Berichterstatter krank! Da schrieben seine Kollegen das Urteil auch nicht...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.02.2014

Man staunt schon, was der BGH so für Sachverhalte unterbreitet bekommt. Da wird der Berichtertstatter in einem dicken Strafverfahren nach Urteilsverkündung krank - die Kollegen setzen dann das Urteil nicht innerhalb der notwendigen Frist ab - das Urteil wird dann sage und schreibe fast 4 Monate (!) später fertiggestellt. Das so etwas beim BGH scheitern musste war klar:

 Mit Recht beanstandet die Revision, dass das am 29. November 2012 nach 23 Hauptverhandlungstagen verkündete Urteil erst am 4. Juni 2013 – und damit nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist am 14. Februar 2013 – zu den Ak-ten gebracht worden ist.
An der Einhaltung dieser Frist war das Landgericht – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hingewiesen hat – nicht durch einen unvorhersehbaren und unabwendbaren Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO gehindert. Ein solcher Umstand ist nicht etwa in der noch bei Eingang der Revisionsbegründung am 17. Juli 2013 andauernden Erkrankung des Vorsitzenden, der zugleich der Berichterstatter war, zu sehen. Der Vermerk der beisitzenden Richterin S. vom 13. Februar 2013 führt hierzu u.a. Folgen- des aus:
„Der Vorsitzende Richter am Landgericht K. wurde am 31.01.2013 aufgrund einer nicht vorhersehbaren schweren Erkrankung stationär im Krankenhaus aufgenommen. Nunmehr wurde bekannt, dass seine Er-krankung voraussichtlich einen längerfristigen Aufenthalt im Krankenhaus erfordert. …“
Auf diese Feststellung am Tag vor Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist durf-ten sich die beisitzenden Richter nicht beschränken. Alle berufsrichterlichen Mitglieder des Spruchkörpers sind für die Einhaltung der Frist nach § 275 Abs. 1 StPO verantwortlich. Beim Ausfall des Berichterstatters muss deshalb notfalls ein anderer erkennender Berufsrichter das Urteil abfassen, sofern ihm dies möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1975 – 1 StR 701/75, BGHSt 26, 247, 249; Beschlüsse vom 9. August 1988 – 5 StR 295/88, BGHR StPO § 338 Nr. 7 Fristüberschreitung 1, vom 27. April 1999 – 4 StR 141/99, NStZ 1999, 474, und vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 485/10, StV 2011, 211). Gründe dafür, dass es den Beisitzern unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, innerhalb der verbleibenden Urteilsabsetzungsfrist von zwei Wochen das nicht sonderlich umfangreiche und schwierige Urteil selbst abzufassen, sind nicht ersichtlich. Der Senat vermag insbesondere den von der Revision mitgeteilten Vermerken der Richterin am Amtsgericht S. vom 13. Februar, 8. Mai und 4. Juni 2013 einen die Fristüberschreitung rechtfertigenden Grund nicht zu entnehmen: Der Umstand, dass bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist nicht geklärt worden ist, ob und in welchem Umfang Vorsitzender Richter am Landgericht K. bereits einen Urteilsentwurf gefertigt hatte, ist hierzu von vornherein ungeeignet. Die Stellungnahmen enthalten sich auch jeder Begründung dafür, dass die Abfassung des Urteils ohne Einsicht in Mitschriften des erkrankten Vorsitzenden nicht möglich gewesen sein sollte; das ist nach Sachlage auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 – 2 StR 492/07, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 4 Umstand 6). Sonach hat das Revisionsgericht davon auszugehen, dass Umstände, die eine Fristüberschreitung rechtfertigen könnten, fehlen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 und vom 27. April 1999, jew. aaO).
Auf die Frage, ob nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist in der Zeit bis zum 4. Juni 2013 gegen die Pflicht, das Urteil nunmehr mit größtmöglicher Beschleunigung fertigzustellen (BGH, Beschlüsse vom 7. September 1982 – 1 StR 249/82, NStZ 1982, 519, und vom 21. Juni 1995 – 3 StR 215/95, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 4 Umstand 4), verstoßen worden ist, kommt es daher nicht mehr an.

BGH, Beschluss 18.12.2013 - 4 StR 390/13

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1 Kommentar

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Wie bitte? Die Beisitzer sollen hinter dem Rücken des kranken Vorsitzenden und Berichterstatters ein Urteil abfassen? Aber wozu ist man denn nur Beisitzer und hat während der Hauptverhandlung geschlaf...  angestrengt nachgedacht? Das geht überhaupt nicht. Ich bin empört, über diesen Beschluß vom grünen Tisch, der wieder einmal die tatsächlichen Verhältnisse an der Front vollständig verkennt.

 

Gottlob steht auch in einem solchen Fall die richterliche Unabhängigkeit irgendwelchen Vorwürfen und Regreßansprüchen entgegen!

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