Versicherungsrecht: Aus dem Auto selbst einen schweizer Käse gemacht?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.08.2013
Rechtsgebiete: LG HildesheimKäseVerkehrsrecht|2556 Aufrufe

Da geht offenbar der Kläger hin und bohrt in sein Auto viele regelmäßige Löcher mit einer Bohrmaschine. Bekloppt? Nein! Nur Versicherungsrecht zum Schmunzeln!

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistung aus einer bei der Beklagten bestehenden Vollkaskoversicherung wegen der Beschädigung eines Pkw.

Am 5.4.2012 zeigte der Kläger gegenüber der ... Geschäftsstelle der Beklagten an, dass er an dem Pkw VW Touareg mit dem amtlichen Kennzeichen ... Bohrlöcher in der Karosserie festgestellt habe. Auf die Strafanzeige des Klägers vom 10.4.2012 hin nahm der Polizeibeamte Grüne das Fahrzeug in Augenschein. Wegen seiner Feststellungen wird auf die Ablichtung Blatt 18 der Akten Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, der Pkw habe zum Zeitpunkt des Schadenseintritts seiner Ehefrau gehört. Nach Abschluss seines Insolvenzverfahrens im Juni 2012 sei jetzt er Eigentümer des Fahrzeugs. Er trägt eine Abtretungserklärung seiner Ehefrau vom 1.10.2012 (Blatt 63 der Akten) vor.

Er behauptet weiter:

Er habe das Fahrzeug am 30.3.2012, 18:00 Uhr auf einem Parkplatz in der Nähe der Gastwirtschaft „K.“ in S. abgestellt, wo der Wagen bis zum Folgetag, 11:00 Uhr gestanden habe. Am 29.3.2012 seien die Beschädigungen noch nicht vorhanden gewesen. Er habe die Bohrlöcher am 4.4.2012 um 17:00 Uhr entdeckt. Es handele sich um Vandalismusschäden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.223,00 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.6.2012 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs sei. Sie bestreitet auch, dass die Beschädigungen am Fahrzeug auf mut- und böswilligen Beschädigungen dritter Personen beruhen würden. Sie behauptet, die Beschädigungen am Pkw seien im Wege einer so genannten „Smart-Repair“-Methode äußerst kostengünstig und wesentlich günstiger als vom Sachverständigen geschätzt zu beseitigen.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Es ist nicht feststellbar, dass ein Versicherungsfall vorläge, der eine Leistungspflicht der Beklagten auslösen würde.

Zwar kommt dem Kläger in Bezug auf den Versicherungsfall des A.2.3.3. der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (Anlage B 1) eine Beweiserleichterung zugute in der Weise, dass es zum Nachweis des Versicherungsfalls ausreicht, wenn ein äußeres Bild vorliegt, das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass die Schäden am Wagen des Klägers auf ein mutwilliges Verhalten Dritter zurückzuführen sind. Schon dieses äußere Bild ist aber hier nicht gegeben. Die an dem Fahrzeug vorhandenen Bohrlöcher lassen weder auf ein mut- noch auf ein böswilliges Verhalten eines Dritten schließen. Vielmehr sind die Löcher offenbar mittels einer Bohrmaschine sehr gleichmäßig und planvoll, im Bereich der Türen in gleicher Höhe, ohne jegliche Beschädigungen anderer Fahrzeugteile, ohne Kratzer und Beulen, zudem am gesamten Fahrzeug gesetzt worden. Gerade das Vorhandensein von Löchern an beiden Seiten in den Türen, in der Motorhaube und in der Nähe der Dachreling macht einen Vandalismusschaden unwahrscheinlich und legt stattdessen ein gezieltes und geplantes Vorgehen bei der Beschädigung nahe, weil der Verursacher des Schadens am gesamten Fahrzeug tätig gewesen sein muss, was die Gefahr der Entdeckung erheblich erhöht. Eine böswillige Handlung ist schon deshalb nicht feststellbar, weil nicht ersichtlich ist, dass feindlich gesinnte Dritte sich am Abstellplatz des Fahrzeugs in S. oder vor dem Haus des Klägers aufgehalten hätten.

Es kann dahinstehen, ob der Minimalsachverhalt, nämlich ein äußeres Bild, das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass die Schäden am Wagen des Klägers auf ein mutwilliges Verhalten Dritter zurückzuführen sind, feststellbar ist. Denn es gibt mehrere Indizien, die den Schluss auf die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls zu lassen.

Dies ist zum Einen die bereits angesprochene Art der Beschädigung des Fahrzeugs, die für einen böswilligen Täter, dem nur daran gelegen ist, dem Kläger zu schaden, ausgesprochen untypisch ist. Die Beschädigungen sind planvoll, gleichmäßig und handwerklich sauber ohne Begleitschäden ausgeführt.

Der Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau in der Fahrzeuglackiererbranche tätig sind, wobei die Ehefrau des Klägers Geschäftsführerin des Unternehmens ist, gibt ebenfalls einen Anhaltspunkt dafür, dass die Beschädigung des Wagens Mittel sein könnte, durch eine kostengünstige und gleichwohl optisch gelungene Reparatur im eigenen Betrieb Einkünfte zu generieren. Selbst wenn bei der Reparatur die beschädigten Teile wie Motorhaube und Türen ausgewechselt werden, bleibt bei der Durchführung im eigenen Betrieb ein Gewinn hängen. Dem entspricht, dass der Kläger bei der Beklagten Entschädigung auf Basis des Sachverständigengutachtens begehrt hat (Anlage B 3 zur Klagerwiderung vom 24.9.2012).

Das vor kurzem abgeschlossene Insolvenzverfahren und die daraus resultierende finanzielle Enge kann durchaus Motiv gewesen sein, die finanzielle Situation auf diese Weise zu verbessern.

Misstrauen gegenüber der Sachdarstellung des Klägers ist schließlich auch deshalb gerechtfertigt, weil er aus eigenem Recht Klage erhoben hat, ohne mitzuteilen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Beschädigung noch seiner Ehefrau gehört hat.

LG Hildesheim, Urteil vom 04.12.2012 - 3 O 288/12, BeckRS 2013, 11358

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