahren von dem jeweiligen Brückeneigentümer zumindest geduldet. Dies ist daran erkennbar, dass die "Liebesschlösser" nicht entfernt werden. Das Dulden der Schlösser an dem Gitterzaun in Kenntnis ihrer Existenz begründet den Gewahrsam des jeweiligen Brückeneigentümers.

Der Angeklagte hat sich darüber hinaus auch der Sachbeschädigung schuldig gemacht, indem er mit seinem Bolzenschneider die Streben des Gitterzauns durchtrennte. Damit hat er rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat konkludent durch Anklageerhebung (Fischer, StGB, § 230 Rn. 4) und ausdrücklich mit Verfügung vom 04.06.2012 das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung der Sachbeschädigung bejaht. Die Voraussetzungen des § 303c StGB liegen daher vor.

Der Angeklagte handelte mit dem gesondert verfolgten C gemeinschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, denn sie führten die Tat gemeinsam aus und beabsichtigten den Beuteerlös zu teilen. Die verwirklichten Delikte stehen im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.

Soweit sich der Angeklagte dahin gehend eingelassen hat, er habe geglaubt sein Handeln sei nicht strafbar, ist dieser Verbotsirrtum im Sinne von § 17 S. 2 StGB vermeidbar gewesen. Der Angeklagte hat erklärt der Schrotthändler habe ihm gesagt, dass der Diebstahl von "Liebesschlössern" nicht strafbar sei. Es liegt auf der Hand, dass der Rechtsrat eines Schrotthändlers nicht ausreichend ist und der Irrtum des Angeklagten daher vermeidbar war.

V.

Bei der Strafzumessung wurde hier gemäß § 52 StGB der Strafrahmen aus § 242 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt. Dieser sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht. Der Angeklagte hätte bereits selbst erkennen können, dass sein Verhalten strafbar ist. Sich darüber hinaus auf den Rechtsrat eines Schrotthändlers zu verlassen begründet darüber hinaus kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Rechtsmäßigkeit seiner Handlung.

Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat sich das Gericht von den Grundsätzen des § 46 StGB leiten lassen. Dabei sprach insbesondere zu Gunsten des Angeklagten, dass er die Tat vollumfänglich und bereits bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung eingeräumt hat. Darüber hinaus spricht zu Gunsten des Angeklagten, dass der das Unrecht seiner Tat erkannt hat und dies in seinem letzten Wort auch noch einmal ausdrücklich klargestellt hat. Weiter spricht zu Gunsten des Angeklagten, dass die Tat unter Beobachtung eines Polizeibeamten stattfand und daher die Gefahr eines dauerhaften Entfernens der "Liebesschlösser" denkbar gering war. Weiter spricht zu Gunsten des Angeklagten, dass sämtliche "Liebesschlösser" sichergestellt werden konnten und damit an ihre Eigentümer ausgehändigt werden können. Zu Gunsten des Angeklagten wurde weiter der relativ geringe objektive Wert der Diebesbeute (etwa 50 Euro) berücksichtigt und der Umstand, dass sich die Höhe des Schadens durch die Beschädigungen an dem Gitterzaun nicht näher hat feststelen lassen. Zu Lasten des Angeklagten sprach zunächst sein umfängliches strafrechtliches Vorleben. Der Angeklagte wurde bereits fünf mal wegen Eigentumsdelikten verurteilt. Darüber hinaus stand er zur Tatzeit unter zwei laufenden Bewährungen.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen war hier die Verhängung einer Freiheitsstrafe von

3 Monaten

tat- und schuldangemessen und insbesondere entgegen § 47 Abs. 1 StGB auch unerlässlich. Denn hier liegen besondere Umstände vor, die die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der Angeklagte wurde bereits vor der hiesigen Tat zweimal zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt. Dieser Umstand macht hier die Verhängung einer weiteren Freiheitsstrafe unerlässlich. Es wäre schlichtweg unverständlich einen Straftäter, der bereits unter zwei laufenden Bewährungen steht, wegen einer weiteren einschlägigen Straftat lediglich zu einer Geldstrafe zu verurteilen.
 

 

Die Vollstreckung der Strafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Es kann nicht erwartet werden, dass der Angeklagte sich allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, § 56 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte wurde bereits vor der hiesigen Tat zweimal zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt. Ihm wurde insbesondere im Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 30.03.2011 mehr als deutlich vor Augen geführt, dass die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht selbstverständlich ist und nur unter strengen Auflagen erfolgen konnte. Dabei ging das Amtsgericht Siegburg davon aus, dass der Angeklagte seine Drogensucht überwunden hat und in stabilen sozialen Strukturen lebt. Dies hat sich nicht bewahrheitet. Der Bericht des Bewährungshelfers in der Hauptverhandlung war ernüchternd. Der letzte persönliche Kontakt zwischen Angeklagtem und Bewährungshelfer liegt mehrere Monate zurück. Der Bewährungshelfer konnte eine positive Prognose unter keinem Umstand stellen und verwies auf seine Berichte in der laufenden Bewährungssache in der er das Gericht aufforderte die Strafaussetzung "endlich zu widerrufen". Dies ist für einen Bewährungshelfer eine überaus ungewohnte Deutlichkeit. Darüber hinaus ist der Angeklagte immer noch drogensüchtig und hat keinerlei nachweisbare Anstrengungen unternommen diese Drogensucht zu überwinden. Zwar hat er behauptet einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt zu haben, entsprechende Nachweise konnte er aber nicht vorweisen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann dem Angeklagten daher eine positive Prognose nicht gestellt werden. Nur wenn es dem Angeklagten gelingen sollte seine Therapiebemühungen ernsthaft zu verfolgen und er damit seine Drogensucht überwinden kann, kann sich diese Prognose zu seinen Gunsten ändern. Derzeit bedarf es aber der Einwirkung des Strafvollzugs um den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten.

 

Amtsgericht Köln, Urteil vom 10.8.2012 - 526 Ds 395/12

 

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1 Kommentar

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Pennen die in Köln? Wenn ich die Liebesschlösser nur unter Verwendung eines Bolzenschneider wegnehmen kann, dann werden die wohl gegen Wegnahme besonders gesichert sein. Insofern ist mindestens der Strafrahmen des § 243 I Nr. 2 StGB zu diskutieren. Darüber hinaus kann der Bolzenschneider unter Umständen nach seiner Art und Beschaffenheit objektiv gefährlich sein (insbesondere im Sinne einer Hiebwaffe), sodass wenigstens kurz auch auf den § 244 I Nr. 1 a 2. Alt., (III) StGB einzugehen gewesen wäre.

 

Die Ausführungen zur Bewährung kann ich zwar iE nachvollziehen, richtig überzeugend finde ich sie jedoch nicht. 

 

Alles in allem kein besonders lesenswertes Urteil, da es doch erhebliche handwerkliche Mängel aufweist.

 

Liebe Grüße

 

ein Assessor aus Sachsen

 

 

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