50 % Mithaftung des LKW-Fahrers, der seinen Eimer mit Erbrochenem auf Autobahn leert

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.12.2013
Rechtsgebiete: OLG HammNotstoppVerkehrsrecht|3193 Aufrufe

Mal wieder etwas Zivilrechtliches. Es geht um die Haftungsquote, wenn ein LKW-Fahrer ohne Warndreieck auf dem Standstreifen hält (um einen Eimer mit Erbrochenen zu leeren und sich zu säubern), den Laster noch etwas in die Fahrspur reinragen lässt und hierdurch einen Unfall mitverursacht:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin kein weiterer Zahlungsanspruch gemäß §§
7, 17, 18 StVG, 823 BGB mehr zu, da die Beklagte zu 3 bereits in ausreichender Weise die mittlerweile
unstreitige Schadenshöhe von 28.934,56 € mit ihrer hälftigen Zahlung von 14.467,29 € ausgeglichen hat.

Der Senat hält den Unfall weder für den Zeugen I noch für den Beklagten zu 1 für unabwendbar.

Hinsichtlich des Zeugen I gilt, dass das Versagen der Gesundheit eines Fahrers dem Versagen der technischen Betriebsvorrichtungen des Fahrzeugs gleichgestellt wird, weil Fahrer und Fahrzeug eine Einheit darstellen und erst durch das Zusammenwirken von Mensch und Maschine die Gefahr verursacht wird (BGHZ 23, 90, 93).

Ebenso wenig ist festzustellen, dass die Beklagten den Unabwendbarkeitsbeweis führen können; denn ein Idealfahrer hätte zu jeder Zeit dafür Sorge getragen, dass er ausreichende Sicht über die Verkehrsvorgänge vor ihm hat.

Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahr hat der Senat berücksichtigt, dass der Verkehr auf der Autobahn wegen des Verbots gemäß  § 18 Absatz 8 StVO grundsätzlich nicht mit haltenden
Fahrzeugen rechnen muss, insbesondere nicht mit einem LKW, der noch recht weit in die Fahrspur hineinragt. Bereits aus diesem Grund ist ein Halten nur in zwingenden Fällen zulässig, erfordert dann aber alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen nach § STVO § 15 StVO. Insoweit ist unstreitig, dass der Zeuge I bei
seinem berechtigten gesundheitlichen Notstopp (BGH VersR 1975,  1024, 1025 m. w. N.; 1979, 323, 324)
zwar ein Warnblinklicht eingeschaltet, aber kein Warndreieck aufgestellt hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei seinem Verhalten, zunächst den Eimer auszukippen und sich selbst zu säubern statt entweder ein Warndreieck aufzustellen oder sofort weiterzufahren, sogar um eine schuldhafte Handlung handelt; denn in jedem Fall ist es dadurch zu einer erheblichen Erhöhung der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gekommen, die vom Senat mit mindestens 50% angesetzt wird, und zwar auch unter Berücksichtigung der vom klägerischen Lkw selbst ausgehenden Betriebsgefahr.

Unter Berücksichtigung einer solchen Quotierung ergibt sich kein weiterer Zahlungsanspruch der Klägerin mehr, da in diesem Umfang der Schaden von der Beklagten zu 3 bereits ausgeglichen worden ist.
 

OLG Hamm, Urteil vom 29.10.2013 - 26 U 12/13    BeckRS 2013, 20220

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