StPO-Basiswissen: Grds. keine weitere Beschwerde - auch nicht bei zusätzlicher Beschwer durch Beschwerdeentscheidung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.12.2013

Nach § 310 Abs. 2 StPO gibt`s gegen Beschwerdeentscheidungen des LG grundsätzlich keine weitere Beschwerde. Ausnahmen regelt § 310 Abs. 1 StPO. Nun kann man durchaus fragen: "Was aber, wenn die Beschwerdeentscheidung neue Beschwer enthält?" Antwort: egal - weitere Beschwerde bleibt unzulässig!

Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen.

Das vom Verurteilten eingelegte Rechtsmittel der „sofortigen Beschwerde“ ist eine weitere Beschwerde, da es sich gegen einen Beschluss handelt, der von dem Landgericht auf eine Beschwerde hin erlassen worden ist. Eine weitere Beschwerde ist aber nur in den in § 310 Abs. 1 StPO vorgesehenen Ausnahmefällen statthaft. Im übrigen ist sie ausgeschlossen (§ 310 Abs. 2 StPO).

1.

Hier war es so, dass der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 09.10.2012 beim Amtsgericht Olpe beantragt hatte, eine Gesamtstrafe nach § 460 StPO aus den Strafen aus den Urteilen des LG Siegen vom 11.04.2012 (11 Ns 25 Js 47/11 – 4/12; Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; Einzelstrafen: 6 Monate und 8 Monate) und des Amtsgerichts Altena vom 30.06.2011 (4 Ds 768 Js 327/11 – 125/11; Gesamtfreiheitsstrafe 3 Monate, Einzelstrafen:

2 Monate und 2 Monate). In dem Schriftsatz werden auch Ausführungen zur Legalprognose gemacht. Das Amtsgericht Olpe hat den Antrag zurückgewiesen. Es hat gemeint, dass eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht in Betracht käme, weil die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Altena bereits im Wege des Härteausgleichs im o.g. Urteil des Landgerichts Siegen berücksichtigt worden sei. Hiergegen hat der Verurteilte mit Schriftsatz vom 30.11.2012 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat den Verurteilten sodann mit Verfügung vom 20.03.2013 darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe im Bereich von „14 Monaten“ zu bilden. Mit dem angefochtenen Beschluss hat sie dann die oben genannten Einzelstrafen unter Auflösung der bereits gebildeten Gesamtstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten zurückgeführt. Eine Aussetzung der Vollstreckung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung hat es nicht vorgenommen. In den Beschlussgründen führt die Strafkammer vielmehr (u.a.) aus, dass keine besonderen Umstände für eine Aussetzung vorlägen und dem Verurteilten auch keine hinreichend günstige Prognose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden könne. Er sei, entgegen der Prognose die das Landgericht Siegen in seinem Urteil vom 11.04.2012 angestellt habe, bereits am 26.11.2012 wieder erneut einschlägig straffällig geworden. Diese Tat habe er eingestanden und sei deswegen bereits erstinstanzlich verurteilt.

2.

Die angefochtene Entscheidung ist damit bereits auf eine Beschwerde hin ergangen und nicht mehr weiter anfechtbar. „Auf die Beschwerde hin erlassen“ ist eine Entscheidung, wenn sie denselben Verfahrensgegenstand betrifft wie die Entscheidung des Erstrichters, über deren Anfechtung sie befindet. Der Sachverhalt und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen müssen bereits Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts gewesen sei (OLG Stuttgart NStZ 2001, 496). Für die Gleichheit des Beschwerdegegenstandes sind die Entscheidungsformeln nicht allein maßgebend. Unerheblich ist, ob das Beschwerdegericht auf Grund eigener Ermittlungen neue Feststellungen getroffen hat, ob es andere Rechtsnormen angewendet hat oder ob die Entscheidung nur eine Modifizierung der ursprünglichen Entscheidung bringt (KK-Engelhardt, StPO, 6. Aufl., § 310 Rdn. 3 m.w.N.; vgl. auch OLG Köln NStZ-RR 2002, 244).

Unerheblich ist ebenfalls, ob die Beschwer für den Rechtsmittelführer der weiteren Beschwerde erst durch die Beschwerdeentscheidung eingetreten ist (OLG Bremen NStZ 1986, 524; OLG Hamm NJW 1970, 2127; vgl. auch OLG Stuttgart NStZ 2001, 496; Eschelbach in Graf, StPO, 2. Aufl., § 310 Rdn. 1; Meyer-Goßner, StPO,

56. Aufl., § 310 Rdn.1; Rautenberg in HK-StPO, 5. Aufl., § 310 Rdn. 1). Dies ergibt sich zunächst aus der klaren Regelung des § 310 StPO selbst, welche insoweit nicht differenziert. Ergänzend ist weiter zu berücksichtigen, dass das Schlechterstellungsverbot im Beschwerdeverfahren nicht gilt (KG JR 1981, 391; OLG Schleswig JurBüro 1985, 1372; Bloy JuS 1986, 584, 589; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. vor § 304 Rdn. 5). Mit der Rechtsmitteleinlegung geht der Beschwerdeführer das verfahrensimmanente Risiko einer Verschlechterung ein.

Das Verschlechterungsgebot ist ausdrücklich in den §§ 331, 358 Abs. 2,373 Abs. 2 StPO nur für das Berufungs-, Revisions- und Wiederaufnahmeverfahren bestimmt und soll grundsätzlich im Beschwerdeverfahren keine Anwendung finden (OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2003 – 2 Ws 287/03 – juris). Eine Analogie scheidet aus. Der Gesetzgeber hat das Verschlechterungsverbot bewusst nur für Teilbereiche geregelt.

Ob für bestimmte Fälle – nämlich bzgl. solcher Beschlüsse, die Rechtsfolgen endgültig festsetzen und der materiellen Rechtskraft fähig sind (z.B. Beschlüsse nach § 460 StPO) – eine Ausnahme vorzunehmen ist (so: Meyer-Goßner a.a.O.; a.A. Bringewat NStZ 2009, 542, 545), kann der Senat dahinstehen lassen. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

Die Vorschriften über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe schließen nicht aus, dass der Täter qua nachträglicher Bildung der Gesamtstrafe im (strafzumessungs-) rechtstatsächlichen und insbesondere „rechnerisch-faktischen” Endergebnis schlechter gestellt ist als ohne Anwendung der §§ 55, 53 und 54 StGB Auch die für das gerichtliche Nachtrags- bzw. Nachverfahren zur Nachholung einer unterbliebenen nachträglichen Gesamtstrafenbildung maßgebliche Vorschrift des § 460 StPO enthält nichts den Verurteilten ausschließlich Begünstigendes. Dieses Verfahren versteht sich als zusätzliches prozessuales Instrument zur (vollständigen) Verwirklichung des Gesamtstrafen-/Asperationsprinzips. Es dient dazu, eine zufallsbedingt versäumte Gesamtstrafenbildung gem. §§ 53, 54 StGB nachzuholen, wenn und weil auch eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gem. §§ 55, 53 und 54 StGB aus bestimmten Gründen unterblieben ist (Bringewat NStZ 2009, 542, 545). Hier hat das Landgericht aber nicht eine vom Amtsgericht vorgenommene nachträglich gebildete Gesamtstrafe oder eine dazugehörige Bewährungsentscheidung verschlechtert, sondern erstmals diese Entscheidung (sowohl eine solche zur positiven Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe als auch zur Strafaussetzung zur Bewährung) getroffen, nachdem das Amtsgericht die Gesamtstrafenbildung noch gänzlich abgelehnt hatte. Es

ist also lediglich die von §§ 460 StPO, 55, 53, 54 StGB gerade ermöglichte Verschlechterung eingetreten.

3.

Ein Fall einer statthaften Beschwerde, weil das Amtsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen und an sich das Landgericht für die Ausgangsentscheidung zuständig gewesen wäre, so dass es sich bei dessen Beschwerdeentscheidung in Wahrheit um eine erstinstanzliche Entscheidung handelt (vgl. OLG Düsseldorf

NJW 1991, 2434, 2435) liegt ebenfalls nicht vor. Zuständig war hier erstinstanzlich das Amtsgericht Olpe (§ 462a Abs. 3 StPO).

Oberlandesgericht Hamm,  Beschl. v. 1.8.2013 - 1 Ws 302/13

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