"Hartz IV-Rebellin" im JobCenter Hamburg bleibt freigestellt

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.08.2013
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtFreistellungHartz IVJob-Center6|4573 Aufrufe

Die Entscheidung ist zwar schon vier Wochen alt, war mir aber bislang durchgegangen:

Beim JobCenter Hamburg arbeitet eine in interessierten Kreisen bundesweit bekannte Sachbearbeiterin, die die Regelungen des SGB II sehr großzügig zugunsten der Betroffenen interpretiert. Sie hält "das System für gescheitert" und weigert sich, Sanktionen gegen Leistungsbezieher zu verhängen, die ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommen. Die Arbeitgeberin hatte sie daraufhin im April 2013 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis auf weiteres freigestellt. Es bestehe der Verdacht, dass sie vorsätzlich gegen die gesetzlichen Bestimmungen für die Betreuung von Arbeitslosen verstoßen habe. Zudem störe ihr Verhalten den Betriebsfrieden. Auch die Bundesagentur für Arbeit hatte das Verhalten der Jobvermittlerin kritisiert. Sie inszeniere sich auf Kosten ihrer Kollegen als "einsame Kämpferin für Entrechtete".

Die 45-jährige Klägerin, die früher auch einen Hartz IV-Blog betrieb, beruft sich demgegenüber auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung. Sie macht im Wege der einstweiligen Verfügung ihren Anspruch auf Beschäftigung geltend.

Ihren Antrag hat das ArbG Hamburg allerdings abgewiesen: Für den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung hätte die Frau einen offensichtlichen Beschäftigungsanspruch darlegen müssen. Dies sei ihr nicht gelungen. Die vom Jobcenter vorgetragenen Rechtsverletzungen habe sie nicht entkräften können.

Richtig ist: In ihrer Freizeit kann die Klägerin in ihrem Blog (weitgehend) schreiben, was sie will. Während ihrer Arbeitszeit ist sie Mitarbeiterin der Verwaltung und als solche an Recht und Gesetz gebunden. Wenn sie eine Änderung der Regelungen zur Grundsicherung für richtig hält, stehen ihr dafür die staatsbürgerlichen Möglichkeiten zur Verfügung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und am 22.09.2013 ist bekanntlich Bundestagswahl.

ArbG Hamburg, Urteil vom 30.07.2013 - 15 Ga 3/13.

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6 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rolfs,

Ihre Anspielung auf die staatsbürgerlichen Möglichkeiten im letzten Absatz, in dem Sie formulieren

"Wenn sie eine Änderung der Regelungen zur Grundsicherung für richtig hält, stehen ihr dafür die staatsbürgerlichen Möglichkeiten zur Verfügung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und am 22.09.2013 ist bekanntlich Bundestagswahl"

soll hoffentlich nicht bedeuten, dass sich die Möglichkeiten in der Teilnahme an den Bundestagswahlen beschränken sollen. Als Staatsbürger hat man doch noch ein paar mehr Möglichkeiten. Dazu gehört eben auch die Möglichkeit Kritik (am System) zu äußern - auch als Angestellte im öffentlichen Dienst.

 

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Deswegen ja "staatsbürgerliche Möglichkeiten", also das, was jedermann darf. Dazu gehört natürlich neben dem Wählen auch das Demonstrieren, sich in Parteien engagieren etc. Aber im Dienst muss sie sich an das Gesetz halten und dieses ausführen, ob es ihr passt oder nicht.

Wer – wie die Klägerin – befragt, ob eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle - beim Jobcenter oder der Hansestadt Hamburg - denkbar sei, antwortet, für ihn komme nur eine Stelle als Arbeitsvermittlerin infrage (und „man sei nicht käuflich)", verbaut sich selbst alle Möglichkeiten.

Wenn die Klägerin ein Urteil will, mag sie dies bekommen.  

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