E-Zigaretten vor dem Landgericht Frankfurt: Das Ergebnis

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 24.06.2013

Das Landgericht Frankfurt hat in dem Prozess gegen den Verkäufer von Liquids für E-Zigaretten heute sein Urteil gefällt (zum Sachverhalt siehe meinen Beitrag vom 18.06.2013). Es hat den Geschäftsmann zu einer Geldstrafe verurteilt, allerdings nicht wie angeklagt wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, sondern – wie u.a. Spiegel-Online berichtet (Quelle) – wegen Verstoßes gegen das „Tabakgesetz“.

Das Landgericht hat die nikotinhaltigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten offensichtlich als Tabakerzeugnisse eingestuft und damit das Arzneimittelgesetz über § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG ausgeschlossen. Da in den Pressemitteilungen davon gesprochen wird, dass der Handel mit den Liquids nach Ansicht des Gerichts verboten wäre, weil diese unzulässige Inhaltsstoffe enthielten, vermute ich, dass die Verurteilung nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes erfolgte. Denn danach wird mit Geldstrafe  oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft, wer Tabakerzeugnisse entgegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 in den Verkehr bringt.

§ 20 Abs. 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes lautet:

Es ist verboten,

1. bei dem gewerbsmäßigen Herstellen von Tabakerzeugnissen, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden, Stoffe zu verwenden, die nicht zugelassen sind;

2. Tabakerzeugnisse gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt sind oder einer nach Absatz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen; […]

Man darf auf die Urteilsgründe und darauf, ob gegen das Urteil Revision zum BGH eingelegt wird, gespannt sein…

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21 Kommentare

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Das Urteil kann irgendwie nicht stimmen ...

§ 3 Abs 1 des vorläufigen Tabakgesetzes sagt aus:
"Tabakerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes sind aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind."

Rohtabak wird definiert als: "Rohtabak sind die getrockneten und fermentierten Blätter der Tabakpflanze der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae)." http://www.tis-gdv.de/tis/ware/genuss/tabak/tabak.htm

In den Liquids ist definitiv kein Rohtabak. Nikotin kann auch künstlich gewonnen werden.

Wie ist es da möglich, die Rückwärtsrolle zur Anwendung des Vorläufigen Tabakgesetzes zu schaffen, nachdem ja schon wiederholt gerichtlich festgestellt wurde, dass die Verdampfer samt Liquids nicht unter das Arzneimittelgesetzes fallen?

Honi soit qui mal y pense

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Sehr geehrter Herr Kromm,

 

auch nach meinen Informationen sollen Liquids nicht aus Tabak hergestellt werden. Ich habe aber gehört, dass es auch anders lautende Meinungen geben soll, ansonsten lässt sich das Urteil in der Tat nicht erklären. Ich will aber nicht zu viel spekulieren, sondern die Urteilsgründe abwarten.

 

Jörn Patzak

Ich möchte als Ergänzung der rein juristischen Betrachtungsweise einige Anmerkungen machen, da ich befürchte, dass einigen Akteuren in dem Gezerre um die "Dampfe" nicht klar ist, welche Personengruppe dieses Produkt weit überwiegend nutzt.

Es handelt sich in der Regel um Personen jenseits des vierzigsten Lebensjahres mit einer jahrzehntelangen Raucherkarriere, die nicht auf das Nikotin verzichten können (oder wollen). Sie wollen dieses nun unter weitaus weniger ungesunden Bedingungen konsumieren.

Somit ist das Produkt ein Genuss- und kein Arzneimittel/Medizinprodukt. Dass einige wenige Benutzer auf diesem Wege ihre Nikotinsucht gänzlich besiegen konnten, ist lediglich ein erfreulicher Nebeneffekt.

Ist es denn dann ein Tabakprodukt? Auch das ist meiner Meinung nach zu verneinen, da die Liquids sowohl mit Nikotin aus der Tabakpflanze, als auch mit synthetisch hergestelltem Nikotin versehen werden können.

Meiner Meinung nach wäre es an der Zeit, dass die Politiker beweisen, dass es ihnen wirklich darum geht, die Anzahl derjenigen Menschen, die durch das Rauchen erkranken oder sterben deutlich zu reduzieren. Dass das Nikotin das geringste Problem dabei ist, sollte sich ja inzwischen herumgesprochen haben.

By the way:
Sollten nikotinhaltige Liquids wie von der EU-Kommission vorgeschlagen reguliert werden, wäre das faktisch das Aus für das "Dampfen". Die o.g. Personengruppe wäre somit gezwungen, wieder Zigaretten zu rauchen, welche es ja ohne Probleme weiterhin überall zu kaufen gibt, oder sich auf dem Schwarzmarkt mit Liquids zu versorgen. Dann aber eben illegal und ohne Zertifikate. Ist es das, was die von mir gemeinten Akteure wollen?

 

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Liquids werden garantiert nicht aus Tabak hergestellt :) - höchstens das Nikotin darin, das aber maximal ein paar Prozent davon ausmacht (die Firma, deren Produkte ich dampfe, bietet Cartomizer mit maximal 2,4% Nikotin an). Liquids bestehen größtenteils aus apothekenreinem Propylenglykol und Glyzerin, Lebensmittelaromen und evtl. Nikotin. Letzteres kann zwar aus Tabakpflanzen gewonnen werden, wird aber oft synthetisch hergestellt. 

Deshalb gibt's eben durchaus Liquids, die garantiert nie eine Tabakpflanze gesehen haben (dies ist keine Frage der "Meinung").

Witzigerweise lautete die Anklage ursprünglich auf Verstoss gegen das Arzneimittelgesetz, dabei sind damit schon früher Berhörden vor Gericht abgeblitzt (gerade auch in NRW). Daraus hat das Gericht einen Verstoss gegen das Tabakgesetz gemacht. Dies dürfte sich aber kaum halten lassen, falls der Händler darlegen kann, dass das Nikotin in seinen Liquids synthetisch hergestellt wurde...

 

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Der Unsinn mit den verbotenen Substanzen in zu großer Menge: Das PG im Tabak wird als Feuchthaltemittel genutzt, wogegen das PG im Liquid der Trägerstoff und Hauptbestandteil ist.

Der Tabak soll also nicht "zu feucht" sein wegen irgendwas bei der Verbrennung? Liquid verbrennt nicht, es wird  in E-Zigaretten verdampft. Schon von daher passt die Beschränkung nicht.

Wobei mich schon interessiert wegen welchem wissenschaftlichem Nachweis PG überhaupt im Tabak Mengen begrenzt ist. Sollte da irgendwas dran sein müssen sofort alle Vernebelungsgeräte in Diskotheken, Theatern und Bühnen verboten werden.

 

Dampfen soll verboten / unmöglich gemacht werden, das ist Fakt und um dieses zu erreichen wird Recht gedreht und gewendet das es jedem mündigen Bürger weh tun muss sich das verlogene Spektakel anzusehen.

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Es erscheint mir widersinnig, dass bei der Extraktion von Nikotin ausgerechnet Rohtabak verwendet werden soll. Dieser Verarbeitungsschritt würde nur unnötige Produktionskosten verursachen. Aus betriebwirschaftlicher Sicht erscheint es nur vernünftig, das Nikotin aus den Abfällen zu gewinnen, die nicht für die Produktion von Rohtabak verwendet werden.

Also, selbst wenn das Nikotin pflanzlichen Ursprungs sein mag, so erscheint mir Rohtabak (fermentierte, getrocknete Blätter - s. #1) als Quelle höchst zweifelhaft, womit das Liquid auch formal kein Tabakprodukt wäre.

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27 Schließlich dürfte auch davon auszugehen sein, dass E-Zigaretten nicht als dem Vorläufigen Tabakgesetz unterfallende Erzeugnisse zu beurteilen sind, welche nach § 2 Abs. 3 AMG keine Arzneimittel sind (vgl. hierzu VG Potsdam aaO). Nach § 3 Abs. 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes sind Tabakerzeugnisse aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind. Bei der E-Zigarette handelt es sich nicht um ein aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestelltes Erzeugnis. Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2001/37/EG sind Tabakerzeugnisse Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen. Davon abgegrenzt sind in Artikel 2 Nr. 3 und 4 der Richtlinie Teer und Nikotin. Weder die E-Zigarette noch das Liquid bestehen im Sinne der Richtlinie "ganz oder teilweise aus Tabak". Dass der im Liquid enthaltene Nikotinanteil aus Tabak gewonnen worden ist, lässt das Produkt nicht zu einem Tabakerzeugnis werden. Das Erzeugnis ist auch nicht zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt, sondern zum Inhalieren; das Inhalieren des Dampfes ist eine andere, im Vorläufigen Tabakgesetz nicht angesprochene Anwendungsform, kein Unterfall der oralen Aufnahme. Dies wird aus der Definition in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/37/EG deutlich, wonach "Tabak zum oralen Gebrauch" alle zum oralen Gebrauch bestimmten Erzeugnisse sind, die ganz oder teilweise aus Tabak bestehen, sei es in Form eines Pulvers oder feinkörnigen Granulats oder einer Kombination dieser Formen, insbesondere in Portionsbeuteln bzw. porösen Beuteln, oder in einer Form, die an ein Lebensmittel erinnert, mit Ausnahme von Erzeugnissen, die zum Rauchen oder Kauen bestimmt sind. Die Inhalation eines Dampfes kann mit dem oralen Gebrauch solcher fester Stoffe nicht gleichgesetzt werden.

 

Quelle: http://openjur.de/u/336634.html

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Ich denke, um das Abschaffen geht es nicht. Es geht hier um Steuern. Also versucht man auf diesem Umweg Tatsachen zu schaffen, die eine folgende Besteuerung erleichtern oder naheliegend erscheinen lassen.

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Das Lustigste ist das genau dieser Richter in einem anderen Verfahren das Nikotin als Tabakprodukt ausgeschlossen hat, egal ob es aus Tabak gewonnen wird.

Auch Teer ist kein Tabakprodukt obwohl es aus dem Tabak stammt...

Im Übrigen kann Nikotin auch aus Resten der Tabakpflanzen gewonnen werden die nicht für die Zigarettenproduktion geeignet sind, somit kommt es zu dem recht günstigen Nikotinpreis aus Tabakpflanzen.

 

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Wenn dem so ist, müssten die Verkäufer von Nicorette-Kaugummis auch angeklagt werden, da diese Kaugummis selbstverständlich Nikotin enthalten. Wenn ich nicht irre, werden diese sogar in Apotheken angeboten.

Gibt es in Deutschland nun zweierlei Recht?

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Nun sind die Nicorette-Kaugummis genausowenig Arzneimittel, wie die E-Zigarette.

Beides sind Genussmittel bzw. Ersatz für die normale Zigarette.

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Nicorette-Kaugummis sind Arzneimittel! Es gibt dutzende Studien zum dem Thema "Nikotinkaugummi". Sie mögen nicht wirksam sein - aber Arzneimittel sind sie auf jeden Fall.

Und: Sie werden auch so verkauft -> In Deutschland in Apotheken!

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Das Nicorette-Kaugummis Arzneimittel sein sollen ist wirklich neu. Bestenfalls sollen diese ein Ersatz für normale Zigaretten sein, wie die E-Zigarette auch. Was alles als Arzneimittel beworben wird, mögen Werbungsläubige als soches hinnehmen.

Auch in Apotheken werden nicht ausschließlich Heilmittel verkauft.

Es sei denn man zählt Präservative zu den Heilmitteln, um abstinent zu werden.

Selbst die Pille dürfte kaum als Heilmittel angesehen werden.

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Das_Gewissen schrieb:

Das Nicorette-Kaugummis Arzneimittel sein sollen ist wirklich neu.

 

Es gibt "Funktionsarzneimittel", die in der Regel etwas bewirken und "Präsentationsarzneimittel", die etwas versprechen zu bewirken.

 

Wenn ich eine Dampfe als "gesundes Nikotinentwähnungsgerät" anpreise, ist es ein Präsentationsarzneimittel und darf - schwupps - nur noch in Apotheken verkauft werden.

 

Klingt komisch, ist aber so ...

 

Dies hier ist ein Forum mit einem juristischen Fundament und da sollten - meiner Meinung nach - auch die rechtlichen Grundlagen den schwerpunkt der Diskussion bilden.

 

 

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Und wie ist es dann mit den Shisha Pens, wissen Sie wie es funktioniert? Wäre das eine Alternative anstatt E-Zigaretten? Es sieht so aus, sollche Produkten erhalten Kein Nikotin, kein Teer, keine Flamme und kein Rumfummeln - nur aromatisierter Dampf. Ich hab darüber gerade gelessen. Hier ein Beispiel:

http://www.zamnesia.de/306-shisha-stift

 

 

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