Falsche Verfahrensübernahme durch Landgericht....also: Zurück ans abgebende AG

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.03.2014
Rechtsgebiete: VerbindungBGHStrafrechtVerkehrsrecht|2720 Aufrufe

Als Strafrichter ist man froh, wenn eine Strafkammer, die ohnehin ein dickes Verfahren gegen den Angeklagten führt andere Verfahren mit übernimmt. Auch die Verfahrensbeteiligten finden dies meist gut - sachgerecht ist dies ohnehin, da dann alles in "einem Aufwasch" erledigt werden kann. Aber Vorsicht: Eine einfache Übernahme/Übergabe von Gericht zu Gericht ist dann nicht möglich, wenn damit die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit umgangen werden:

Die Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr kann wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 257) nicht bestehen bleiben. Das Landgericht Essen war für die Entscheidung nicht zuständig.
Diese Tat hat die Staatsanwaltschaft Münster am 26. März 2013 bei dem – zum Bezirk des Landgerichts Münster gehörenden – Amtsgericht (Strafrichter) Coesfeld angeklagt, das die Sache dem Landgericht Essen zur Übernahme vorgelegt hat. Dieses Landgericht hat die Anklage durch Beschluss vom 10. Juni 2013 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat es das Verfahren mit dem bei ihm anhängigen, bereits eröffneten Verfahren wegen der weiteren abgeurteilten Straftaten verbunden. Die Eröffnung ist gegenstandslos und die Verbindung unwirksam (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464, und vom 26. Juli 1995 – 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9, jew. mwN):
Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch eine Vereinbarung der beteiligten Gerichte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO geschehen. Eine solche Verbindung kann vielmehr in den Fällen, in denen – wie hier – die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeigeführt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO). Daran fehlt es. Die Sache ist insoweit nicht bei dem Landgericht Essen rechtshängig geworden. Der Bundesgerichtshof kann die Verbindung nicht nachholen, da nicht er, sondern das Oberlandesgericht Hamm für eine solche Entscheidung zuständig wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 1996 – 2 StR 585/96, BGHR StPO § 4 Verbindung 12, und vom 8. August 2001 – 2 StR 285/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 257). Es besteht hinsichtlich der unter II. 8 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat ein Verfahrenshindernis, das zwar zu einer entsprechenden Teilaufhebung des Urteils, nicht jedoch zur Verfahrenseinstellung führt, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem Amtsgericht Coesfeld fortbesteht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 – 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9). Die Sache ist daher insoweit entsprechend § 355 StPO an dieses Gericht zu verweisen, das wegen der Gegenstandslosigkeit des Eröffnungsbeschlusses des Landgerichts Essen auch noch über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13, NStZ-RR 2013, 378).
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.

BGH, Urteil  vom 13.2.2014 - 4 StR 468/13

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