LAG Niedersachsen widerspricht BAG im Befristungsrecht

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.11.2013

Es ist eines der letzten Urteile der Ersten Kammer des LAG Niedersachsen und dem Vorsitz des langjährigen Präsidenten, Herrn Prof. Dr. Gert-Albert Lipke. Und dieses Urteil hat es in sich. Erneut wendet sich nämlich ein LAG gegen die höchstrichterlicher Rechtsprechung im Befristungsrecht. Diesmal geht es nicht um sich das Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristung (vgl. LAG Baden-Württemberg Urteil vom 26. September 2013 - 6 Sa 28/13, hierzu BeckBlog vom 2.10.2013), sondern um ein Problem der Sachgrundbefristung. Das LAG hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich, der eine weitere Befristung eines Arbeitsverhältnisses regelt, zugleich einen Sachgrund für die Befristung i.S. von § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG setzt. Nach dieser Vorschrift liegt ein sachlicher Grund vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Hierzu hat das BAG am 15.02.2012 (NZA 2012, 919) entschieden, dass ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alternative 1 ZPO auf übereinstimmenden Vergleichsvorschlag der Parteien festgestellter Vergleich kein gerichtlicher Vergleich i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist, der geeignet sei, die Befristung eines Arbeitsvertrages zu rechtfertigen, weil es an einer inhaltlichen Mitwirkung des Gerichts i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG fehle. Das LAG vertritt dagegen die Rechtsauffassung, dass die im Jahre 2004 vorgenommene gesetzliche Erweiterung in § 278 Abs. 6 ZPO den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs zu vereinfachen, auch bei der Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz beachtet werden müsse. Der Gesetzgeber habe beide Verfahren zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs in § 278 Abs. 6 ZPO gleichbehandeln wollen und damit zugleich festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlicher Vergleich i.S. von § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG zustande kommen kann. Die vom BAG vorgenommenen Einschränkungen widersprächen dem Wortlaut, der Gesetzgebungsgeschichte und dem Gesetzeszweck, gerichtliche Vergleichsabschlüsse zu erleichtern. Auch bei von den Parteien unterbreiteten schriftlichen Vergleichsvorschlägen sei das Gericht gehalten, diese vor Bestätigung nicht nur auf ihre Rechtswidrig– und Sittenwidrigkeit, sondern auch auf ihre Ausgewogenheit zu prüfen und gegebenenfalls einen feststellenden Beschluss hierzu zu verweigern. Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn das BAG seine Rechtsprechung in diesem Punkt nochmals überdenken würde. Denn sie geht letztlich auch an den Bedürfnissen und der gängigen gerichtlichen Praxis vorbei. Selbstverständlich hat das LAG Niedersachsen die Revision zum BAG zugelassen. Herrn Lipke, einem der profiliertesten Kenner des Befristungsrechts, seien auf diesem Wege alle guten Wünsche für die Zeit des Ruhestandes übermittelt.

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