ArbG Wuppertal: Engagement für den Betriebsrat ist keine Weltanschauung
von , veröffentlicht am 12.12.2012Die Klägerin begehrt Schadensersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung in Höhe von insgesamt rund 440.000 Euro. Sie ist seit 2008 Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Nachdem es bereits zuvor Auseinandersetzungen (Abmahnungen etc.) gegeben hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter dem 02.11.2010 mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos wegen des Vorliegens gravierender Pflichtverletzungen und erließ gegen die Klägerin ein Hausverbot für sämtliche Bereiche des Firmengeländes wegen massiver Beleidigungen und Bedrohungen von Betriebsratsmitgliedern. Mit Schreiben vom 12.11.2010, 16.12.2010 und 01.02.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats hilfsweise erneut außerordentlich fristlos. Die insoweit von der Klägerin jeweils erhobenen Kündigungsschutzklagen sind noch nicht rechtskräftig entschieden. Mehrere Betriebsratsmitglieder erstatteten am 04.11.2010 Strafanzeige gegen die Klägerin und stellten einen Strafantrag.
Strafanzeigen von Betriebsratsmitgliedern gegen die Vorsitzende
Die Klägerin fühlt sich durch verschiedene, namentlich benannte Mitarbeiter der Beklagten systematisch schikaniert und sieht diesen Vorwurf durch zahlreiche E-Mails und Schreiben bestätigt. Sie behauptet, über Jahre hinweg von der Beklagten wegen ihres Geschlechts und ihrer Weltanschauung diskriminiert worden zu sein. Sie sei einem Verhalten ausgesetzt gewesen, das sie als Mobbing bezeichnet.
Streben nach gleichberechtigter Vertretung der Arbeitnehmer ist keine Weltanschauung
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit als Betriebsrätin sei weder Ausdruck einer Religion noch einer Weltanschauung. Die Klägerin meint, ihre Weltanschauung bestehe darin, dass sie eine gleichberechtigte Vertretung der Arbeitnehmer und einen sozialen Ausgleich zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber für erforderlich hält. Es sei ihre feste Überzeugung, einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Arbeitgebers auf freie Ausübung seines Wollens und dem Interesse des Arbeitnehmers auf Schutz vor Eingriffen in das Arbeitsverhältnis sicherzustellen. Insoweit handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts aber eher um eine individuelle Wertehaltung bzw. um ein individuelles Verhaltensmuster der Klägerin. Ihr besonderes Engagement als Betriebsrätin stelle keine Weltanschauung dar. Auf § 15 Abs. 1 und 2 AGG könnten die Ansprüche der Klägerin daher ebenso wenig gestützt werden wie auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 12 AGG (ArbG Wuppertal, Urt. vom 01.03.2012 - 6 Ca 3382/11).
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6 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenRA Christian Schäfer kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Prof. Rolfs,
ist Ihnen der Klägervertreter bekannt? Ich tippe auf RA Prof. Alenfelder, der sich immer wieder durch solche Verfahren hervortut.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Schäfer
RA mojito kommentiert am Permanenter Link
Nun, ich kann den Kollegen etwas verstehen. Bei dem Streitwert würde wohl auch meine persönliche Ertragbarkeitsgrenze in Sachen Mandantenschwachsinn überwunden.
Fatal sind solche Verfahren nur für die wirklichen Mobbingopfer. Jedes weitere solcher Verfahren ist wie Flugsand, der auch die echten Verstöße unter Schwachsinn begräbt und die Darlegungs- und Beweislast weiter anzieht. Nicht wirklich hilfreich.
Prof. Dr. Christian Rolfs kommentiert am Permanenter Link
@ RA Schäfer:
In nrwe.de ist das Urteil ohne Rubrum veröffentlicht, sodass ich weder die Parteien noch ihre Prozessbevollmächtigten kenne.
@ ra mojito:
Denkbar ist natürlich auch, dass nicht die Mandantin, sondern ihr Prozessbevollmächtigter auf die Idee gekommen ist, eine solche exorbitante Summe einzuklagen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Rolfs
RA mojito kommentiert am Permanenter Link
@Prof. Dr. Rolfs:
Denkbar, aber unwahrscheinlich. Nach meiner Erfahrung sind es gerade Mandanten mit einer solchen Problematik im Hintergrund, die aufgrund des ausgeprägten Rachebedürfnisses gerne auch beim Streitwert richtig in die Vollen gehen wollen. Und meist ändert daran auch der Hinweis auf § 12a ArbGG wenig. Da ist dann schon der immaterielle Schadensersatz, der eingeklagt wird, fünf- oder sechsstellig.
Wie gesagt - bedenklich finde ich das nur im Hinblick auf die Wirkungen für die Verfahren in der Zukunft...
RA Christian Schäfer kommentiert am Permanenter Link
Man könnte durchaus den Eindruck haben, dass Anwälte die Vorstellungen der Mandanten beflügeln, wenn Sie erzielte Ergebnisse öffentlich kommunizieren: http://www.alenfelder.de/ergebnisse.html
Christian Harten kommentiert am Permanenter Link
Das sind Klagen, die meiner Meinung nach die Anwaltschaft in Verruf bringen, egal wer da der auslösende Faktor war. Dann muss man siene Mandantschaft eben einbremsen oder das Mandat ablehnen.
Ich würde mir einen Hinweis des Gerichts zur Höhe des eingeklagten Anspruchs wünschen. Man selbst muss sich schämen, bei Unfallopfern für ein verlorenes Augenlicht ein Zehntel der Summe einzuklagen, weil man sich sionst vorwerfen lassen muss, den Gegenstandswert unsinnig in die Höhe zu treiben und hier wird mal eben die ganz große Weltschmerzkiste aufgemacht und Luftschlösser gebaut.
Da hoffe ich mal, es wurde auf Basis eines Erfolgshonorars gearbeitet...