Loveparade 2010, Gutachten aus England: Katastrophale Enge im Eingangsbereich vorhersehbar

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.05.2013

Viele Monate hat der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachter Keith Still gebraucht, um sein Gutachten zu erstatten. Nun soll es vorliegen und die SZ gibt bereits wieder, was Still darin (angeblich) aussagt: Die Rampe sei – was man leicht berechnen könne – für die erwartete Besucherzahl bei Weitem zu eng gewesen, zumal auch noch zusätzlich Hindernisse  vorhanden gewesen seien. Daher sei eine Massenturbulenz in diesem Eingangsbereich vorhersehbar gewesen.

Zitat (SZ):

"Eine zentrale Frage der Staatsanwälte war: Gab es wenigstens die theoretische Möglichkeit, den Plan der Veranstalter umzusetzen, ohne dass Besucher der Duisburger Loveparade körperlichen oder seelischen Schaden genommen hätten? Stills Antwort lautet: nein, völlig undenkbar.

(...)

In verschiedenen Rechenmodellen weist er nach, dass die Veranstalter es aus seiner Sicht versäumt hätten, einfachste Kalkulationen durchzuführen. Zum Beispiel die erwarteten an- und abgehenden Besucherströme zu addieren. 21 Tote wegen ungenügender Grundrechenarten?

Die Katastrophe auf der Loveparade wurde oft als Massenpanik beschrieben, es klingt nach Mitschuld der Opfer. Für Panik fehlte ihnen aber der Platz, sie wurden erdrückt, weil sich auf der Rampe zum Gelände zu viele Menschen stauten. Still weist in seinem Gutachten nach, dass Veranstalter und Stadt durch einfache Kalkulationen hätten wissen müssen, dass die Rampe viel zu klein war für die erwarteten Besucher. Sie war zudem mit Zäunen verstellt und acht Meter schmaler als eigentlich geplant.

Das alles wäre vorhersehbar gewesen, das alles hätte nie genehmigt werden dürfen, schreibt Gutachter Still."

Nun kann man davon ausgehen, dass in dem Gutachten (angeblich 90 Seiten) noch mehr steht und auch die Verantwortlichkeiten Einzelner möglicherweise daraus herleitbar sind. Denn die oben zitierten Inhalte sind alles andere als neue Erkenntnisse. Dass sich die erwartete Besucherzahl, wenn man die stundenweise Planung anschaut und addiert, nie und nimmer die schmale Rampe hätte passieren können, war schon hier im Blog und anderswo kurze Zeit nach der Katastrophe deutlich beschrieben worden, siehe z.B. meinen allerersten Beitrag am Tag nach der Katstrophe

"Aber wenn diese Angaben (von Prof. Schreckenberg) stimmen, dann hätte es 15 Stunden (!) gedauert, bis 300.000 Menschen auf dem Gelände gewesen wären, eine doch völlig unrealistische Vorstellung für eine solche Veranstaltung.  Selbst die doppelte Menge von Zufluss hätte nahezu acht Stunden erfordert - und dabei sind nicht einmal die Besucher  erwähnt, die inzwischen das Gelände wieder verlassen wollten. Im Übrigen erklärt dies, warum nach Angaben der Polizei das Gelände zu keinem Zeitpunkt überfüllt war. Wenn diese Angaben stimmen, dann kalkulierte dieses Konzept von vornherein ein mehrstündiges Warten im Gedränge vor oder im Tunnel ein - selbst wenn es  "nur" 300.000 Menschen  gewesen wären. Eine unzumutbare Situation, deren Folgen nun leider eingetreten sind.

Diese Folgen wurden schon vor einigen Tagen ziemlich genau vorausgesehen (link der westen) - und auch die mögliche Ursache, der zu enge einzige Zugang zum Gelände, wurde dort schon benannt.  
Ob und wer strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, ist Gegenstand  der Ermittlungen, die sicherlich einige Zeit erfordern.

Aber unvorhersehbar war diese Katastrophe nicht. "

Etwas detaillierter mein Beitrag vom 28. Juli 2010. Ich war deshalb schon mit vielen anderen  relativ frühzeitig der Ansicht, dass aufgrund dieser aus den „Planungen“ von Lopavent und der Berechnung  eines Entfluchtungsgutachtens erkennbaren Daten, der Eingangsbereich viel zu knapp war, um die erwarteten Besucherzahlen dort durchzuschleusen. Da dies bereits vor der Veranstaltung auf der Hand lag, war weder das von Lopavent vorgelegte „Sicherheitskonzept“ tragfähig noch war eine Genehmigung der Veranstaltung auf Grundlage dieses Un-Sicherheitskonzepts rechtmäßig .

Da die Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr andeutete, es fehle für den Abschluss der Ermittlungen im Wesentlichen nur noch das Still-Gutachten, gehe ich davon aus, dass es nun recht bald zu einer Anklageerhebung kommt. Die pessimistische Einschätzung meines Kollegen Feltes aus Bochum, der eine Anklage für eher unwahrscheinlich hält, teile ich nicht. Nicht nur, wenn die Staatsanwaltschaft 99 % sicher ist, dass es zur Verurteilung kommt, sondern schon wenn sie eine Verurteilung für (überwiegend) wahrscheinlich hält, kann sie anklagen. Natürlich muss man bei einer so brisanten Angelegenheit vorsichtig sein mit Prognosen. Aber ich halte es doch für ziemlich wahrscheinlich, dass man einzelne Verantwortliche benennen kann, die den schlimmen Ausgang vorhersehen konnten und trotzdem nach dem Motto „Augen zu und durch“ gehandelt haben. Eine ähnliche Einschätzung trifft RA-Kollege Heckmann (facebook-Eintrag bei Stadtpolitik Duisbrg am 21.Mai 2013)

Kommt es nicht zur Anklage, wäre dies m. E. fatal, denn das würde zeigen, dass unser Strafrechtssystem nicht mit der komplexen arbeitsteiligen Verantwortung bei der Planung und Durchführung von Großveranstaltungen umgehen kann.  Man kann tatsächlich darüber diskutieren, ob es angemessen ist, jede Fahrlässigkeit einzelner Mitarbeiter, die bei einer großen Unternehmung in Stresssituationen katastrophale Folgen auslösen können, strafrechtlich zu verfolgen. Es kann auch z.B. mit § 153 StPO operiert werden, wenn der Schuldanteil geringfügig ist, auch wenn schwere Folgen gegeben sind. Wenn es aber – wie es m. E. bei der Loveparade 2010 in Duisburg der Fall war – eklatantes und grob fahrlässiges Fehlverhalten von Sicherheitsverantwortlichen schon im Vorfeld gab, dann sollte auch das Strafrecht eingreifen können.

Ob Anklage gegen alle Beschuldigte, gegen die ermittelt wird, erhoben werden wird, wage ich allerdings nicht zu prognostizieren.

Ein neuer Artikel in der Rheinischen Post fasst den derzeitigen Ermittlungsstand zusammen.

Der Westen ergänzt mit einer Grafik, die die Verantwortlichkeiten darstellt.

Update (04.06.2013)

inzwischen sind noch einige Einzelheiten aus dem Gutachten bekannt geworden, die ich kurz darlegen und kommentieren möchte:

Still zeigt nicht nur, dass die geplante maximale theoretische Einlass- und Auslasskapazität des Veranstaltungsdesigns völlig unzureichend für die erwarteten Besucher war, sondern auch, welche Schlangen/Verstopfungen sich dadurch praktisch vor den Eingängen und auf dem Gelände bilden mussten, wenn die vorhergesagte Anzahl von Besuchern kam bzw. ging.

Diese theoretische Berechnung auf Grundlage des vom Veranstalter vorhergesehenen Zu- bzw. Abgangs kann natürlich nur dann als wesentliche Ursache des tatsächlichen Geschehens angesehen werden, wenn Zu- und Abgang am Veranstaltungstag auch im Wesentlichen der Vorhersage entsprach. Die entsprechende Frage der Staatsanwaltschaft beantwortet Still mit „Ja“ – die vorhergesagten Zeiten maximalen Zustroms seien ja einerseits vom Veranstaltungsablauf diktiert gewesen, andererseits von den Kapazitäten des ÖPNV. Die erwarteten Zugangs- und Ausgangszahlen seien daher tatsächlich in etwa so eingetreten wie in der Planung.

Ich denke an diesem Punkt hätte sich der Sachverständige noch mehr Mühe geben sollen. Selbst wenn in etwa die geplante Besucherzahl nach Duisburg gekommen ist, muss jedenfalls die Zahl derjenigen, die das Gelände am Nachmittag verlassen wollten, wesentlich geringer gewesen sein als in der Planung vorgesehen, weil ein Großteil der Besucher ja (noch) in der Eingangsverstopfung feststeckte bzw. erst viel später aufs Gelände kam.

Jedoch taugt diese Abweichung m.E. nicht unbedingt zur Verteidigung der Verantwortlichen.

Still hat zu Recht dargelegt, dass selbst bei optimaler Nutzung der Eingänge ein störungsfreier Ablauf bei den erwarteten Besucherzahlen nicht gewährleistet war – also aus Ex-Ante-Sicht der Planer und Genehmiger. Wenn nun selbst bei schon geringeren Besucherzahlen eine Störung eintrat, ist das kein Argument gegen die Schlüssigkeit des Still-Gutachtens – es zeigt sich nur, dass der Einlass tatsächlich weit entfernt war vom optimalen Besucher-„Fluss“.  Allerdings genügt eine allg. Vorhersehbarkeit von (lebensgefährlichen) Störungen in Form von Massenturbulenzen noch nicht zur objektiven Zurechnung des konkret eingetretenen Ereignisses. Darauf zielen insbesondere die Zusatzfragen der Staatsanwaltschaft, die diese im Februar 2012 dem Gutachter zukommen ließ. Hier sind auch Fragen zu einigen Fakten als mögliche (Neben-)Ursachen gestellt worden.

Ein Lautsprechersystem sei zwar wichtig und nützlich, aber es könne nicht das Problem des „Overcrowding“ als Hauptursache mildern. Nachdem das Eingangssystem nicht mehr funktioniert habe, habe man auch mit Lautsprecheransagen nichts mehr retten können.

Die Floats  seien zu nah an der Rampe gewesen und das Sicherheitskonzept  insofern falsch: Eine „Mitnahme“ der Besucher durch die Floats sei unrealistisch. Pusher seien bei einer schon eingetretenen Verstopfung nicht effektiv.

Besucherverhalten wird von Still als (Mit-)Ursache ausgeschlossen: Sowohl das Benutzen der Treppe, der Masten und des Containers als auch das Überklettern anderer Besucher wertet Still als normale Reaktion auf die hohe Verdichtungssituation.

Auch der zum Ersatz  eines Kanaldeckels dienende Heras-Bauzaun wird von Still eher zu den allg. Risiken gezählt,. Als unmittelbare Ursache sieht er den Bauzaun nicht an.

Die Frage, ob (und wann) die Katastrophe noch hätte abgewendet werden können, wird nicht klar beantwortet - auch hier verweist Still auf die grundsätzlich fehlerhafte Planung, die, als die Veranstaltung erst einmal lief, kaum mehr Korrekturen zuließ. Offenbar waren für den Fall des erkennbar werdenden Scheiterns des Eingangskonzepts gar keine Sicherheitsmaßnahmen vorgesehn, die das tragische Geschehen hätten verhindern können. Es sei lediglich möglich gewesen, die Besucher an anderen Stellen vom Gelände zu schicken als durch den zu engen Eingang.

Kommentar:

Das Still-Gutachten zeigt m.E. schlüssig, dass die entscheidende Ursache für die Loveparade-Katstrophe schon im Vorfeld gesetzt wurde. Es handelt sich nach diesem Gutachten nicht um eine unglückliche unvorhersehbare Ursachenkette, sondern um eine von Planern und Genehmigungsbehörden aus ihren eigenen Zahlenangaben plus dem Ein- und Ausgangsplan einfach zu errechnende Unmöglichkeit der gefährdungsfreien Durchführung der Loveparade an diesem Ort. Wann und wo genau dann Menschen zu Schaden kamen, ließ sich natürlich nicht schon aus den Planungen herauslesen. Aber dass im Eingangsbereich lebensgefährliche Massenturbulenzen eintreten würden, war nach diesem Gutachten nur eine Frage der Zeit. Eine solche Schlussfolgerung aus den Planungszahlen  ist nicht nur dem Fußgängerströmungsexperten möglich, sondern – wie hier im Blog schon Ende Juli 2010 gezeigt – jedem, der einen Dreisatz berechnen kann.

Das Gutachten belastet damit zentral die für Planung, Sicherheit und Genehmigung Verantwortlichen von Lopavent und Stadt bzw. Sicherheitsbehörden, weniger die vor Ort unglücklich agierende Polizei am Tag des Geschehens.

Leider werden die Fragen zum tatsächlichen Geschehen am Veranstaltungstag von Still zum Teil etwas knapp, teilweise gar unbefriedigend beantwortet. Zum Teil hat er auch nicht die Expertise zur Beantwortung dieser Fragestellungen, etwa wenn er schreibt, er kenne nicht die Gründe für die Polizeiblockaden an den jeweiligen Stellen – insofern müsste die Staatsanwaltschaft also ergänzende Ermittlungen nachtragen.

Wer sich über die bisherigen Diskussionen informieren möchte, kann sie hier finden - unmittelbar darunter einige Links zu den wichtigsten Informationen im Netz.

Juli 2012 (68 Kommentare, ca. 6500 Abrufe)

Dezember 2011 (169 Kommentare, ca. 7700 Abrufe)

Juli 2011 (249 Kommentare, ca. 13000 Abrufe)

Mai 2011 (1100 Kommentare, ca. 12000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 10000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 19000 Abrufe)

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 28000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade2010Doku

Link zur Seite von Lothar Evers:

DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Weitere Links:

Große Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Kurzgutachten von Keith Still (engl. Original)

Kurzgutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

Loveparade Selbsthilfe

Multiperspektiven-Video von Jolie / Juli 2012 (youtube)

Interview (Januar 2013) mit Julius Reiter, dem Rechtsanwalt, der eine ganze Reihe von Opfern vertritt.

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131 Kommentare

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Kam soeben in der Lokalzeit Duisburg auf dem WDR:

 

Loveparade: Anklage voraussichtlich im Januar

http://www1.wdr.de/studio/duisburg/nrwinfos/nachrichten/studios16686.html

Im späteren Verlauf des Abends kann man in der Regel den Beitrag in der Mediathek anschauen (für 7 Tage)

 

"

Mögliche Anklagen nach der Loveparade

Der Anklage-Entwurf zur Loveparade soll nach drei Jahren fertig sein. Das berichtet die Bild-Zeitung. Demnach habe die Duisburger Staatsanwaltschaft ihren Entwurf der Generalbundesanwaltschaft Düsseldorf zur Prüfung vorgelegt. Wenn der Bericht stimmt, soll gegen zehn und nicht gegen 16 Beschuldigte Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben werden."

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Guten Tag Herr Prof. Dr. Müller,

Von Daphne (lovparade2010doku.wordpress.com) wurde ich zunächst auf eine Sendung von diesem Sommer und dann auch Ihren Blog aufmerksam gemacht; hier die Diskussion:

 

Daphne

27. November 2013 geschrieben in 08:22 | Permalink | Antwort

ZDF-Beitrag mit Manfred Reißaus und “Pizzamanne” vom 24.07.2013
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1949466/#/beitrag/video/1949466/Loveparade-3-Jahre-nach-der-Katastrophe

Marek 28. November 2013 geschrieben in 22:06 | Permalink | Antwort

Ein interessanter Beitrag, danke Daphne, im Sommer entging mir diese Sendung. Ein interessanter Punkt ist, der von M. Reissaus angsprochen wurde: Warum wurde der Prozess nicht schon nach einem Jahr eröffnet? Schon damals lagen ja gesicherte Erkenntnisse, auch hätte paralell dazu weiterermittelt werden können.

Gibt es das in der StPO etwas, was gegen so etwas spricht? Oder von der Ermittlungstaktik?

Henning ist hier wohl gefragt…

Daphne 28. November 2013 geschrieben in 22:20 | Permalink | Antwort

Jepp, besser dort mal nachfragen, Marek
http://blog.beck.de/2013/05/26/loveparade-2010-gutachten-aus-england-katastrophale-enge-im-eingangsbereich-vorhersehbar?page=2

  • Marek 28. November 2013 geschrieben in 23:26 | Permalink | Antwort

    Danke für den Hinweis, Daphne.

Grüsse, Marek

Sehr geehrter Herr Lochman,

wie Herr Reißaus und viele andere bin ich über die Dauer des Ermittlungsverfahrens auch ziemlich enttäuscht, zumal es mir so vorkommt, als seien zumindest in den vergangenen 1,5 Jahren kaum noch neue Erkenntnisse hinzu gekommen. Andererseits habe ich auch keine Akteneinsicht und kann deshalb womöglich Verzögerungen und die Verantwortlichkeit dafür nicht richtig einschätzen.

Zur Frage, ob es nicht sinnvoll ist, schon einmal anzuklagen und dann weiter zu ermitteln: Nein, das wäre sicherlich eine rechtlich fragwürdige und sachlich unangemessene Verfahrensweise. Die StA darf erst anklagen, wenn sie selbst einen hinreichenden Tatverdacht annnimmt, was bedeutet, dass sie die Verurteilung der Angeklagten für wahrscheinlich hält. Zuvor müssen die Ermittlungen abgeschlossen sein und die Beschuldigten/Verteidiger müssen Gelegenheit bekommen Stellung zu nehmen. Und man stelle sich vor, dass erst nach der Anklage in weiteren Ermittlungen herauskommt, dass einzelne der Angeklagten nicht, dafür aber andere Personen verantwortlich zu machen sind. Das wäre für ein schon begonnenes Hauptverfahren ein Desaster:
1. Für diejenigen, die zunächst ohne abgeschlossene Ermittlungen unschuldig angeklagt wurden,
2. Für alle anderen Mitangeklagten, denn nunmehr müssten ja die dann neu beschuldigten Personen erst einmal dieselben Rechte eingeräumt bekommen wie alle anderen, also zB Akteneinsicht durch die Verteidger etc. Der ganze Prozess würde sich dann erheblich verzögern. Eine Verzögerung würde sich aber auch dann ergeben, wenn die StA während des Prozesses andere wesentliche Ermittlungsergebnisse "nachschiebt".

Außerdem muss  nach einer Anklage das Hauptverfahren auch noch vom Gericht eröffnet werden, weshalb es höchst unklug wäre, wenn eine Staatsanwaltschaft Anklage erhebt und gleichzeitig erkennen lässt, dass die Ermittlungen noch gar nicht abgeschlossen sind. Das Gericht würde sicherlich ein solches Verfahren gar nicht eröffnen.

Fazit: Auch wenn es rechtlich nicht "untersagt" ist, nach Anklageerhebung weiter zu ermitteln: Ohne vorherigem tatsächlichen Abschluss der Ermittlungen wird eine Anklage nicht erfolgen und das ist auch richtig so.

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Herr Prof. Dr. Müller,

danke für die umfasende Antwort. Die Dauer wie auch die Tatsache, dass Hausdurchsuchungen bei Lopavent wie auch die ungenügende Sicherung der Daten bei der Stadt Duisburg - das alles lässt keine Gefühle aufkommen. Bei 21 Toten. Marek Lieberberg hatte ja in einer Sendung mal gesagt: Wenn es bei einem meiner Konzerte Tote gegeben hätte, würde schon am nächsten Tag der Staatsanwalt bei mir auf der Matte stehen.

 

Noch einen Kommentar zum Gutachten von Keith Still: In Ihrem update erwähnen Sie, dass er den nur notdürftig abgesicherten Gullideckel nicht als Ursache sieht - ich habe das Gutachten auch gelesen und diese Passage rund um den Gullideckel so interpretiert, dass er zwar wirklich nicht ursächlich ist, dass aber Stolperfallen dazu führen können, das es früher zum Unglück kommen kann, da die Wahrscheinlichkeit des Stolperns erhöht wird. Da man nun schätzen kann, dass etwa 20-30 Minuten mehr Zeit sicher Leben, vielleicht sogar alle, hätte retten können, kann man schon sagen, dass der Gullideckel ein wichtiges Glied der Kausalkette des Unglücks sein kann.

 

Ich bin gespannt, was dazu das Gericht befinden wird. Eigentlich stelle ich mir schon vor, dass man ja angesichts der Kameras eigentlich sehen müsste, wo die ersten Menschen gestolpert sind... aber vielleicht stelle ich mir das zu einfach vor.

 

Gruss,

Marek Lochman

Gestern in der Lokalzeit Duisburg:

Zivilklage gegen Schaller

Dem Veranstalter der Duisburger Loveparade, Rainer Schaller, droht nun doch eine juristische Auseinandersetzung. Mehr als drei Jahre nach dem Unglück mit 21 Toten will eine Anwältin aus Bochum für rund 30 Betroffene Schadenersatz und Schmerzensgeld erstreiten. Strafrechtlich gilt Schaller bislang nicht als Beschuldigter, weil er offenbar nicht in die Planung involviert war. Als Veranstaltungschef hätte er sich aber über die Risiken der Planung informieren müssen, so die Anwältin. Sie will noch in diesem Jahr Zivilklage einreichen.

 

http://www1.wdr.de/studio/duisburg/themadestages/loveparade-klage-gegen-...

 

Und als Video (nur sieben Tage verfügbar):

 

http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit/lokalzeit-aus-dui...

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Der Westen berichtet nun über eine neue Geschäftsverteilung im für die Loveparade-Anklage  zuständigen LG Duisburg, offenbar um die Überlastung der Strafkammern abzuwenden, aber auch, um möglicherweise Platz zu schaffen für das anstehende Großverfahren. Es wird spekuliert, dass die Hauptverhandlung erst 2015 stattfinden wird und sie möglicherweise in die Düsseldorfer Messehallen verlegt wird. Zum Bericht. (Danke für den Hinweis an "ImDellviertel")

Laut Bericht des Focus verzögert sich die Anklageerhebung wegen eines Streits der Staatsanwälte. Worum es dabei genau geht, geht aus dem Artikel allerdings nicht hervor. Ausschnitt:

Wie das Nachrichtenmagazin FOCUS aus Justizkreisen erfuhr, streiten sich der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Gregor Steinforth und der Chef der Duisburger Staatsanwaltschaft Horst Bien über Formulierungen und rechtliche Inhalte der Anklageschrift. Der Zwist verschärfte sich vor dem Jahreswechsel, als Steinforth drei Staatsanwälte mit einer Mängelliste und der Bitte um Nachbesserung nach Duisburg entsandte. Dabei kam es offenbar zum Krach mit dem Chefankläger Bien.

Der Spiegel macht auf damit, dass nur zehn Personen angeklagt werden, nämlich:

der frühere Duisburger Stadtentwicklungsdezernenten Jürgen Dressler, 5 Mitarbeiter des städtischen Bauamts sowie 4 Verantwortliche der Firma Lopavent

Zudem wird als neu verkauft, was alle, die sich näher mit dem Fall Loveparade beschäftigt haben, seit Langem wissen, nämlich dass sich um 16.51 Uhr ein Polizeitransporter ("Bulli") durch die Menge schob, wenige Meter vom tödlichen Gedränge entfernt und bei der Durchfahrt dieses Gedränge noch verschärfend:

Unterdessen belegen die Ermittlungsakten eine weitere, schwere Polizei-Panne, die zu dem Unglück am 24. Juli 2010 beigetragen haben könnte. Um 16.51 Uhr, genau zu dem Zeitpunkt, als auf der völlig überfüllten Eingangsrampe zum Party-Areal jener "Menschenberg" entstand, in dem 21 Love-Parade-Besucher den Tod finden sollten, fuhr nur wenige Meter entfernt ein Polizeitransporter durch die Menschenmenge – und sorgte so für zusätzlichen Druck. Die Besatzung des Fahrzeugs hatte den Auftrag, einen Gefangenentransporter zu übernehmen, und wusste offenbar nichts von der dramatischen Situation auf der Rampe. Zum Zeitpunkt ihrer Durchfahrt, so sagten die Beamten später aus, sei ihr Polizeifunk ausgeschaltet gewesen, da sie die entsprechenden Funkkanal-Pläne erst später, an ihrem Einsatzort auf dem Gelände, erhalten sollten.

Es wird aber keine Anklage gegen Polizeibeamte geben, weder solche, die im Vorfeld beteiligt waren noch solche, die beim akuten Geschehen tätig wurden, jedenfalls nach den Informationen des Spiegel.

Voraussichtlich keine Anklage gegen Rabe???!!!

Das schlägt dem Fass den Boden aus, er ist m.E. der Hauptverantwortliche. Wenn ihm nichts nachgewiesen werden kann, so wirft das mal wieder kein gutes Licht auf die mehr als langwierigen Ermittlungen.

Sind die gelöschten Loveparade-Mails von seinem Computer, die damit der StA leider, leider nicht zur Verfügung standen, eigentlich mal wieder aufgetaucht? Oder lässt man das den Verantwortlichen auch durchgehen...?

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Es scheint halt leider nun mal so zu sein, dass Machteinfluss im Hintergrund nicht strafrechtlich relevant ist. So wurde ja schon gegen Sauerland und Schaller gar nicht erst ermittelt. Mit Rabe sind für mich diese die moralischen Hauptschuldigen. Sie haben den politischen und wirtschaftlichen Druck aufgesetzt, die Rahmenbedingungen so gesetzt, dass die Veranstaltung durgewürgt wurde. Den schwarzen Peter haben jetzt andere. Leider.

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Sicherlich ist es bedauerlich, dass bestimmte Führungskräfte, die "hinter" der LoPa standen und sie vehement gefördert haben, nun offenbar vom Strafrecht verschont bleiben. Es trifft zu, dass das Strafrecht mit seinen relativ hohen Hürden für eine persönliche Verantwortlichkeit regelmäßig die tatnäheren Personen besser erfassen kann als diejenigen, die im Hintergrund Motive gesetzt und möglicherweise politischen oder wirtschaftlichen Druck ausgeübt haben. Allerdings wird eben auch vorausgesetzt, dass Inhaber verantwortlicher Positionen in den Behörden über ein gewisses Rückgrat verfügen, sie also, wenn sie Gefahren für die Besucher einer solchen Großveranstaltung vorab erkennen bzw. Abweichungen von sicherheitsrelevanten Richtlinien mittragen sollen, sich gegenüber Vorgesetzten weigern bzw. ausdrücklich die Verantwortung für eine bestimmte Entscheidung ablehnen.

Wenn auch nicht rechtzeitig vor der LoPa 2010 denke ich, dass die strafrechtlichen Ermittlungen und die bevorstehende Anklageerhebung immerhin schon soweit präventiv wirken, dass sich zukünftig innerhalb solcher Hierarchien Einzelpersonen besser dagegen verwahren können, für ihre Chefs (bzw. für ihre Beförderung) bewusst Sicherheitsrisiken einzugehen.

 

Abschließend wird man das erst nach der Urteilsverkündung beurteilen können. In der Presse wird von "Bauernopfern" geschrieben. Das ist so nicht richtig. Wer Veranstaltungen plant oder genehmigt, weiß aus der Ausbildung was er tut. Und wenn man nicht das nötige Rückgrat hat, nicht zu unterschreiben, dann haftet man halt strafrechtlich und wegen des Regresses auch zivilrechtlich. Zivilcourage ist nicht immer beliebt, hat aber Vorteile.

Gerade bei der Planung der Loveparade musste jedem Verantwortlichem klar werden, dass hier Recht und Gesetz vorsätzlich missachtet wurden und akute Gefahr für Leib und Leben der Besucher drohte. Wer hier noch kuschte anstatt zu protestieren und die Verantwortung nicht ablehnte, war wirklich selber schuld. In der Vorbereitungsphase war Zeit genug, dies Risiko abzuwägen und noch einmal die einschlägigen Gesetze (SBauVO NRW, StPO, BGB,...) zu studieren.

Die Signalwirkung ist garantiert da. Jeder technische Leiter einer Veranstaltung/ Meister für Veranstaltungstechnik kann sich jetzt überlegen, welches Risiko er als "stromlinienförmiger, willfähriger" Untergebener einzugehen bereit ist. Und auch in Bauämtern wird man sich genau überlegen, ob man gesetzeswidrig Ausnahmen von Sicherheitsbestimmungen genehmigt.

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller (HM),

Sehr geehrter Meister Veranstaltungstechnik (MVT),

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland an einem Ort gleich 6 Beamte nur aus Karrierismus oder Opportunismus Vorschriften und Gesetze missachtet haben. Genauso die krassen Fehler beim Veranstalter. Hier muss schon ordentlich Druck gemacht worden sein.

 

Das grosse Rätsel ist für mich, wieso die doch sonst kritischen Anja Geer und Jürgen Dressler letztlich die Unterschriften geleistet haben sollten. Gerade Dressler vor seiner Pensionierung musste doch wirklich nicht den Liebdiener spielen.

 

Rückgrat und Zivilcourage sind ja schön, aber manchmal werden sie durch Mobbing und Lobbying bekämpft. Da bin ich echt gespannt, was im Prozess herauskommt. Aber der Haken ist, dass sich sowas schlecht bekämpfen lässt.

 

Ich kann mir auch vorstellen, dass die ganze Maschinerie angelaufen ist, aber die Bewilligung immer noch nicht vorhanden war. Die Unterlagen fehlten ja lange, man wurde immer wieder vertröstet. Irgendwann war es dann zu spät abzusagen, da man Angst hatte, es könnte einen Skandal geben. Die Reissleine so spät zu ziehen wäre ohnehin Chefsache gewesen (Sauerland und Schaller).

 

Das allerpeinlichste aber an der ganzen Angelegenheit ist ja, dass vor der Veranstaltung von unvoreingenommenen Usern wie klotsche oder vom Journalisten Ingmar Kreienbrink die Gefahren erkannt wurden, während die Verantwortlichen da nicht hellhörig wurden. Das ist kein Risk Management.

 

Spannend wäre es gewesen, was man gemacht hätte, wenn niemand eine Bewilligung unterschrieben hätte. Hätte man die Raver am Bahnhof zurückgeschickt? Was dazu wohl die DB

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Sehr geehrter Herr Lochman,

ein derartig komplettes Versagen einer ganzen Behörde ist leider ebenso wenig undenkbar wie die grob fahrlässige Fehlplanung und Fehlsteuerung durch eine technische Leitung eines Veranstalters.

Vor der Loveparade gab es in Deutschland einige Veranstaltungen, die knapp und mit Glück einer Katastrophe entgangen sind. Der kommerzielle Druck von Veranstaltern auf technische Leiter war und ist enorm. Übliche Sprüche und Scheinargumente sind "Bei einer Einhaltung von gesetzlichen/ Unfallverhütungs-Vorschriften sind Veranstaltungen sowieso unmöglich...." und "Das ist doch immer gut gegangen...." oder "Wir machen das seit Jahren so...." Gesucht und eingestellt werden regelmäßig technische Leiter "die auch mal Fünfe gerade sein lassen..." und "die nicht alles 100% sehen".

Ähnlich desaströs sah und sieht es bei Behörden aus. Fachkenntnisse, welches die Grundlagen für sichere Veranstaltungen sind, fehlen oft weitgehend. Selbst eine Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen (SBauVO, VStättVO, UVVs) ist oft nicht vorhanden. In Genehemigungsverfahren kann man gelegentlich abenteuerliche Dinge erleben. Oft gehen Behörden und Architekten davon aus, wie im Baurecht üblich könnte man auch bei den überlebensnotwenigen Mindestanforderungen (Rettungswege, Brandschutz, Alarmierungseinrichtungen) Ausnahmegenehmigungen erteilen. Typische Unfälle der Vergangenheit, die zu diesen Mindestanforderungen geführt haben, sind völlig unbekannt - damit fehlt auch das Risikobewusstsein. Die finanzielle Notlage vieler Gemeinden führt z.B. dazu, dass technisch unhaltbare Zustrände rechtswidrig geduldet werden, bis Gelder für dringend notwendige Sanierungen da sind. 

 

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Sehr geehrter MVT,

haben Sie nicht ein Dokument verfasst, das man auf einer Seite von Lothar Evers runterladen kann? Das habe ich gelesen. Sogar mehrere Male. Ein sehr interessantes Dokument.

Nun, wenn es so ist, wie Sie schreiben, dann war die Loveparade 2010 leider die Tragödie, die mal kommen musste.

Aber es ändert nichts an meiner Frage, warum die vorher kritischen Geer und Dressler die Sache letztlich doch die Sache auf sich genommen hatten. Und an der besonderen Peinlichkeit, dass selbst Laien die Katastrophe vorausgesehen haben. Mag ja sein, dass man sich gewohnt hat, die Vorschriften nicht so "eng" zu sehen, aber diesmal wars ganz krass. 

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Sehr geehrter Herr Lochman,

Sie schreiben:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland an einem Ort gleich 6 Beamte nur aus Karrierismus oder Opportunismus Vorschriften und Gesetze missachtet haben. Genauso die krassen Fehler beim Veranstalter. Hier muss schon ordentlich Druck gemacht worden sein.

Ich kenne die beteiligten Persoenn nicht, aber dass es gleich sechs sind, ist keineswegs so überraschend. Im Gegenteil: Einer allein geht ein Risiko weniger leicht ein, als wenn da andere Kollegen sind. Denken Sie vielleicht daran, wenn Sie als Skifahrer oder Mountainbiker an einer eigentlich zu steilen Piste stehen: Allein würden Sie es nicht riskieren, aber wenn die anderen da runterfahren, sieht es so aus, als könne man es wagen, abgesehen von der "Schmach", als einziger in einer Gruppe nicht mitzumachen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Nun ja, Ihr Vergleich mit denn Skifahrern, die einen gefährlichen Hang runterfahren mag ja einiges für sich haben, Aber es bleibt immer noch die Frage: Warum haben die OppenenteN, die nach einer Reihe von Quellen, Jürgen Dressler und Anja Geer (gemäss SPIEGEL sollte man ja "mit ihr reden"), die opponiert haben, letztlich doch nachgegeben haben?

 

Da greift keine Erklärung die Sie oder MVT geliefert haben, Das ist für mich das  Mysterium. Wieso Leute, die kritisch waren, dann doch nachgegeben haben? Da ist irgendwo der Hund begraben,

 

Ich habe ja auf wordpress.loveparade2010,doku mit Lothar Evers diese Dikussion geführt. Er sagt ja, es gab keinen richtigen Opponenten, aber mich befriedigt diese Antwort auch nicht. Wieso haben diese beiden, obwohl sie eigentlich stets der Veranstaltung kritisch waren, letztlich doch nachgegeben und nun auch noch eine Prozess entgegensehen müssen?

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Dressler und Geer waren meiner Meinung nach nicht wirklich kritisch. Im wesentlichen geht es um das von Frau Geer gefertigte Protokoll einer Besprechung vom 18.6. 2010 in den Geschäftsräumen von Lopavent. Für die MitarbeiterInnen der Duisburger Bauverwaltung überraschend, sitzen Kolleginnen der Ordnungsverwaaltung, von Lopavent mit am tisch, darunter Wolfgang Rabe als Dzernetn, aber auch das Ordnungsamt und die Feuerwehr.

Hier besteht Geer auf der Sonderbauverordnung, Lopavent kann diese nicht darstellen, und REabe sagt den Berühmten Satz: "der OB will die Veranstaltung". Er will der Bauordnung eine Mitverantwortung zusprechen, genehmigungsfähige Anträge zu fpormulieren.
Geer formuliert:
"Die Anforderung der Bauordnung, dass der Veranstalter ein taugliches Konzept vorlegen müsse. ließ er nicht gelten. Er forderte 62 (das Bauamt im Duisburger Geschäftsverteilungsplan, L.E.) auf an dem Rettungswegekonzept konstruktiv mitzuarbeiten und sich gedanken darüber zu machen, wei dei Fluchtwege dargestellt werden können? (...) es könne nicht sein, dass 62 diese Pflicht nur auf die Antragsteller abwälzen würden, schließlich wolle der OB die Veranstaltung.
Man solle ein  Fluchtwegkonzept gemeinsam erarbeiten und das solle von Professor Schreckenberg "abgesegnet" werden.

Auf diesem Protokoll vermerkt Dressler als Baudezernent handschriftlich:
„Ich lehne aufgrund dieser Problemstellung eine Zuständigkeit und Verantwortung ab. Dieses entspricht in keinerlei Hinsicht einem geordneten Verwaltungshandeln und einer sachgerechten Projektsteuerung.“
dieser Vermerk stärkt zwar einerseits Geers Position, Vorlagen des Veranstalters nur zu prüfen.
Es suggeriert aber gleichzeitig, es gäbe einen weg an der Zuständigkeit von 62 und damit seines eigenen Dezernates vorbei.
Diese bleibt jedoch zuständig.
Deshalb findet auch eine Woche später (am 25.6. 2010) eine weitere Besprechung statt. Geer ist zwar nicht da, aber vier Mitarbeiter ihres Amtes. Dort wird dann mit Absegnung des Bauministeriums der Ausweg "Brandschutzkonzept, Fluchtanalyse von Oekotec und Traffgo begutachtet von Professor Schreckenberg" vereinbart, um die Genehmigung im Bauamt durchzuwinken.

Wir finden die Person(en), nicht, die es verantwortetl, dass die Loveparade nicht stattfindet. Die sich in ihrem Zuständigkeitsbereich so entgegen stellt, dass eine Genehmigung obsolet wird. Das waren in Bochum die Bürgermeisterin und der Polizeipräsident in Kooperation. In Duisburg formiert sich dieser Widerstand nicht. Kulturdezernet Jansen, erklärt das Event zwar zur Unkultur und weigert sich mitzumachen.
Aber:
Widerstand ist das eben (auch) nicht.

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Danke Herr Evers,

 

das klingt nun schon einiges überzeugender. Es scheint also, dass Geer und Dressel sich hier in Alibismen und allenfalls Grabenkämpfen hervortaten, nicht aber das sahen, was der User klotsche und andere, sowie der Journalist Ingmar Kreienbrink im derwesten.de sahen - und die Bochumer OB Ottilie Scholz und Polizeichef Wanner ein Jahr zuvor: Einfach das Ganze, die big picture. Oder des Kaisers neue Kleider, wenn Sie so wollen. Und entsprechend dem gehandelt hätte. Klartext zu reden. Es hätte ja genügt nicht zu unterschreiben. Die Frage ist immer noch, was passiert wäre, wenn einfach keine Genehmigung erteilt worden wäre.

Weiters erinnere ich mich einfach immer noch an die Einlassung vom Feuerwehrmann Schäfer in einer Sendung schon bald nach dem Unglück den politischen Druck erwähnte, als er von einem Seminar berichtete, das er Anfangs 2010 vor Mitarbeitern der  Stadt Duisburg hielt. So anz will mir das einfach nicht aus der Birne. Da nennt einer, der ein SIcherheitsexpert ist, ein Konzept "Wahnsinn", die Mitarbeiter stimmten zu erwähnen aber gleich den politischen Druck. In einer gesunden Unternehmens- oder Communitykultur hätte man doch gesagt: Naja, klar, unsere Chefs wollen die Veranstaltung, aber unter diesen Umständen blasen sie das sicher ab... das dies nicht so war, zeugt mir vom managerialen Versagen von Sauerland. Sein Credo "von uns wird die Veranstaltug nicht abgesagt" (ím Gegensatz zu Bochum) war entscheidend für die Katastrophe. Wie ein Fussballtrainer, der seine Mannschaft falsch einstellt. Nur hier tragischerweise mit 21 Toten und über 500 Verletzten. Sein Unwillen, für diesen Managementfehler Verantwortung zu übernehmen und sich sogar für unsägliche 600 TEUR ein Persilscheingutachten gekauft zu haben, lösen bei jedem anständigen Bürger Brechreiz aus.

Ähnliches gilt aber auch für Schaller, der, wie ich glaube Julius Reiter an der Diskussion im Sommer zu Recht verlauten liess, bei der ganzen medialen Aufbereitung viel zu gut wegkommt - und eigentlich bei der juristischen auch. Da ist erstmal sein trotziger Auszug aus Berlin - weil ihn der dortige OB Wowereit nicht empfing. Dabei ist die Strasse des 17. Juni und dem Tiergarten ein kaum zu übertreffender Austragungsort. Wäre es ihm um die Teilnehmer gegangen, wäre er trotzdem in Berlin geblieben. In Deutschland kann ich keinen idealeren Ort als diesen benennen. In Europa vielleicht noch Paris (place de la concorde). Dann entschied er sich aufgrund persönlicher Kontakte fürs Ruhrgebiet - und nun geschah etwas fatales: Man vereinbarte einen Rahmenvertrag: 2007 Essen, 2008 Dortmund, 2009 Bochum, 2010 Duisburg, 2011 Schalke. Meiner Meinung nach - nach Schallers Trotz weg von Berlin - der zweite fatale Grundfehler. Unauffällig, korrigierbar, aber im Sumpf des Geltungsbedürfnisses der künstlichen Metropole Ruhr fatal. Man bestimmte Austragungsorte ohne vorher abgeklärt zu haben, ob diese Orte überhaupt eine Strecke und Infrastuktur für so ein Event haben. Gleichzeitig schaffte man Abhängigkeiten: Eine Absage danach würde einer Blamage gleichkommen. 2007 Essen ging einiger Massen gut, wenn auch hier schon Probleme auftraten. 2008 Dortmund schon die Beinahekatastrophe, wurde Bochum 2009 abgesagt - und erntete Hohn, wobei es auch Pressemeldungen gab "das war doch schon immer klar". Daraus entstand kombiniert mit Sauerlands Geltungsbedürfnis, die Maxime "von uns wird die Lopa nicht abgesagt". Auch die Kritik an Polizeichef Cebin tat dann ihr übriges. 

 

Aber zurück zu Schaller.Er hätte spätestens nach der Absage in Bochum einsehen müssen, dass das die Städte des Ruhrgebiets einfach nicht geeignet sind. Gelsenkirchen (bahnhof: 6 Gleise) wäre ja noch weniger noch weniger geeignet gewesen als Bochum (8 Gleise) oder Duisburg (12). Aber immer noch hielt sein Trotz gegenüber Berlin (4 Fernbahnhöfe mit insgesamt 23 Ferngleisen und 16 S-Bahn Geleisen sowie U-Bahnnetz), um nur einen wichtigen Parameter zu nennen. Aber es kommt noch schlimmer: Sein Sparkurs führte dazu, dass seine Untergebenen an der Sicherheit gespart hatten. Keine Lautsprecheranlage, ein weiterer Eingang über die Autobahn wurde auch als zu teuer abgelehnt (wieviel mag das gekostet haben? Naja, sicher weniger als das Persilgutachten danach...), zu wenig Ordner. Auch hier: Krasses Missmanagement, für das der Chef seinen Kopf hinhalten sollte. Nochmal: Wenn ein unvoreingenommer user ala Klotsche oder der Journalist Kreienbrink ein mulmiges Gefühl hatte - Schaller und Sauerland hätten es erst recht haben müssen. Sie waren die beiden, die ein Machtwort sprechen konnten.

Für mich bleibt die interessanteste aller Fragen, die mich schon von allem Anfang nach der tragischen Meldung beschäftigt, als zum ersten Mal die Meldung "der westen wusste es schon vorher" kam, immer noch unbeantwortet: Wie kommt es, dass es Laien gesehen haben - und das nicht nur einer - aber die "Experten" nicht? Wahr ist, das die nanch oben frisierten Zahlen von über eine Million Teilnehmer einem Externen die Beurteilung leichter gemacht haben. Es war ja wohl gerade mal ein Zehntel auf dem Gelände. Aber auch die Chefs - Sauerland und Schaller - hätten es merken sollen. Moralisch tragen für mich beide zweifellos die Hauptschuld. Die ihnen Untergebenen mögen auch falsch gehandelt haben und zu wenig common sense oder Zivilcourage bewiesen haben. Aber diese zu bestrafen und die Chefs nicht, kann mit gutem Grund als "Bauernopfer" oder "die kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen" bezeichnet werden.

Ich bin gespannt, was die fehlbaren städtischen und Lopavent Mitarbeiter aussagen werden, wie es kommen konnte, dass sie diese offensichtlichen krassen Fehler nicht gesehen hatten.

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Marek Lochman schrieb:

 

Für mich bleibt die interessanteste aller Fragen, die mich schon von allem Anfang nach der tragischen Meldung beschäftigt, als zum ersten Mal die Meldung "der westen wusste es schon vorher" kam, immer noch unbeantwortet: Wie kommt es, dass es Laien gesehen haben - und das nicht nur einer - aber die "Experten" nicht? 

 

Sehr geehrter Herr Lochman, 

ich denke mal, die sogenannten Experten DURFTEN den offenkundigen Knackpunkt an der Planung nicht sehen. Ich war übrigens auch einer der Laien unter den Kommentatoren, allerdings ein ortskundiger und mit dem Flyer ausgestattet, der an alle Haushalte verteilt wurde, die irgendwie von Straßensperrungen, Halteverboten etc. betroffen waren. Ich werde jedenfalls nicht vergessen, wie meine damals 22-jährige Tochter Anfang Juli 2010 mit einem Blick auf besagten Flyer aufschrie: "Da sollen die alle durch ? Das kann nicht gut gehen !"

Jeder, wirklich jeder Ortskundige musste ein mulmiges Gefühl haben, vermutlich auch der damalige Stadtdirektor Dr. Greulich, der damals schätzungsweise 300 Meter vom Karl-Lehr-Tunnel entfernt wohnte.

Also nimmt man sich am Besten schon in der Woche davor Urlaub, übrigens ebenso wie Ex-OB Sauerland......

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@ Dellviertel

 

Ja, viele Laien, wie Sie oder Ihre Tochter, hatten das vorausgesehen. Nicht weniger als 32 verschiedene User hatten als Kommentatoren zu den beiden Loveparade Artikeln "Loveparade viel kleiner als geplant" und "Loveparade wird zum Tanz auf dem Drahtseil" gravierende Sicherheitsbedenken geäussert und auch das waren nicht alle, manche zitierten Angehörige der Feuerwehr, die ihren Kindern den Besuch der LoPa verboten hatten.

Die Einlassungen des Meisters für Veranstaltungstechnik in den verschiedenen Foren liefern immerhin eine Erklärungsrichtung, die sonst nicht sehr betont wird: Die Behörden waren schon gewohnt, Vorschriften "grosszügig' zu interpretieren und haben diesmal den Bogen massiv überspannt. Aber auch hier sollte nicht vergessen werden, dass der Veranstalter ja eigentlich derjenige ist, der die Kernkompetenz haben sollte, sowas zu organisieren. Mit der arroganten Haltung, mit der sie ja auch Druck gemacht "wir haben unsere Erfahrung", haben Sie das Unglück als Fake Experts mindestens genau so viel zu verantworten wie die Behörden, wenn nicht noch mehr. Denn Vorschriften sind ja das eine, das andere ist es ja, als Veranstalter unabhängig von Vorschriften für Sicherheit zu sorgen, ja bei einer Imageveranstaltung eigentlich für den angemessenen Komfort (und nicht nur für das nackte Überleben) der Teilnehmer zu sorgen, wenn ich meine Imageziele als Unternehmer oder Stadt erreichen will.

Eigentlich hätten Rabe und in der Folge auch Sauerland die Mitarbeiter und Anwälte von Lopavent nach deren Druckaktionen im hohen Bogen rausschmeissen sollen mit dem statt nachzugeben und den Druck in Richtung Bauamt zu geben.

Aber man war ja gefangen in Sauerlands Aussage "von uns wird die Loveparade nicht abgesagt".  Man hätte zwar die Schuld Lopavent zuweisen können, denn wenn der Veranstalter nicht in der Lage ist, ein mit Vorschriften in Einklang zu bringendes Konzept vorzulegen, ist es doch sein Fehler, und nicht der der Stadt. Aber schon in Bochum gab man für die Absage der Stadt der Schuld statt dem Veranstalter, dessen Aufgabe es doch gewesen wäre, die richtige Strecke vorzulegen.

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Sehr geehrter Herr Lochmann,

es ist garnicht möglich, unabhängig von den Vorschriften für Sicherheit zu sorgen. Die Vorschriften sind alle erlassen worden nach verheerenden Unglücken - dies weitgehend schon im 19.Jahrhundert. Man hat Ursachen analysiert und die Vorschriften genau so formuliert, dass bei exakter Einhaltung der Vorschriften mit derartigen Unglücken nicht mehr zu rechnen ist. In der Ausbildung zum Meister für Veranstaltungstechnik werden historische Unglücke im Regelfall besprochen, gerade die Dozenten der Berufsfeuerwehren habe ich hier als kompetetent erlebt - Unterrichtsfächer sind hier Brandschutz und Bauordnungsrecht. Das Know-How ist bei Veranstaltern und Behörden vorhanden.

Bei allen Katastrophen der Vergangenheit sind es immer wieder die selben Ursachen:

1. fehlende bzw. versperrte Flucht- und Rettungswege

2. überfüllte und verstopfte Versammlungsstätten

3. fehlende professionell durchgeführte Evakuierung zur rechten Zeit

4. massive bauliche Mängel z. B. bei Brandschutz, Rettungswegen, Statik

Bei der Loveparade traf alles zusammen:

1. Das gesamte Gelände hatte viel zu wenige und unzureichende Rettungswege, der Tunnel gar keine.

2. ein völlig verstopfter Eingangs- und Ausgangsbereich wegen totaler Fehlplanung und Fehlsteuerung

3. Unterlassen einer rechtzeitiger Evakuation wegen mangelnder Fluchtwege, fehlender Durchsagemöglichkeiten, ungeklärter Befugnisse und Unfähigkeit der Verantwortlichen

4. massive vorsätzliche Verstöße gegen geltendes Baurecht: keine Flucht- und Rettungswege, keine ELA, unzureichende Bemessung des Eingangs- / Ausgangs-Bereiches, Verwendung ungeeigneter Räume (Tunnel), technische Mängel an Böden und Absperrungen

 

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Sehr geehrter MVT,

 

mit "unabhängig von Vorschriften" meinte ich in erster Linie, dass man nicht bloss sich von Vorschriften leiten lässt (diese aber natürlich beachtet), sondern auch von gesundem Menschenverstand, von Empfehlungen von Sicherheitsexperten etc. Es könnten ja auch Vorschriften veraltet sein - wie beim Titanic Ungluck. Dort hatte man zwar die geltende Vorschrift zur Anzahl Rettungsbooten erfüllt, aber die reichte bei weitem nicht für alle an Bord anwesenden. Ob es in den Rechtsnormen der NRW Versammlungsrechts Lücken gibt oder nicht, will ich nicht behaupten, dass wissen Sie besser als ich.

Die freche Einlassung Lopavent, dass ein Drittel der vorgeschriebenen Fluchtwege bereits reichen würde, haben Sie ja in Ihrem Dokument kritisiert als krass widerrechtlich, sie ist aber auch dem einfachen gesunden Menschenverstand widersprechend, genauso wie es dem gesunden Menschenverstand widerspricht, Massen gegeneinander laufen zu lassen, einzuzäunen und nur einen Ein- und Ausgang zu haben, der gleichzeitig auch noch Rettungsweg ist... und als das "tüpchen auf dem I¨ der kapputte Gullideckel.

Da ja die hohen Herren Sauerland und Schaller ja die Lopa zur Chefsache erklärten, hätten sie sich die Lagepläne vorlegen lassen müssen. Dann hätten Sie misstrauisch werden sollen und nachfragen sollen. Und irgendwann die Frage stellen müssen: Seid ihr alle wahnsinnig geworden?

¨¨

 

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Sehr geehrter MVT,

hier haben Sie noch einen Beweis, das man auch ohne Vorschriftenstudium, aber durch einfache Empathië und Verantwortungsbewusstsein die richtige Lösung finden kann:

https://www.youtube.com/watch?v=tclzfV0tfSU

Dr. Motte hat einfach organisiert, sich für die Teilnehmer interessiert und als er gemerkt hat, dass es eng wird, ist er vom Kudamm auf die Strasse des 17, Juni mit Friedensplatz und Tiergaraten ausgewichen. Ohne Vorschriften. Nur mit Verantwortungsbewusstsein.

Rainer Schaller ist von dort in eine Unterführung und einen stillgelegten Güterbahnhof mit Schotterboden und eingezäunten Gelände gegangen.

Ich bin von meinem Wesen her nicht geneigt ,Linken wie Dr, Motte recht zu geben und Selfmade Unternehmer ins Unrecht zu stellen. Aber hier muss man es tun. Schaller ist grössenwahnsinnig geworden, Dr. Motte nicht. Und leider muss man diesen eigentlich lächerlichen CDU-Hampelmann Sauerland, der auch noch von seiner Partei bis zum geht nicht mehr unterstützt wurde, auch dazu stellen.

Dr. Motte hat hier mehr Verantwortungsbewusstsein bewiesen als Schaller und Sauerland. So weh es mir als eher Rechten tut, aber ich fühlte mich immer mehr der Wahrheit als einem Politikspektrum zugehörig.  

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Hallo zusammen ,

 

mit Interesse verfolge ich die diskussion über die Geschehnisse bei der Loveparade 2010

allerdings gebe ich für alle Beteiligten etwas zu bedenken.

Wir werden nicht wirklich informiert, weil das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschloßen ist.

Die öffenlichen Unterlagen der LP 2010 ergeben cirka 500mb Datenmaterial,

der Datenbestand der Staatsanwaltschaft Dusiburg beträgt nach eigenen Angaben 800 Terabyte.

Das heißt die hier geführte Diskussion basiert auf einem 1,6millionstel Teil des bestehenden Datenmaterials.

Eigentlich sollten wir davon ausgehen, wenn wir von einem Sachverhalt nur den 1,6 millionsten Teil wissen, haben die Beteiligten Diskutanten kein Wissen über die Zusammenhänge, die hier diskutiert werden.

 

Ich denke es ist ein wenig Zurückhaltung angezeigt.

 

Gruß

mit begründetem Zweifel

 

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Hallo begründeter Zweifel,

dem wage ich zu widersprechen: Die relevanten Dinge sind schon lange bekannt und unbestritten. Waren sie zum grossen Teil schon vor der Loveparade. DIe 21 Toten und 500 oder mehr Verletzte werden wir auch nicht mehr wegdividieren können. Die Veranrtwortlichen sind auch schon lange klar. Nur noch Details, wer den schwarzen Peter bekommt, weil er sich unter Druck hat setzen lassen (oder einfach dem Hype erlegen ist, wie Lothar Evers es formulierte), doch eine Unterschrift zu leisten, wird der Prozess zu Tage bringen. Wer sich wann zu welchem Fehlentscheid hat warum leiten lassen - das interessiert mich heute noch, aber das sind vielleicht noch 10% der Fakten und nicht 99,998 % wie Sie das berechnen. Aber ich fürchte, auch der Prozess wird da keine klare Erkenntnisse bringen: Angeklagte werden Aussagen verweigern, Beweise wurden vernichtet.

Die Zusammenhänge glaube ich, wie viele andere auch, klar begründet zu haben: Grössenwahn, Geltungsbedürfnis, Eitelkeit, Einseitigkeit, Unterschätzung von Gefahren aber klamme Kassen auf der anderen Seite habe dazu geführt, dass die Veranstaltung durchgeführt wurde auf die man entweder hätte verzichten, oder mehr Geld für die Sicherheit in die Hand nehmen sollen, oder woanders (sprich Berlin) hätte günstiger und sicherer durchführen können. Bei höherem Interesse für Details der Hauptverantwortlichen (Schaller und Sauerland) kombiniert mit Verantwortungsbewusstsein hätte es die Veranstaltung so nie geben können. Auch das ist nicht anzufechten.

Prof. Henning hat schon in einem Post geschrieben: In den letzten 1,5 Jahren sind kaum neue Erkenntnisse dazu gekommen, so ist der Eindruck. So sehe ich das auch. Nach dem Gesetz des abnehmenden Grenzertrags hat man viele Zeugen vernommen, Akten studiert, Videomaterial gesichtet und was sonst auch noch weiss was ich noch alles gemacht, aber neue Erkenntisse dürften kaum noch dazu gekommen sein.

Wir brauchen uns nicht zurückzuhalten. Die Fakten und Motive sind zu 90% klar, die Wertungen kann jeder für sich nach seinem eigenen Wertesystem vornehmen. Die Gerichte werden den einen oder anderen verurteilen, aber zufrieden werden wir nicht sein können, das dürfte auch klar sein. Einige einflussreiche und verantwortliche werden nicht verurteilt. Auch schon klar.

Für mich gibt es eigentlich nur noch folgende Fragen:

Warum hat Herr Schaller die grossen Risiken bei der Loveparade nicht gesehen?

   - hat er Warnungen ignoriert?

   - oder wurde er nicht gewarnt? Wenn ja

                    - warum haben seine Untergebenen die Gefahr nicht erkannt?

                    - oder haben sie sich nicht getraut ihre Bedenken Herrn Schaller mitzuteilen?

Das gleiche Schema gilt für Sauerland. Hier gilt zusätzlich noch die Frage, warum die Beamten, die die Genehmigung erteilten, die Gesetze missachteten - erkannten sie das nicht, oder glaubten sie, so eng muss das  nicht gesehen werden und es werde schon gut gehen oder waren sie gar unter Druck?

DIe letzten Fragen gelten noch dem Polizeieinsatz. Aber ich halte es in diesem Fall gleich mit Keith Still und der Staatsanwaltschaft, dass hier höchstens Folgefehler gemacht wurden. Ob die Polizei hätte früher erkennen müssen, dass sie die Veranstaltung abbrechen muss - ja dafür lassen sich sicher Argumente finden, auf der anderen Seite war sie angehalten, es solange wie möglich zu versuchen, weil ja unzufriedene Raver ein Konflikt Potential in der Stadt beudeuteten.  Ein unlösbarer Zielkonflikt, hervorgerufen durch eine miserable Planung.

 

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