Tim und Struppi retten die Welt vor den Kartellen – eine Rezension

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 31.12.2013

Thomas, ein schneidiger, aber etwas überarbeitet und müde aussehender (Schlafzimmerblick) Beamter der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, mit zu kurzer Krawatte trifft auf dem Flughafen beim Warten auf den Flug nach Brüssel, auf die nicht unattraktive, wuschelköpfige und mit bauchfreiem Oberteil bekleidete Chloé. Es entspinnt sich eine recht einseitige Unterhaltung mit Vortrag von Thomas über seine Tätigkeit, Sinn und Zweck und die Grundzüge des EU-Kartellrechts. Thomas ist offenbar so begeistert von seinen eigenen Ausführungen, dass er – nicht ohne Komik - den ihm angebotenen Kaffee gar nicht wahrnimmt.

Rechtzeitig zum Weihnachtsfest hat uns die Kommission die Broschüre „Competition in Europe: It’s Your Deal“ (dt.: Wettbewerb in Europa: Genau Dein Fall) beschert (vgl. hier).

Die Besonderheit der Broschüre ist, dass sie Comic-Format hat. Hier hat wohl die große belgische Tradition abgefärbt.

Die Unterhaltung zwischen Thomas und Chloé erstreckt sich über neun Seiten. Die Flughafenszenen werden unterbrochen durch Abschnitte zu den Ausführungen von Thomas, z.B. zu einem Kartell und zum Verfahren der Kommission. Thomas bleibt etwas formelhaft in seiner Darstellung des Kartellrechts („Consumer policy benefits businesses and consumers“). Ein etwas seltsames Licht auf das Wettbewerbsverständnis wirft die Antwort von Thomas auf die Frage von Chloé „How can you regulate the entire European market from your offices in Brussels“, wenn er dazu ausführt: „ We collect information from every possible source including people like you, the actual consumers ..“. Gewünscht hätte man sich die Antwort, dass die Behörde natürlich nicht den Markt reguliert (das auf der Grundlage der Ermittlungen zu können, wäre eine „Anmaßung von Wissen“ (v. Hayek)), sondern „nur“ gegen Beschränkungen des Wettbewerbs abstellt bzw. solche verhindert. Aber das mag typisch deutsches Wunschdenken sein.

Interpretationsfähig ist auch die Aussage, „in that context […] and also small businesses are not left behind“. Richtigerweise schützt das Kartellrecht den Wettbewerb als solchen und nicht bestimmte Unternehmen (weswegen die ein oder andere Vorschrift des deutschen Kartellrechts diesen Namen nicht verdient). Womöglich ist letzteres aber auch nicht gemeint.

Behandelt werden Themen wie Sinn und Zweck des Kartellrechts, das Auswirkungsprinzip, die Kartellbekämpfung einschließlich der Funktionsweise der Kronzeugenregelung, Durchsuchungen durch die Beamten der Kommission („Dawn raids“), die Gewährung rechtlichen Gehörs in Kartellverfahren, die Entscheidung durch die Kommission als Kollegialorgan, die enormen Bußgelder, die Pressearbeit der GD Wettbewerb, die Möglichkeit von Schadensersatzklagen bei Kartellrechtsverstößen, die Verwendung der von der Kommission „eingenommenen“ Bußgelder, Formen der zulässigen Kooperation und sogar auch der new economic approach,

Das Comic ist ganz nett gezeichnet. Die Kartellanten sehen aus wie mafiöse Fieslinge, die sich anlässlich einer Messe in der Hotelbar und dann in Paris, London und in Italien am Meer zur „Verschwörung gegen die Öffentlichkeit“ (A. Smith) treffen.  Der Anwalt macht mit seinem verzweifelten Versuch, gegen die erdrückenden Beweise zu argumentieren, keine gute Figur. Die Kommissionsbeamten sind als fleißig, bis spät in die Nacht im Team zusammenarbeitend dargestellt. Vielleicht zielt das Comic auch auf die Nachwuchsgewinnung, wer weiß.

Wer das Kartellrechts-Comic gezeichnet und getextet hat, wird in der Broschüre nicht offen gelegt. Es ist in Amtssprachen der EU erhältlich.

Fazit: eine ganz amüsante und nette Zusammenfassung des EU-Kartellrechts und daher hier zur Lektüre empfohlen.

Auf diesem Wege wünsche ich allen Blog-Lesern ein gutes neues Jahr

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