„freie“ Mitarbeit kann für Erotik-Hotline kann Beschäftigungsverhältnis sein

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 09.04.2014

Für die Abgrenzung der Tätigkeit auf der Grundlage eines freien Mitarbeitervertrages von derjenigen eines Arbeitnehmers bietet die sozialgerichtliche Rechtsprechung reichhaltiges Anschauungsmaterial. Über einen solchen Grenzfall hatte jüngst das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 11 R 3323/12 - noch nicht rechtskräftig) zu entscheiden. Es ging um die Qualifizierung der Tätigkeit einer 59-jährigen Mitarbeiterin einer Erotik-Hotline. Sie war bei dem in Mannheim ansässigen Betreiber der Hotline als „freie Mitarbeiterin" beschäftigt. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörten Flirtgespräche, Telefonsex und Partnervermittlung. Sie arbeitete von zu Hause aus, musste ihre Arbeitszeiten aber im Voraus in einen Online-Stundenplan der Hotline eintragen. Gegenüber den Kunden rechnete der Betreiber ab; die Mitarbeiterin stellte wiederum der Hotline monatlich eine Rechnung. Die Abrechnung erfolgte nach einer Vergütungstabelle des Betreibers je nach Dauer der geführten Telefongespräche. Für besonders lange Telefonate wurden zusätzliche Boni gezahlt. Der für die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zuständige Rentenversicherungsträger beurteilte die im Feststellungsbescheid als „Telefon Operator" bezeichnete Tätigkeit als versicherungspflichtig. Es habe sich nicht um eine selbständige Tätigkeit, sondern um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt, für das Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden müssten. Die Mitarbeiterin hatte das Verfahren selbst angestrengt, und die Feststellung der Sozialversicherungspflicht beantragt. Der Betreiber habe immer mehr Anweisungen gegeben, begründete die Frau ihren Antrag. Teilweise habe sie sogar während der Telefonate Vorgaben erhalten, welche Sätze sie zu den Kunden zu sagen habe. Das LSG Baden-Württemberg bestätigte nun – wie bereits die erste Instanz - den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Mitarbeiterin sei schon bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht völlig frei gewesen, sondern habe sich an den Online-Dienstplan halten müssen. Dessen Einhaltung sei von dem Betreiber kontrolliert und für Verstöße Strafen angedroht worden. Auch im Übrigen habe der Hotline-Betreiber die Tätigkeit der Telefonistin durch eine Vielzahl von Einzelanweisungen gesteuert und bis ins Einzelne kontrolliert. Dass die Mitarbeiterin ein eigenes Gewerbe angemeldet habe, sei demgegenüber nicht aussagekräftig. Das Gesamtbild spreche vielmehr für eine abhängige Beschäftigung. Eine andere Frage ist, ob das Arbeitsverhältnis – das zumindest teilweise - auf die Erbringung verbaler sexueller Dienstleistungen gerichtet war, als sittenwidrig (§ 138 BGB) einzustufen ist. Das dürfte vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 140), nach der ein Vertrag mit einem Kunden über die Erbringung von Telefonsex-Leistungen nicht sittenwidrig ist, zu verneinen sein. 

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