„Unbezahltes Praktikum“ kommt Bochumer Rewe-Markt teuer zu stehen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.03.2014

Ein Fall, der leider keinen Seltensheitswert haben dürfte. Selten ist hingegen, dass die Betroffenen ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Über einen solchen Fall berichtete Spiegel Online am 26.3.2014. Der Sachverhalt lag wie folgt: die 19-jährige Klägerin hatte im Oktober 2012 bei einem Rewe-Supermarkt in Bochum ein „unbezahltes Schnupperpraktikum“ angetreten. In der Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz reihte sich sodann ein Praktikum an das andere – stets ohne Bezahlung. Nach gut vier Monaten, am 6.3.2013, schlossen die Klägerin und die Rewe-Filiale einen Ausbildungsvertrag: Gültig ab 1.9.2013. Bis dahin sollte sie weiter unentgeltlich arbeiten. „Meine Mandantin hat über acht Monate unentgeltlich gearbeitet, insgesamt 1728 Stunden - in einem ganz normalen Supermarkt-Job. Sie räumte Regale ein, saß an der Kasse, sortierte im Lager. Allein im Mai letzten Jahres arbeitete sie 247 Stunden", so der Anwalt der Klägerin. Im Juli 2013 reichte es der Dauerpraktikantin - und sie entschloss sich, die Ausbeutung nicht länger hinzunehmen. Die Arbeitszeiten hatte sie offenbar genau dokumentiert, was ihre Prozesschancen entscheidend verbessert haben dürfte. Vor dem Arbeitsgericht Bochum (Urteil vom 25.3.2014, Az: 2 Ca 1482/13) bekam sie nun jedenfalls 17.281,50 Euro zugesprochen. Dabei legte das Gericht einen Stundenlohn von 10,- Euro zugrunde. Einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich in Höhe von 13.000 Euro hatte der Supermarktbetreiber vorher als überzogen abgelehnt. Medienberichten zufolge ist in dem Verfahren publik geworden, dass es in dem Bochumer Rewe-Markt noch weitere Praktikanten gegeben habe bzw. gäbe, die unentgeltlich reguläre Arbeit leisteten. Rewe distanziert sich mittlerweile von diesen Praktiken. Florian Sörensen, Geschäftsbereichsleiter Einzelhandel bei Rewe erklärte, „dass die Vorgehensweise des Kaufmanns in keiner Weise mit den Richtlinien und Grundsätzen der Personalpolitik der Rewe Dortmund vereinbar ist. Die Rewe Dortmund wird aus dem Fall entsprechende Konsequenzen ziehen."

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5 Kommentare

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Diese "Distanzierung" ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Anderswo betätigt sich REWE sogar als Sozialschmarotzer und lässt sich Arbeitskräfte massenhaft vom Steuerzahler finanzieren. Woanders schmarotzt man "nur" teilweise, mit Aufstockern.

Und auch der kommende Mindestlohn wird jetzt schon unterlaufen, da Gehälter oberhalb der Pfändungsfreigrenze einem Arbeitgeber wie REWE anscheinend unzumutbar sind: mit Schein-Werkverträgen.

 

Es geht doch, wenn man will.

Die Frage ist also eher, wollen Gewerkschaften, Parteien, Arbeitgeber, Juristen?

Sie werden wollen müssen. Das sagt schon der gesunde Menschenverstand. Der sollte abgeprüft werden, wenn jemand Führungsverantwortung hat. Es würden dann viele Positionen auch bei REWE frei. Eine Bewerbung der Klägerin sollte man sehr wohlwollend prüfen. In der Tendenz wäre das erfolgreicher als der von den Politik-Fürsten bestimmte Gnaden-Lohn.

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Wenn da steht: „dass die Vorgehensweise des Kaufmanns..." dann wird das wahrscheinlich nicht viel mit der REWE zu tun haben.

 

Die REWE hat ihr eigenes Netz, aber auch Franchise-Filialen, die nur den Namen tragen und von denen beliefert werden.

Inwieweit da jetzt die Kette verantworrtlich ist kann man schwer sagen.

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@ Herrn Kreß:

Die Struktur ist bei REWE, Edeka, Norma, Aldi, Lidl, Netto und Konsorten die gleiche: Der Gebietsleiter bekommt vom Vorstand Umsatz- und Renditevorgaben, der gibt sie weiter an den Regionalleiter und der an die einzelnen Filialen. Die Verantwortung für die Ausbeutung beginnt ganz oben, unten muss gekuscht werden. In anderen Branchen ist es genauso, z.B. bei Fielmann oder Apollo Optik.

Berufungsinstanz LAG Hamm: (Az.: 127-009-14): "ein Arbeitsverhältnis wurde nicht begründet", keine Revision zugelassen.

Hoffentlich gibt es eine Nichtzulassungsbeschwerde sowie die Veröffentlichung der Urteilsbegründung.

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