Gegenreformation zur Unterhaltsrechtsreform?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 03.12.2012
Rechtsgebiete: nachehelicher UnterhaltFamilienrecht17|6160 Aufrufe

LTO meldet in seiner Presseschau, noch in diesem Monat sei eine Reform der Unterhaltsrechtsreform mit dem Ziel geplant, die Stellung geschiedener Ehefrauen aus langjährigen Ehen zu verbessern.

Selbst beim Fehlen ehebedingter Nachteile könne eine Befristung oder Begrenzung eines Unterhaltsanspruchs unzulässig sein, wenn dies "mit Blick auf die insbesondere bei Ehen von langer Dauer gebotene nacheheliche Solidarität unbillig erschiene".

Ich kann den Gesetzentwurf nicht finden. Kennt jemand eine Fundstelle?

 

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17 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Burschel,

 

offenbar handelt es sich momentan nur um Meldungen, die in den Medien verbreitet werden.

 

Da wird wohl von unserer Justizministerin (Frau Merk) wohl wieder eine Sau durchs Dorf getrieben.

 

Robert Stegmann

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Frau Ute Granold hat es verkündet, wenn es einen öffentlich lesbaren Gesetzentwurf gibt, dann wird sie es wissen, man könnte sie fragen: ute.granold@bundestag.de

 

Die Presseartikel sind jedenfalls unglaublich schlecht und hetzerisch (jedenfalls das, was dieser Anwalt darin verkündet), die Aktion erscheint wie eine Neuauflage des unsäglichen Artikels von Sebastian Haffner 1977 "unfair zu Muttchen", der durch pure Rabulistik eine an sich gute Reform auf einen höchst problematischen Weg verbogen hat, an dem das deutsche Unterhaltsrecht bis zum heutigen Tag grundlegend krankt.

 

Schon eine Basis ist gar nicht vorhanden. Das geschilderte Szenario einer langjährigen Ehe mit Expertnern kurz vor der Rente ist ein Witz - ein nichtarbeitender Ehepartner hätte in diesem Fall sowieso die halbe Rente bekommen plus einen Zugewinnausgleich. In Fällen, in denen jedoch keine Rente zu verteilen ist würde ganz sicher auch kein laufender Unterhalt zu verteilen sein.

 

Lebenslang Unterhalt? Bitte, gerne. Dann brauchen wir ja offenbar keinen Versorgungsausgleich mehr, also abschaffen. Danke.

 

Naja, die CDU fragt sich immer, warum sie bei den jungen Leuten so schlecht ankommt. Sie kann ja mal versuchen, den Männern unter 40 zu erklären, wieso es jetzt fair ist, nach der Scheidung lebenslang Unterhalt zu bezahlen. Für mich ist dieses Vorhaben ein Grund, die CDU nicht zu wählen. obwohl ich bezüglich Herkunft und Stellung zum Stammklientel gehören müsste.

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Gast schrieb:

Naja, die CDU fragt sich immer, warum sie bei den jungen Leuten so schlecht ankommt. Sie kann ja mal versuchen, den Männern unter 40 zu erklären, ....

Soweit bracht man nicht gehen. Den über 40 Jährigen, denen droht noch Hemd und Hose zu verlieren, könnte es ebenfalls so gehen, die gerade nicht zu wählen.

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Nachdem die Wähler in der alten CDU-Hochburg Karlsruhe den Bürgermeisterkandidaten (Jurist, Richter!) am Wochenende geradezu gedemütigt haben und nun in diesem Bundesland nicht nur die Landesregierung, sondern auch alle Großstädte bis auf Eine nacheinander für die CDU verloren gegangen sind könnten solche "Reformen" auch der verzweifelte Ausfallversuch einer Partei unter Druck sein.

 

Juristin Ute Granold will sich vielleicht darüber profilieren. Bisher ist sie mehr durch seltsame Aktionen gegen Eisenbahnlärm aufgefallen, FDP-Ministerin Schnarrenberger hat ihr alle wichtigen Themen aus der Hand genommen. Ein derartiger Querschuss von Granold ohne Justizministerium riecht nach "Präsenz zeigen und Aufmerksamkeit erzeugen, egal wie".

Naja, aus dem Justizministerium kamen ja schon ähnliche Ankündigungen. Ich frage mich immer, ob es etwa diese Hausfrauen sind, die nur wegen männlicher Diskriminierung nicht auf 50% der Chefsessel sitzen. Man spricht immer von den orientierungslosen Männern, um die geringe Geburtenrate und Eherate zu erklären. Dabei sind es genau solche Gesetze, die mich und andere Männer vor der Heirat zurückschrecken lassen. Eine größere Demütigung, als verlassen zu werden und dann noch bis zum Lebensende dafür zahlen zu müssen, gibt es gar nicht. Naja und meine Stimme gibts bei diesem Vorhaben für die CDU nicht.

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Vielen Dank an den Mitleser.

Die vorgeschlagene Änderung lautet:

 

§ 1578b Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S.2182) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Satz 2 werden vor dem Punkt am Ende die Wörter „ , oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung derDauer der Ehe unbillig wäre“ eingefügt.

2. Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.“

Ja, warum sollte man sowas auch offen beschließen. Lieber heimlich die Unterhaltsrechtsreform kippen, ohne Aufsehen zu erregen...

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Mehr Unterhaltt von den Männern zu fordern geht immer ratzfatz und unter Beifall aller Bundestagsparteien.

 

Ihnen auch noch zu erlauben, Vater mit Rechten zu werden, geht natürlich gar nicht.

Da kommt nur ein schriller Schrei des Entsetzens und jahrelanges Gefeilsche um das so weit wie möglich zu verhindern.

 

Und dann werden immer neue Studien in Auftrag gegeben, die erforschen sollen, warum Frauen keine Kinder mehr bekommen.

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Vorgeschlagen ist die Änderung nicht mehr, der Bundestag hat sie beschlossen. Damit ist die Ehedauer zum eigenständigen und zu beachtendem Tatbestandsmerkmal hinsichtlich einer Herabsetzung des Unterhalts geworden, obwohl Granold et al in ihrer Begründung offen zugeben, dass sie aufgrund der bestehenden Rechtssprechung vollkommen überflüssig ist - das schreiben sie selber auf Seite 6 rechts Oben und Mitte und zitieren sogar ein entsprechendes BGH-Urteil, "Diese Linie verfolgen nunmehr – soweit ersichtlich – auch die Instanzgerichte."

 

Aufgegeben wird damit die 2008 gross und laut angekündige Abkehr vom Prinzip "einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin". Das hat man freilich nicht in den Presseartikeln gelesen, die alle erstaunlich uniform daherkamen, wie wenn sich da die Journalisten genau an eine Vorgabe gehalten hätten. Da ging es immer im Haffnerschen Stil um das "arme, aufopfernde Muttchen".

 

Die Geschwindigkeit des Vorgangs erstaunt ebenfalls, ich applaudiere der schnellen Reformfähigkeit im Familienrecht, wenn auch nicht deren Inhalt. Im Vergleich zur Sorgerechtsreform, die eigentlich mit der Streichung von acht Wörtern (§1626a BGB Abs. 2) durch wäre und nun über drei Jahre dauert, sieht man plastisch wo die Schwertpunkte der "Reformer" liegen.

 

<ironie>Ich bin sicher, diese Änderungen und die Art und Weise ihrer Durchführung steigern die Geburtenrate erheblich, die momentan wieder einmal bejammert wird. Schliesslich ist gebären allein Frauensache und Frauen können sich jetzt endlich darauf verlassen, nach den Kindern weiter zu bekommen, was ihnen zusteht. Auch beim Sorgerecht muss gewährleistet sein, dass nicht irgendsoein Möchtgernvater nach der Zeugung noch Mitsprache verlangt. Die Kreißsäle werden überbelegt sein... </ironie>

Das hier ist der bisher einzige Artikel in der Presse zu dieser "Reform", der vom Einheitstext abweicht: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/reform-unterhaltsrecht-dauer-ehe...

"Die Neueinführung der Lebensstandardgarantie ("einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin") dreht das Rad im Unterhaltsrecht zurück."

Bezeichnend, dass das erst nach dem Beschluss erscheint. Jetzt darf man auch öffentlich kritisieren - es bleibt eine Luftnummer, die Sache ist gegessen.

Na, dann warten wir mal gespannt darauf, was eine "langjährige Ehe" ist.

Der BGH hat ja schon 1999 die Pfosten gesetzt, daß eine 2 jährige Ehe grundsätzlich als kurz zu gelten habe, eine dreijährige dagegen nicht. Die Festlegung war nötig geworden, als es um die Frage ging, wann nachehelicher Unterhalt aufgrund langjähriger Ehe zu verkürzen oder gar zu versagen sei (Urteil XII ZR 89/97 vom 27.1.1999). Danach muß die ungelernte Kassiererin an der Discount-Kasse nur drei Jahre die Füße still halten, nachdem sie sich erfolgreich einen Assistenzarzt geangelt hat, um dann mit wenig Glück bis ans Ende ihres Lebens Anspruch auf ein halbes Arztgehalt zu sichern.

Es geht aber noch doller. Der nicht gerade für seine Neutralität bekannte BGH hat 2005 einer Frau nachehelichen Unterhalt zugesprochen, deren gemeinsames Eheleben nur ganze 4 Tage(!) gehalten hatte (Urteil XII ZR 311/02 vom 7.9.2005).

Den Seinen gibt's der Herr - sorry, der BGH - eben im Schlafe.

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Hier bei Beck ein Artikel zur Reform: http://www.juris.de/jportal/portal/t/28hu/page/homerl.psml?nid=jpr-NLFRADG000113&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp

 

Leider trauen sich die Autoren nicht mit Kritik an ihre Berufskollegen vom Rechtsausschuss (in dem alle Parteien sitzen) oder Bundesjustizministerium heran, die das Gesetz zu verantworten haben. Auch die Rolle des Bundestages muss verwundern: Man stimmt über ein Gesetz ab, das trotz seiner grossen Auswirkungen offenbar keinen im Bundestag interessiert oder gar verstanden hat. Oder es politisch absolut gewollt, dass man sich lebenslange Unterhaltsrenten zu Lasten Dritter durch aussitzen "verdienen" kann?

Die Organisationen der feministisch-juristischen Lobby wie der einflussreiche Deutsche Juristinnen Bund (djb) schweigen diesmal wie tote Fische, während bei der Reform 2008 lautstark gejammert und beschworen wurde.

 

Gegen lebenslangen Unterhalt bei langen Ehen wäre tatsächlich gar nichts einzuwenden, wenn die Rechtspflege "lange Ehen" auch als lang definieren würde. Lebenlanger Unterhalt kann nur aus langjährigem Vertrauen auf eine eingegangene lebenslange Ehe entstehen. Das entsteht eben nicht, wenn mit 20 geheiratet wird, dann das Geld des Ehepartners ausgeben, Scheidung mit 35 weil die Affäre mit dem Mann aus dem Sportstudio auffliegt. 15 jahre Ehe, lange Ehe, wie der BGH oft genug geurteilt hat? Es entsteht, wenn man das halbe Leben miteinander verbringt, das sind statistisch 40 Jahre oder wenn man während des Alters der Erwerbsphase verheiratet war. Dann freilich wäre die Ehedauer vollkommen irrelevant, denn Versorgungsausgleiche würden sowieso enorme Werte umschichten.

 

Es entsteht also der Eindruck, als wäre das Gesetz genau für solche Fälle wie oben beschrieben gemacht: Leute, die heiraten, ein paar Jahre herumsitzen, weder durch Kindererziehung noch Arbeit Versorgungsanwartschaften erwirtschaften, keine ehebedingten Nachteile haben und dann nach ein paar Jahren unter Zurücklassung von Forderungen nach lebenslangen Renten abzischen.

 

Die Autoren sollten nicht nur kommentieren, sondern an ihre Berufskollegen Ute Granold, Sonja Steffen, Stephan Thomae, Jörn Wunderlich, Ingrid Hönlinger herantreten, die sich zu erklären haben wieso dieses Gesetz so aussieht und wieso es in dieser Form zustandekam. Die öffentlichen Erkärungen reichen hierzu nicht aus, wie die Beck-Autoren ebenfalls festgestellt haben.

Viefhues kritisiert die Reform in dem von Ihnen verlinkten Artikel (übrigens juris nicht Beck) mit deutlichen Worten und stellt heraus, dass es sch entgegen der Gesetzesbegründung nicht um ein bloßes Nachzeichnen der Rspr. des BGH handelt:

Die Gesetzesbegründung führt weiter aus, es werde lediglich die Rechtsprechung des BGH bestätigt. Auch das trifft so nicht zu. Der BGH hatte in seiner Rechtsprechung zu § 1578b BGB die Ehedauer immer im Bezug auf eine dadurch ausgelöste und bedingte wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten gesehen. Abgestellt wurde entscheidend auf eine ehebedingt vorhandene wirtschaftliche Abhängigkeit insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit zugunsten der Ehe und Betreuung der Kinder. Dagegen war ausdrücklich nicht lediglich die reine Zeitdauer entscheidend (BGH, Urt. v. 06.10.2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971; BGH, Urt. v. 11.08.2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 mit Anm. Borth = NJW 2010, 3372 = FF 2011, 33 Anm. Finke).

Nach der Neuregelung wird jetzt die Ehedauer als eigenständiges Kriterium auf die gleiche Ebene wie die im Gesetz ebenfalls ausdrücklich genannten „ehebedingten Nachteile“ gestellt. Damit werden aber für die zusammenfassende Billigkeitsabwägung die übrigen – nicht ausdrücklich genannten – Kriterien bewusst weiter in den Hintergrund gerückt.

Eine Beschränkung ergibt sich auch nicht auf Fälle des Vertrauensschutzes für nach altem Recht geschlossene Ehen. Zwar argumentiert die Gesetzesbegründung mit dem Schutz solcher lang währender Altehen. Allerdings nimmt das Gesetz dann nicht eine Anpassung des Übergangsrechts vor, das derartige Fälle regelt. Statt dessen wird die materiellrechtliche Vorschrift des § 1578b Abs.1 BGB geändert. Die Neufassung hat damit nicht nur Bedeutung für die mehr und mehr auslaufenden Altfälle, sondern hat auch gravierende Konsequenzen für solche Ehen, die erst unter dem neuen Recht geschlossen worden sind und sogar in Zukunft noch geschlossen werden.

Danach kann auch eine jetzt erst unter dem neuen Recht geschlossene Ehe aufgrund der Ehedauer zu einem unbegrenzten und unbefristeten Unterhaltsanspruch führen – trotz Kenntnis der bestehenden gesetzlichen Regelungen und ohne einen aus früheren Zeiten stammenden Vertrauensschutz! Und dies müsste sogar auch dann gelten, wenn keinerlei wirtschaftliche Verflechtung der Eheleute im Sinne einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Unterhaltspflichtigen eingetreten ist, sondern lediglich ein Einkommensunterschied zwischen den Ehegatten Basis für das auf Dauer gerichtete nacheheliche Unterhaltsbegehren ist.

Das Zustandekommen der Änderung empfinde auch ich als suspekt.

Zu Ihrem polemischen Fall lässt sich jedoch auch ein Gegenbeispiel bilden:

Nehmen Sie die Chefarztgattin mit Gütertrennung, die auf seinen Wunsch ihren Beruf aufgegeben und die 3 Kinder erzogen hat. Die wird dann mit Mitte 40 zugunsten einer ebenso jungen wie attraktiven Assistentärztin verlassen ....

Polemisch finde die Fälle gar nicht. Sie kommen vor, wie sich an Gerichtsentscheidungen über solche Fälle beweisen lässt. Die Frau (es könnte genausogut ein Mann sein, Handwerker mit Professorin wie im SPIEGEL 1/2013 - "Männerdämmerung") in ihrem Beispiel bekommt einen dicken Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit, dicken Trennungsunterhalt und mittels ehebedingter Nachteile (entsprechende Urteile sind auch in diesem Blog einige aufgeführt, z.B. hier) oft sogar unbefristeten Unterhalt. Ganz ohne Gesetzesänderung. Gütertrennung ist in diesem Zusammenhang irrelevant, das schliesst nur den Zugewinnausgleich aus.

 

Das ist ja der Punkt. Die jetzige Reform begünstigt über die Ehedauer nur die Gruppe derjenigen, die eine Ehe ohne Tätigkeit absitzen und dann nach einigen Jahren beenden, aber lange vor der Rente und vor dem Ende des eigenen möglichen Erwerbslebens. Der Unterhalt wird für diese Leute nicht einmal auf den angemessenen Lebensbedarf beschränkt, sondern soll sich weiter nach den eheprägenden Verhältnissen bemessen, d.h. in diesem Fall dem Halbteilungsgrundsatz.

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