LAG Hamm: Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.10.2013

In einer erst jetzt bekannt gewordenen Entscheidung hat das LAG Hamm einer abgelehnten Stellenbewerberin eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil sie wegen ihres Geschlechts (§ 1 AGG) mittelbar (§ 3 Abs. 2 AGG) diskriminiert (§ 7 AGG) worden sei.

Die Beklagte betreibt einen lokalen Radiosender. Per Zeitungsanzeige vom 14.04.2012 suchte sie "eine(n) Buchhalter/-in" mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre. Die 1974 geborene Klägerin verfügt über einen Abschluss als Verwaltungs- und Bürokauffrau. Sie ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Mit Anschreiben vom 14.04.2012 bewarb sie sich auf die Stelle. Ihrer Bewerbung war ihr Lebenslauf beigefügt. Unter dem 02.05.2012 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Absage und teilte mit, „dass wir von Ihrer Bewerbung keinen Gebrauch machen können, da wir uns für einen anderen Bewerber entschieden haben“. Beigefügt waren „zu unserer Entlastung“ die Bewerbungsunterlagen. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf fand die Klägerin neben der Textzeile „Verheiratet, ein Kind“ den bei der Beklagten handschriftlich angebrachten Vermerk vor: „7 Jahre alt!“, die so entstehende Wortfolge „ein Kind, 7 Jahre alt!“ war durchgängig unterstrichen.

Das LAG Hamm hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG verurteilt. Der Vermerk der Arbeitgeberin bringe zum Ausdruck, dass sie Zweifel daran hege, dass die Klägerin ihre Pflichten als Arbeitnehmerin mit ihren familiären Aufgaben vereinbaren könne. Darin liege ein ausreichendes Indiz (§ 22 AGG) für eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, weil bei der Bewerbung eines Vaters eines siebenjährigen Kindes vergleichbare Zweifel nicht aufgeworfen worden wären. Die Indizwirkung konnte die Beklagte nicht widerlegen, insbesondere nicht dadurch, dass sie eine junge Frau ohne Kind und mit besserer Qualifikation eingestellt hat. Die auf Zahlung von 6.081 Euro gerichtete Klage war gleichwohl nur teilweise - nämlich in Höhe der zuerkannten 3.000 Euro - erfolgreich. Die Klägerin hatte innerhalb der dreimonatigen Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG nur diesen Betrag geltend gemacht. Die Klageerweiterung auf 6.081,00 € erfolgte erst Monate nach Ablauf dieser Frist.

DAS LAG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

(LAG Hamm, Urt. vom 06.06.2013 - 11 Sa 335/13, BeckRS 2013, 72266)

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1 Kommentar

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Das wirft zwei Fragen auf :

 

1. Warum schickt man kommentierte Bewerbungsunterlagen zurück ?

 

2. Worin liegt die mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts?  Es ist mM nach nicht korrekt zu vermuten, dass eine Mutter benachteiligt wird, ein Vater eines Kindes aber keiner Diskriminierung unterliegen kann, da er sich ja offensichtlich nicht um das Kind kümmern muss/wird/kann. Aus dieser Entscheidung spricht ja bereits selbst eine Grundeinstellung, die diskriminierend ist, nämlich die Reduzierung der Frau auf Ihre Rolle als Mutter.

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