Erneut zum Vorwegvollzug – diesmal kann der BGH es nicht richten

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 19.04.2013

Zu meinem Blog-Beitrag „Vorwegvollzug  - ein unbekanntes Wesen“ vom 24.03.2013, in dem ich die Notwendigkeit der Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB bei Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB neben Verhängung einer Freiheitsstrafe thematisiert habe, passt die Entscheidung des BGH vom 27.03.2013, 4 StR 60/13 (BeckRS 2013, 06497).

Der Sachverhalt: Das Landgericht verurteilte einen Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten und ordnete die Unterbringung gem. § 64 StGB an. Eine Entscheidung zum Vorwegvollzug unterblieb.

Diesmal vermochte der BGH den Fehler nicht zu korrigieren. Er hob das Urteil vielmehr mit folgender Begründung auf:

„[…]1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist, sofern bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren nicht ausnahmsweise von einer Vikariierung abgesehen wird, der vorweg zu vollstreckende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen, dass nach seiner Verbüßung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum steht dem Tatrichter insoweit nicht zu. Zur Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe ist eine Prognose darüber notwendig, wie lange genau die Unterbringung in der Maßregel zur Durchführung der Therapie voraussichtlich erforderlich sein wird. Die Therapiedauer muss individuell festgelegt werden. Es genügt nicht, dass der Tatrichter nur eine Mindest- und eine Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. September 2008 - 1 StR 478/08, Rn. 6 f.; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 532/09, Rn. 4; vom 31. August 2010 - 3 StR 309/10, Rn. 3; Urteil vom 8. April 2010 - 4 StR 53/10, Rn. 5).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat einen Vorwegvollzug der Strafe nicht angeordnet. Die Urteilsausführungen lassen nicht erkennen, ob die Strafkammer im Hinblick auf die Dauer der bereits vollzogenen Untersuchungshaft - gestützt auf die Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - ihrer Entscheidung eine präzise Prognose hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des Maßregelvollzuges zu Grunde gelegt hat. Es kann deshalb auch vom Senat nicht bestimmt werden, wie viel Strafe (einschließlich der anzurechnenden Untersuchungshaft) eventuell vorab zu vollziehen ist, bis exakt der Zeitpunkt erreicht sein wird, zu dem eine Halbstrafenentlassung möglich ist.“

Zu einer fehlenden Erfolgsaussicht bei zu langer Behandlungsdauer führt der BGH weiter aus:

„Über den Maßregelausspruch muss insgesamt erneut entschieden werden. Denn der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu beachten haben, dass eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sinne von § 64 Satz 2 StGB dann nicht besteht, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist von zwei Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB) überschreitet (BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292, und vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7).“

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