Benachteiligung eines Stellenbewerbers wegen der Religion durch ein katholisches Krankenhaus

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 19.12.2012
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtDiskriminierungAGGReligion10|18379 Aufrufe

Ein katholisches Krankenhaus darf die Bewerbung eines geeigneten Pflegers nicht mit der Begründung ablehnen, dass er nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist. Solch eine Ablehnung stellt eine gemäß §§ 7, 1 AGG verbotene Diskriminierung wegen der Religion dar. Dies hat das Arbeitsgericht Aachen in einem am 14.12.2012 veröffentlichten Urteil festgestellt (2 Ca 4226/11). Das Gericht sprach dem Kläger eine Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) in Höhe von etwa einem Bruttomonatsgehalt zu.

Das Krankenhaus in Trägerschaft der katholischen Kirche hatte vor gut einem Jahr die Bewerbung eines objektiv geeigneten Bewerbers für eine Stelle als Intensivpfleger zurückgewiesen. Begründung: Der Mann ist nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft. Der Bewerber fühlte sich diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht Aachen auf eine Entschädigungszahlung.

Das Gericht stellte fest, dass die Benachteiligung nicht nach § 9 AGG gerechtfertigt sei. Die Religionsgemeinschaft könne sich in diesem Fall nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus berufen. Nach ihren eigenen Vorgaben dürfe sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. "Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicher stellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen", so das Gericht.

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10 Kommentare

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Diese gegen die Kath. Kirche ergangene Entscheidung scheint (unbewusst?) von einem protestantischen Denken geprägt, für welches sich Kirche und Glaube nur im eigentlich theologischen Spektrum der kirchlichen Berufe manifesiteren können, nicht aber beim "bloßen Pfleger", dessen Konfession dem Arbeitgeber folglich "egal" sein könne.  Das Problem lässt sich bei der sog. "Werkgerechtigkeit" verorten. Die Auffassung, man sei vor Gott gerechtfertigt, wenn man gute Werke tut, wurde bekanntlich von Luther bekämpft. Rechtfertigung erlangt der evangische Christ statt dessen allein durch Gottes Gnade im Glauben an den Erlösertod des Herrn und die Auferstehung. Wie man sieht, haben solche Großtheorien, auf den Alltag heruntergebrochen, zur Folge, dass man in einer elitären Haltung sogar in dem klassisch biblischen Fall der Barmherzigkeit, im pflegenden Dienst am Nächsten, im guten Werk des Krankenpflegers, der einen schwer Kranken versorgt, dessen Exkremente beseitigt usw. keinerlei Bezug zum Glauben mehr erkennen will und kann. Auf die das Aachener Urteil durchziehende Idee, dass jetzt sogar der Kernbereich des Caritativen nichts mehr mit der Kirche und dem kirchlichen Arbeitgeber zu tun hat, würde ein Katholik vermutlich nicht kommen.

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@ Notker: was genau ist an

"Nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes dürfe sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen."

unverständlich?

Die Vorgabe in § 3 (1), auf die Sie anspielen,

"Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden."

setzt keine Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft voraus. Gutes zu tun, mildtätig zu sein, aufopferungsvoll zu pflegen und sich um Leidende zu kümmern ist keine Erfindung von Religionsstiftern und schon gar nicht von weltlichen Kirchenfürsten, sondern grundlegendes menschliches Verhalten.

Abgesehen davon: Sie sollten sich mal informieren, was tatsächlich zum Berufsbild eines Intensivpflegers gehört. Da ersetzt kein Helfersyndrom die fachlich notwendigen pflegewissenschaftlichen Grundlagen und die den Ärzten z.T. überlegenen Kenntnisse in der Hightech-Apparatemedizin. Das oben stehende salbungsvolle Geschwafel ist vielleicht ein Beleg für Weltentrücktheit, aber keiner für Klarheit des Denkens.

Es ist schon höchst bedenklich, wenn zu 100% vom Staat bzw. den Krankenkassen bezahlte, aber religiös geführte Krankenhäuser bei der Einstellung nicht zuerst auf die Qualifikation sondern auf die Konfession wert legen, also lieber einen schlechter qualifizierten Bewerber mit der "richtigen" Konfession, statt einen besser qualifizierten Bewerber mit der "falschen" Konfession einstellen.

Diese Praxis ist aus 2 Gründen bedenklich:

Zum einem ist es aus Sicht der Patienten höchst fragwürdig, nicht nach der Qualifikation, sondern nach der Konfession einzustellen. (Ich möchte stattdessen lieber von einem gut qualifizierten Mediziner behandelt werden, als von einem der nur wegen seiner Konfession eingestellt wurde.)

Zum anderen wird hier durch den Staat (bzw. Krankenkassen) religiöse Diskriminierung finanziell gefördert. Denn in den kirchlichen Krankenhäusern steckt kein Cent von den Kirchen. Die kirchlichen Träger bekommen das gesamte Geld vom Staat bzw. Krankenkassen (wie auch alle anderen Krankenhäuser) und fördern damit aber nur "ihre" Arbeitnehmer.

Dass das auch anders geht, zeigen Arbeiterwohlfahrt, DRK und die anderen nichtreligiösen Krankenhäuser, in denen es keine religiöse Diskriminierung gibt.

Die Bevölkerung müsste über diese Art der religiösen Arbeitnehmer-Diskriminierung und darüber, dass die Qualifikation des medizinischen Personals in christlichen Krankenhäusern nur zweitrangig ist, besser aufgeklärt werden, um dieses bei der Auswahl (eines Krankenhauses) berücksichtigen zu können. (Bei einer Notfallbehandlung wird dies aber kaum möglich sein.)

Es ist höchste Zeit, dass die (staatlich geförderte) religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz in verkündigungsfernen Berufen in Deutschland endlich beendet wird. Dazu gibt es auch gerade eine unterstützenswerte Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA): www.gerdia.de

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Ich arbeite selber seit kurzem in einem kath. Krankenhaus. Mir wurde während des Bewerbungsgesprächs direkt gesagt, das für den Fall, dass ich aus der  kath. Kirche ausgetreten sei oder einer Anhängerin einer Sekte wäre es keine Möglichkeit einer Anstellung gäbe. Nun für mich galt beides nicht, da ich einer anderen Religion angehöre, allerdings war ich ziemlich geschockt, weil ich immer dachte Religion sei Privatsache. In meinem Fall stellte die Religionszugehörigkeit kein Problem dar, allerdings tut es mir für Menschen leid die alleine aus diesem Grund eine Arbeitsstelle nicht bekommen.

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Auch Verbrechensopfer müssen sich gefälligst an die katholische "Moral" halten:

Köln: Katholische Kliniken weisen Vergewaltigte ab (FAZ)

Höchste Zeit, dass Versicherte ihren Kassenärztlichen Vereinigungen vorschreiben können, dass sie solche menschenverachtenden Institutionen aus Gewissensgründen von ihren Versicherungsbeiträgen ausschließen können ...

In dem im Beitrag # 5 zitierten Skandal, dass 2 katholische Krankenhäuser einem Verbrechensopfer die ihm zustehende Behandlung verweigert haben, kann es nur eine Konsequenz geben: Diesen Krankenhäusern ist die Zulassung zu entziehen. Zumindest sind die Verantwortlichen zu entlassen bzw. zuallermindest arbeitsrechtlich abzumahnen.

Ein Krankenhaus, dass - ohne objektive Not (z.B. fehlende technische Ausstattung) - nicht bereit ist, seinen gesetzlichen Auftrag im vollen Umfang zu erfüllen, und Patienten vollumfänglich zu behandeln (inkl. Aufklärung über alle medizinische Alternativen und Durchführung aller medizinisch zulässigen Behandlungen) hat keine Existenzberechtigung.

Hier sieht man zum einen, was passiert, wenn Berufsfremde (Kirchenführer) über Medizinisches entscheiden dürfen, und zum anderen, wohin es führt, wenn medizinisches Personal nicht nach der Qualifikation, sondern nach der Konfession ausgesucht wird (s. auch mein Kommentar oben #3).

Und noch ein Aspekt:

Hier wurde durch die Notfallärztin in 2 katholischen und einer evangelischen Klinik nachgefragt. Offenbar ist es in Köln schon so dramatisch, dass es dort (fast) nur christliche Krankenhäuser gibt, obwohl sicher auch in Köln 1/3 konfessionsfrei sind und immer mehr aus den Kirchen austreten - so wie in Gesamtdeutschland. Versuchen vielleicht die Kirchen das gesamte Krankenhauswesen zu übernehmen, um die Krankenbehandlung in Deutschland unter ihre Religion zu stellen? Oder ist das nur so eine verrückte Verschwörungstheorie von mir?

Es wird jedenfalls Zeit, für ein Grundrecht auf religionsferne Krankenbehandlung in einem nichtreligiösen Krankenhaus in gut erreichbarer Nähe überall in Deutschland. Das wäre sowohl für die Patienten, wie auch für das Personal gut und wichtig! In einer immer mehr säkularisierenden Gesellschaft brauchen wir einen säkularen Staat mit säkularen Einrichtungen für ALLE (Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Kitas, Beratungseinrichtungen etc.)! Religion ist Privatsache!

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Immanuel schrieb:

... Versuchen vielleicht die Kirchen das gesamte Krankenhauswesen zu übernehmen, um die Krankenbehandlung in Deutschland unter ihre Religion zu stellen? Oder ist das nur so eine verrückte Verschwörungstheorie von mir?

 

JA!

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Ich habe wegen meiner Religion ( Islam) eine Absage in einem kath. Krankenhaus erhalten. Obwohl ich alle Voraussetzungen erfülle. Ich arbeite in meiner Freizeit als Feuerwehrmann und Sanitäter.

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Ein krasses Fehlurteil des BAG: aus den Caritas-Richtlinen zu Arbeitsverträgen wird eine Mitgliedspflicht in der kath. Kirche konstruiert, obwohl dort auch ausdrücklich von nicht katholischen Mitarbeitern die Rede ist.

http://www.bundesarbeitsgericht.de/termine/apriltermine.html#25-1

H. (RAe. Hoppe ua., Mannheim) ./.
C. e. V. (RAe. Steinbrück ua., Mannheim)
- 2 AZR 579/12 -
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1992 als Sozialpädagoge bei dem beklagten Caritasverband teilzeitbeschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags gelten für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweiligen Fassung. Sie sehen in § 4 Abs. 2 vor, dass "bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben … die allgemeinen und für einzelne Berufsgruppen erlassenen kirchlichen Gesetze und Vorschriften zu beachten (sind)". Nach § 4 Abs. 3 AVR "erfordert der Dienst in der katholischen Kirche … vom katholischen Mitarbeiter, dass er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einrichtet. ERGÄNZUNG SATZ 2: Die persönliche Lebensführung des nichtkatholischen Mitarbeiters darf dem kirchlichen Charakter der Einrichtung, in der er tätig ist, nicht widersprechen." Nach § 14 Abs. 5 AVR ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, soweit der Mitarbeiter das 40. Lebensjahr vollendet hat. Der Beklagte beschäftigt ca. 800 Arbeitnehmer. Die angestellten (Sozial-)Pädagogen sind ausnahmslos Mitglieder christlicher Kirchen. Der Kläger selbst gehörte der katholischen Kirche an. Seit September 2008 war er im "Sozialen Zentrum A." tätig. Das Zentrum ist ein Projekt der Erziehungshilfe, in dem Schulkinder im Alter bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden den Kindern auch nicht vermittelt. Ziel des Projekts ist es, die Kinder schulisch und in ihrem sozialen Verhalten zu fördern. Am 21. Februar 2011 trat der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Darüber informierte er den Vorstand des Beklagten. In einem Gespräch mit einem Vorstandsmitglied nannte er auf Befragen als Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die "Piusbruderschaft" und die Karfreitagsliturgie. Darin drücke sich eine antijudaische Tradition der katholischen Kirche aus. Daraufhin kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. März 2011 außerordentlich zum 30. September 2011, nachdem er die Mitarbeitervertretung beteiligt hatte.

Der Kläger wehrt sich gegen die Kündigung. Er meint, das Selbstbestimmungsrecht der Kirche sei grundsätzlich anzuerkennen. Der Beklagte habe den Kirchenaustritt dennoch hinzunehmen. Sein Kirchenaustritt wirke sich auf seine Arbeit im Sozialen Zentrum nicht aus und stelle weder die Zielsetzung noch die Akzeptanz des Projekts in Frage. Im Übrigen habe er mit seiner Entscheidung, aus der katholischen Kirche auszutreten, lediglich von seinem Grundrecht auf Gewissensfreiheit Gebrauch gemacht. Der Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung auf sein Selbstbestimmungsrecht. Er meint, dass der Kläger als Sozialpädagoge unmittelbar in den Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche einbezogen sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter.

LAG Baden-Württemberg - Kammern Mannheim -,
Urteil vom 9. März 2012 - 12 Sa 55/11 -

Aus einer Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung einen "Verkündungsauftrag" herzuphantasieren ist eine derartige Verkennung der Realität, dass man sich die Richter allesamt mal für ein mehrwöchiges Praktikum an eine solche Institution wünscht.

Eine Verfehlung in der persönlichen Lebensführung des nun nicht mehr katholischen Soz-Päd. ist nicht festgestellt worden. Dem o.g. Text ist zu entnehmen, dass nicht nur katholische, sondern auch anderweitig "christliche" Soz.-Päd. angestellt sind, also ebenfalls nichtkatholische. Die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche - sei sie nun katholisch, orthodox, koptisch oder armenisch - ist aber kein Kriterium nach den Caritas-Richtlinien, diese unterscheiden nur katholisch oder nichtkatholisch. Ob ein Nichtkatholischer also evangelischem, muslimischem oder gar keinem Glauben angehört, macht keinen Unterschied! Es gibt demzufolge keine Rechtsgrundlage, aufgrund derer eine Kündigung und schon gar nicht eine fristlose gerechtfertigt wäre.

Es ist erschütternd, dass das BAG derart krasse Fehler macht. Auf die Urteilsbegründung bin ich mal gespannt, Orwell würde sich bestimmt sehr darüber freuen, denn ohne konsequentes Doppeldenk kann man diese Kündigung nicht durchgehenlassen. Bliebt zu hoffen, dass das BVerfG diesen Schandfleck korrigiert und den BAG-Richtern klarmacht, dass auch für sie Art. 20 Abs. 3 gilt.

Dazu auch http://hpd.de/node/15794 und http://www.humanistische-union.de/nc/presse/2013/pressedetail_2013/back/...

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