Arbeitnehmer muss Zeugnis im Betrieb abholen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.03.2013

Ein Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Für diesen in § 109 GewO geregelten Anspruch hat der Gesetzgeber allerdings keinen Erfüllungsort, also einen Ort, an dem die Leistung zu erbringen ist, bestimmt. Und auch der Arbeitsvertrag äußert sich in aller Regel nicht zu diesem Punkt. Von daher stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer das Zeugnis im Betrieb abholen muss oder ob er verlangen kann, dass es ihm zugeschickt werde. Die meisten Arbeitnehmer dürften überrascht sein, dass die Rechtsprechung grundsätzlich von einer Holschuld ausgeht. So hat auch das LAG Berlin-Brandenburg (6.2.2013 – 10 Ta 31/33) kürzlich entschieden. Der Leitsatz lautet: „Ein Zeugnis ist am Ende des Arbeitsverhältnisses im Betrieb abzuholen, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dieses unzumutbar machen. Wer ohne Abholversuch ein Zeugnis einklagt, hat deshalb in aller Regel die Kosten zu tragen.“ Das LAG verweist zur Begründung auf die allgemeine gesetzliche Regel des § 269 Abs. 1 BGB, wonach immer dann, wenn für eine Leistung ein Ort nicht ausdrücklich bestimmt ist und sich auch nicht aus den Umständen ergibt, der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich ist. Bei Leistungen im Zusammenhang mit Gewerbebetrieben sei Leistungsort der Sitz der Niederlassung des Betriebes (§ 269 Abs. 2 BGB). Das LAG sieht sich insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (8.3.1995, NZA 1995, 671). Lediglich in besonderen Ausnahmefällen könne aufgrund von Treu und Glauben etwas anderes geboten sein. Eine solche Ausnahmekonstellation sah es im zu entscheidenden Fall nicht als gegeben an. Die Entscheidung eröffnet dem Arbeitgeber eine letzte Möglichkeit, den Arbeitnehmer, der auf das Zeugnis angewiesen ist, nochmals vorzuführen („antanzen zu lassen“). Dass es ihm ein Leichtes wäre, das Zeugnis per Post (gegen Erstattung der Portokosten) zu schicken, begründet nach der Rechtsprechung keinen Ausnahmefall; wohl aber eine große räumliche Entfernung.

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3 Kommentare

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Soweit erkennbar, ist die Qualifizierung als Holschuld seit Jahrzehnten ganz h. M. in der Lit. und ständige Rspr.  - Allerdings sollte es zu denken geben, dass in etlichen Aufsätzen und Urteilen zu dieser Frage das Korrektiv des § 242 BGB herangezogen wird. Letztendlich liegen dieser Notlösung Wertungen zugrunde, die man mit etwas Mut gleich im Rahmen von § 269 BGB hätte zur Geltung bringen können. Statt dessen wird ohne viel Federlesens bei § 269 BGB postuliert, es ergebe sich eben "aus der Natur des Schuldnverhältnisses", dass Erfüllungsort der Sitz des Arbeitgebers ist; bei den Korrekturbemühungen über § 242 BGB zeigt sich dann aber, dass es mit dieser "Natur" doch nicht so weit her war.

Die Entscheidung eröffnet dem Arbeitgeber eine letzte Möglichkeit, den Arbeitnehmer, der auf das Zeugnis angewiesen ist, nochmals vorzuführen („antanzen zu lassen“).

 

Der Arbeitnehmer, der dies nicht über sich "ergehen lassen" möchte, könnte einen Vertreter (mit schriftlicher Empfangsvollmacht) das Zeugnis beim Arbeitgeber abholen lassen.

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Angenommen der ehemalige Arbeitnehmer bittet mehrfach um ein Zeugnis und wohnt in der Zwischenzeit weit entfernt.

Da der Arbeitgeber ihn immer wieder trotz Fristsetzung des ehemaligen Arbeitnehmers vertröstet , reist der ehemalige Arbeitnehmer zum Arbeitgeber, um den Arbeitgeber zur Rede zu stellen, weshalb er kein Arbeitszeugnis bislang erhalten hat.

 

Der Arbeitgeber läßt den ehemaligen Arbeitnehmer aber nicht auf das Werksgelände kommen und der ehemalige Arbeitnehmer muß ohne Zeugnis wieder abreisen.

Wie oft muß der ehemlige Arbeitnehmer ein Zeugnis verlagen ?

Wann muß bei mehrfacher Anreise des ehemaligen Arbeitnehmers der Arbeitgeber die Reiesekosten tragen ?

 

 

 

 

 

 

 

 

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