Showdown hinter verschlossenen Türen der ITU - Kein Ende des Internets in Dubai

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 11.12.2012

An diesem Freitag (14.12.2012) geht die WCIT-12 Konferenz der International Telecommunications Union (ITU - auch schon hier im Blog) zu Ende und mit ihr das Internet, wie wir es kennen, sollten die Vorschläge von Russland, China, Saudi-Arabien, Algerien, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Regulierung und Kontrolle des Internets doch noch umgesetzt werden. Es wird auf der Zielgeraden spannend.

Die Verhandlungslage ist zur Zeit diffus. Gestern gaben westliche Verhandlungsführer gegenüber Reuters an, dass Russland sich von seinem Regulierungvorstoß distanziert hätte. Die Vertreter der Vereinigten Arabischen Emirate bestanden jedoch darauf, dass der Vorschlag nicht zurückgezogen wurde. Möglicherweise versteckt sich hinter dem Verhalten Russlands auch nur ein verhandlungstaktisches Manöver.

Da jedes der 193 Mitgliedsländer bei der ITU nur eine Stimme hat und es in dieser Suborganisation der Vereinten Nationen keinerlei Vetorechte gibt, ist der Ausgang einer Abstimmung zur Regulierung des Internets ungewiss.

Die Befürworter einer staatlichen „Governance des Internets” haben sich bereits frühzeitig organisiert. So sprach sich die Shanghai-Gruppe (Russland, China, Usbekistan, Tadschikistan) bereits 2011 für den Entwurf eines zwischenstaatlichen Internet-Verhaltenskodex mit „Normen und Regeln für das Verhalten von Staaten im Cyberspace” aus.

Heftige Kritik erregt der Umstand, dass bei der Abstimmung keinerlei Nicht-Regierungsorgansationen (NGOs) oder Interessenvertreter anderer Internetakteure vertreten sind - das Internet wird ja bislang primär von nichtstaatlicher Seite gestaltet und verwaltet. Es stünde also ein Paradigmenwechsel ins Haus, eine Abkehr von „Multistakeholder-Prinzip“ (viele Internetakteure)  und vom "Bottom-up-"Ansatz (von unten nach oben).

Bereits in den laufenden ITU-Verhandlungen ist keine Transparenz gegeben und selbst sonst so omnipotente Unternehmen und NGOs haben einen Maulkorb verpasst bekommen.

Der WCIT-Vorsitzende Mohamed Al Ghanim meidet wegen dieser komplizierten und diffusen Verhandlungslage das Plenum und versucht nach Presseberichten, mit rund zwei Dutzend Vertretern hinter geschlossenen Türen einen Deal auszuhandeln. 

Wie der künftige Telekommunikationsvertrag (ITR) aussehen wird, wird sich wohl erst am Freitag zeigen. Russland und seine Verbündeten insistieren, dass eine Regulierung des Internets notwendig sei, um Internetkriminalität zu bekämpfen und die eigenen Netzwerke zu schützen. 

Sollte es zu einem Vertrag kommen, der die Regulierung und Kontrolle des Internet festschreibt, könnten die USA, Deutschland und ihre Verbündeten Teile des Vertrages nicht anerkennen oder diesen schlichtweg nicht unterschreiben. 

 

 

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3 Kommentare

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Ein Beschluss zur Verstaatlichung der Regulierung ist der sicherste Ansatz, die weitere Entwicklung zum vollständigen Rohrkrepierer zu machen. Mir ist kein einziges staatliches Projekt erinnerlich, das auch nur annähernd so geklappt hat, wie es geplant war. Üblicherweise dauert ein Projekt unter staatlicher Ägide länger als projektiert, wird (deutlich) teurer als projektiert und wenn es fertig ist, hat es auch nicht alle Merkmale dessen, was projektiert wurde. Dass dabei auch nicht alle Belange in der Projektierung Berücksichtigung finden, ist fast eine Selbstverständlichkeit, ebenso, dass künstliche und nicht sinnvolle Hürden (zB Zugangshürden) geschaffen werden. Das ist dem Staat nach meinem Eindruck aber egal und anschließend wird demjenigen, der das Projekt umgesetzt hat, ein stattlicher Bonus gezahlt (als Bonus, gern auch als im Wege von Folgeaufträgen), weil das Projekt ja zu einem "erfolgreichen Ende" geführt wurde.

Es ist klar, dass nicht nur repressive Staaten ein erhebliches Interesse an einer staatlichen Regulierung haben. Auch die ITU sucht nach einer weiteren Existenzberechtigung (zumindest in den höher entwickelten Staaten) und schielt deswegen schon länger auf das Netz und dessen Regulierung (hint: DPI-Standard der ITU, der hinter verschlossenen Türen geschaffen wurde; da wird ersichtlich, in welche Richtung die Reise gehen soll und wird, wenn die ITU Verantwortung übertragen erhält). Das Interesse an einer inhaltlichen Einflussnahme ist auch hier bei uns, einem Staat mit deutlich demokratischem Anstrich (der aber auch seine Seltsamkeiten zu bieten hat), sichtbar: man denke nur an die Zensursula-Debatte und die allzu bereitwillig herbeispringenden Polizeigewerkschaften nebst Content-Industrie. Das geht sogar so weit, dass ich den Eindruck habe, dass der Staat Straftaten nicht mit allen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln verfolgt, sondern lieber ein Klagelied angestimmt wird, dass das alles so nicht gehe und in der Praxis viel zu kompliziert und langwierig sei (und man deswegen neue Ermittlungsmethoden bräuchte).

Ich wage folgende Prognose: Wenn sich die deutschen Vertreter sich einer Novelle des ITR mit repressiven und intransparenten Elementen wie inhaltlicher Kontrolle nach weichen Kriterien, Sperren und Ähnlichem nicht verweigern, wird der öffentliche Protest sehr laut werden. Wenn das nicht reichen sollte und die Regierung den Entwurf der ITR-Novelle dann dennoch wird ratifizieren wollen, wird der öffentliche Protest schlimmer werden als alles, was es bisher in dieser Richtung gab.

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Nachtrag: Kein Ende des Internets heute....

Die deutsche Bundesregierung hat sich in ihrer Pressemitteilung vom 14.12.12  eindeutig positioniert. Die neuen Regeln werden von Deutschland (wie auch von den USA und anderen Staaten) nicht unterzeichnet .

Die von 89 Ländern abgesegneten neue Regeln (Final Acts) sidn mittlerweile vond er ITU gepostet. Ob sie völkerrechtlich verbindlich ratifiziert werden, ist zweifelhaft. Das Wort "Internet" kommt jedenfalls im eigentlichen Vertragstext nicht vor, sondern nur in Resolution Plen/3. Wohl ist im Vertragstext bei den ITRs von Spam-Mails (Art. 5B "unsolicited bulk electronic communications“) die Rede. Ob sich daraus jedoch konkrete Verpflichtungen ergeben?   

 

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