Fall Peggy – Neue Hauptverhandlung gegen Ulvi K.

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 10.04.2014

Nach dem Fall Mollath, der im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit beschäftigt hat, findet nun mit dem Fall Peggy erneut ein Strafverfahren bundesweit Beachtung, das geeignet ist, das  Vertrauen in die bayerischen  Ermittlungsbehörden und die Justiz auf eine harte Probe zu stellen.

Seit heute findet die neue Hauptverhandlung vor dem LG Bayreuth statt.

Soll in einem Mordfall ohne Leiche verurteilt werden, dann stellt dies an die Strafverfolgungsbehörden, an Sachverständige und das Gericht besonders hohe Anforderungen: Die Beweislage muss eindeutig sein, objektiv begründete Zweifel schon daran, dass überhaupt das angeklagte Tötungsdelikt stattgefunden hat, dürfen nicht verbleiben. Im Fall Peggy, dem vor 13 Jahren verschwundenen Mädchen, und dem Strafverfahren gegen Ulvi K., waren die Beteiligten den an sie gestellten Anforderungen nicht gewachsen. Ganz gleich, ob der Fall Peggy jemals aufgeklärt werden kann: Polizei, Staatsanwaltschaft, Gutachter, Gerichten ist multiples Versagen vorzuwerfen.

Das Geständnis von Ulvi K., praktisch das einzige Indiz für die Tat, ist unter derart fragwürdigen Umständen zustande gekommen, dass erhebliche Zweifel verbleiben [im urspr. Text anders formuliert]. Während der Vernehmung haben die Ermittler offenbar den Beschuldigten darüber getäuscht , man habe Blutspuren von Peggy an seiner Kleidung gefunden. Eine Lüge ist nach § 136a StPO eine verbotene Vernehmungsmethode, was zur Unverwertbarkeit des Geständnisses geführt hätte - nach gerichtlicher Wertung sei aber nur fahrlässig getäuscht worden. Das angebliche Geständnis enthielt kein Täterwissen, Ulvi K. konnte die Ermittler nicht zur Leiche führen oder zu sonstigen Spuren oder Indizien, die seine Tat plausibel gemacht hätten.

Wichtige Teile der sich tage- ja wochenlang hinziehenden  Beschuldigtenvernehmung wurden ohne den bestellten Verteidiger durchgeführt, der durch eine Intelligenzminderung behinderte Beschuldigte wurde mit Freundschaftsangeboten (ein Polizist war als vertrauter "Henningvadder" aufgebaut worden), mit Schokolade und damit gelockt, er brauche nicht ins Gefängnis, wenn er gestehe. Man hatte einen Spitzel in der Anstalt, der dann auch über ein angeblich "ausgehorchtes" Geständnis Ulvis sprach - dass dieser Spitzel später seine eigene Aussage widerrief, war einer der Wiederaufnahmegründe. Und am entscheidenden Tag, an dem Ulvi K. gegenüber den Ermittlern sein Geständnis abgab, soll „zufällig“ die Tonaufnahme technisch versagt haben, so dass das angebliche Geständnis nur als Gedächtnisprotokoll der Beamten existiert und, wie sich nun herausstellte, im Wesentlichen mit einer zuvor erstellten Tathergangshypothese übereinstimmt. Man versuchte dann noch seitens der Polizei Entlastungszeugen zum Rückzug ihrer Aussagen zu bewegen, damit der Tatverdacht gegen K. nicht gestört würde. Es fällt wirklich schwer, hier nicht an absichtliche Manipulationen zu Lasten des Beschuldigten zu denken.

Die juristische Kontrolle dieser polizeilichen Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft hat versagt: Entgegen ihrer Verpflichtung, objektiv zu ermitteln und die Beweislage objektiv zu beurteilen, hat die Staatsanwaltschaft die mageren Ermittlungsergebnisse der Polizei offenbar ohne kritische Prüfung zur Anklage gebracht.

Die Strafkammer des LG Hof hat sich mit einer fragwürdigen Beweislage zufrieden gegeben ("ohne jeden Zweifel"). Es hat, um die Glaubhaftigkeit des Geständnisses zu belegen, einen Psychiater beauftragt, der über keine Expertise zur aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsuntersuchung verfügte. Sein Gutachten leidet unter Kardinalfehlern (vgl. dazu die Analyse von Eisenberg in JA 2013, S. 860 ff.; sowie von Sponsel auf seiner Website), wurde aber trotzdem zur entscheidenden Stütze des einzigen Beweismittels.

Schließlich hat auch der erste Senat des BGH seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen und das schwach begründete Mordurteil in der Revision „gehalten“.

Ulvi K. war bei alledem ein leichtes Opfer der ihm übermächtigen Polizeiermittler, die sich offenbar nicht Recht und Gesetz, sondern fragwürdige Kriminalfilme zum Vorbild genommen haben, um ein Ergebnis um jeden Preis zu erzielen.

Erschütternd ist es anzusehen, dass fast alle Fehler, die nach wissenschaftlicher Analyse in der Vergangenheit (in anderen Fällen) zu Falschgeständnissen und Fehlverurteilungen geführt haben, in diesem Fall gemacht wurden.

Zu verdanken ist die bislang erfolgreiche Wiederaufnahme RA Euler und einer rührigen Bürgerinititaive, die es vermochte, auch Journalisten von der Fragwürdigkeit der Verurteilung zu überzeugen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Immerhin hat die Staatsanwaltschaft schon im vergangenen Jahr signalisiert, dass sie sich einem Wiederaufnahmeverfahren nicht entgegenstellen werde und hat die Ermittlungen zur Suche nach Peggy schon 2012 wieder aufgenommen. Offenbar will man nun die Wahrheit finden. Und nicht mehr nur auf dem einfachsten Weg einen Schwachen mit der schwersten Beschuldigung verurteilen.

Die Frage, die sich (insbesondere, aber nicht nur) die bayerische Justiz stellen sollte, ist, wie solche Verfahrensweisen künftig vermieden werden können. Eine Forderung liegt seit langem auf dem Tisch: Beschuldigtenvernehmungen und Explorationen - jedenfalls bei schweren Vorwürfen - nur mit kompletter Video- und Tonaufzeichnung als Beweismittel zuzulassen. Eine andere Forderung ist diejenige, auch in solchen Fällen professionell Beteiligte ggf. haften zu lassen, zumindest, wenn eklatante Fehler vorliegen. Bislang ist es wohl eher so, dass Polizeibeamte gelobt werden, wenn der Fall "gelöst" wurde, sogar dann, wenn ein Unschuldiger verurteilt wurde. 

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221 Kommentare

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Suggestivfragen und sexuelle Delikte

@nochsoeingast #48

Suggestivfragen

Liefern Sie erstmal einen Nachweis, dass Sie in der Lage sind, zu verstehen was Suggestivfragen sind und weshalb sie in Vernehmungen so gefährlich und daher zu vermeiden sind. Also geben Sie mal drei Beispiele und begründen Sie sie. Anschließend können wir uns mit zählen beschäftigen.

Sexuelle Delikte: Widersprüchliche Begründung in der Mordmotivkonstruktion

Ulvi Kulac wurde aufgrund des GA von Prof. Dr. Nedopil in Bezug auf seine sexuellen Delikte SchuldUNfähigkeit zuerkannt, nicht für den Mordvorhalt. Wenn Ulvi Kulac also gar kein Unrechtsbewusstsein hatte, wieso sollte er dann ein Verdeckungsmotiv entwickeln?

Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel,

Sie scheinen auch nicht richtig lesen zu wollen oder zu können. Vielleicht eignen Sie sich erst mal ein paar grundlegende Kenntnisse über die Faktenlage an, bevor Sie sich zum Fragemeister in Sachen Aussagepsychologie aufspielen von der Sie offenbar nicht die geringste Ahnung haben.  

Ich habe nie behauptet, Experte zu sein.

Wenn Sie aber solche Informationen an die Öffentlichkeit geben, so gehe ich davon aus, dass ich als Leser das lesen und mir dazu Gedanken machen kann. Das scheint aber nicht erwünscht zu sein. Dann sollte das besser im Expertenkreis verbleiben, scheint mir.

 

Ihre Attacke zeigt mir, dass Sie genervt sind. Aber nett ist das nicht.

 

Sie begnügen sich mit bloßen diskreditierenden Behauptungen ("Fehler, Verfälschungen und Interpretationen") ohne jeden Beleg.

Sie irren sich, denn ich habe dieses Buch gelesen. Fehler gibt es darin viele, ich bin aber sicher nicht dazu da, hier eine Analyse zu erstellen.

Die Autoren aber geben selbst an:

..................................................................................................................................................

Vorbemerkung

Aus rechtlichen Gründen wurden Namen, Personen und in Einzelfällen Vorgänge verfremdet.

..................................................................................................................................................

Die Frage ist: wie soll ein Leser ohne jeglichen Hinweis denn nun wissen, was konkret stimmt, was verfremdet ist? Warum bieten die Autoren ständig ihre eigenen Beurteilung oder Interpretation an, zum Beispiel als laut Peter Hoffmann die Leiche in einem Bach versenkt worden sein soll, der den Autoren viel zu seicht vorkommt?
Insofern kann dieses Buch gar kein Sachbuch sein, anhand dem man belastbare Analysen gleich welcher Art vornehmen könnte.

 

Das kommt davon, wenn man Bücher kritisiert, die man nicht liest und nur vom Waschzettel amazons "kennt"

Aua.

 

Sie wussten ja noch nicht einmal, dass das erste "Geständnis" Angaben zum Leichenort enthielt.

Doch, aber diese Variante war ja schnell vom Tisch.

 

Zu Ihrem offenbar noch nicht befiedigten Anliegen - Suggestivfrage und Fragestil - will ich mich gerne noch einmal äußern, wenn Sie Ihre Frage mit operationalem (konkret, besispielhaften) Inhalt füllen etwa wie folgt  durch eine Tabelle

So kann man auch Fragen elegant nicht beantworten.

 

Sehr viele freundliche Grüße

 

 

 

@nochsoeingast

Es scheint viel leichter zu sein, mit einer Mission auf Anhängerjadg zu gehen, als einfach objektiv zu bleiben.

Danke

 

4

Behauptungen ohne Belege sind nicht auseinandersetzungsfähig

Frank3 schrieb:

Sie begnügen sich mit bloßen diskreditierenden Behauptungen ("Fehler, Verfälschungen und Interpretationen") ohne jeden Beleg.

Sie irren sich, denn ich habe dieses Buch gelesen. Fehler gibt es darin viele, ich bin aber sicher nicht dazu da, hier eine Analyse zu erstellen.

Um eine "Analyse" hat Sie in der Tat niemand gebeten, lediglich darum, Ihre Behauptungen mit konkreten Beispielen zu belegen. Das scheint aber auch schon zu viel zu sein. Daher sind natürlich auch Zweifel angesagt, ob und wie Sie dieses Buch gelesen haben. Vielleicht listen Sie die Titel der 36 Kapitel mal auf. An einer echten Klärung "Suggestivfrage und Fragestil" scheinen Sie auch nicht interessiert.

Dass es überhaupt eine Schuldunfähigkeit gibt, also ein Täter nicht verurteilt wird, wenn er Taten nachgewiesen begangen hat,  ist ganz schwer für Opfer und deren Angehörigen zu begreifen.

 

Für die jahrzehnte anhaltenden Folgen bei Opfern und deren Angehörigen interessiert sich keiner in der Justiz bei Schuldunfähigkeit.

 

Wenn Opfer ihre Folgen nicht mehr ertragen können, verweigert der Gesetzgeber sogar die Hilfe für einen Freitod.

 

 

2

@Gast, Sie schreiben:

Dass es überhaupt eine Schuldunfähigkeit gibt, also ein Täter nicht verurteilt wird, wenn er Taten nachgewiesen begangen hat,  ist ganz schwer für Opfer und deren Angehörigen zu begreifen.

Ich glaube, es ist nicht schwer zu begreifen, dass individuelle "Schuld" für eine Strafe Voraussetzung ist. Ich kenne auch keine Berichte über Opfer, die nicht begriffen hätten, dass ein psychisch kranker oder geistig behinderter Mensch ggf. nicht zu einer Strafe verurteilt werden kann, ebenso wenig wie z. B. ein strafunmündiges Kind verurteilt werden kann. Nachvollziehbares Unverständnis kenne ich eher dann, wenn die Schuldunfähigkeit Folge eines Rausches ist. Der Tatbestand des "Vollrausch" versucht die Konsequenzen zu mildern, aber es bleibt natürlich ein möglicherweise unverständlicher Rest  übrig. Aber "dass es überhaupt Schuldunfähigkeit gibt" ist ein - auch von Opferseite - kaum zu bemängelnder Umstand.

 

Für die jahrzehnte anhaltenden Folgen bei Opfern und deren Angehörigen interessiert sich keiner in der Justiz bei Schuldunfähigkeit.

Die Schuldunfähigkeit ist ein gesetzliches Konzept. Es wäre daher falsch und würde jeder rechtlichen Grundlage entbehren, wenn sich die Justiz bei der Frage der Schuldunfähigkeit Gedanken um die Opfer und ihre Angehörigen machen würde. In den vergangenen Jahrzehnten wurde durch mehrere Gesetze der Status der Opfer/Angehörigen im Strafprozess verbessert bzw. verstärkt. Dass sich der Gesetzgeber keine Gedanken um die OIpfer machen würde, ist schlicht eine falsche Behauptung. Aber: Im Strafprozess muss ja erst einmal festgestellt werden, ob es die Straftat, einen Täter und welche Opfer gegeben hat bzw. wer das jeweils ist.

Wenn Opfer ihre Folgen nicht mehr ertragen können, verweigert der Gesetzgeber sogar die Hilfe für einen Freitod.

Ich halte die hinter dieser Aussage stehende Auffassung für grundverkehrt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Behinderung keine Folge der Hirnhautentzündung - IQ

@Gast #46, 24.04.2014.

Prof. Dr. Kröber zitiert mehrere Nachuntersuchungen, die belegen, dass die Hirnhautentzündung keine Folgen hatte. Die geistige Behinderung ist demnach nicht darauf zurückzuführen. 

IQ 54-85

Der geschätzte IQ-Bereich ist unerträglich in seiner Spannbreite. Tatsächlich hülfe aber auch eine einigermaßen eingegrenzt richtige IQ-Bestimmung nicht viel. Hier wäre ein kognitives Gutachten wichtig gewesen, das die spezifische lebensweltliche und sachverhaltsbezogenen kognitiven Fähigkeiten bestimmt. Das ist nicht einfach, aber, wenn es um Kapitalverbrechen und die Aussagen eines geisitg Behinderten geht, notwendig.

Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel

 

Vielleicht listen Sie die Titel der 36 Kapitel mal auf.

Jetzt wird es in der Tat lächerlich.
Wir sind nicht in der Schule, wo Sie Hausaufgaben vergeben können.

Ich hatte Sie darauf aufmerksam gemacht, dass die Autoren selbst in der Vorbemerkung zugeben, Namen, Personen und in Einzelfällen Vorgänge verfremdet zu haben.
Da diese Verfremdungen im Buch nicht gekennzeichnet sind fehlt jegliches Kontrollinstrument, um festzustellen, was Wahrheit und was Fiktion ist. Also sind grundlegende Ansprüche für wissenschaftliches Arbeiten nicht erfüllt. Auch ohne, dass man hier jetzt nun eine Fehlerliste erstellt.

Eine Fleissaufgabe, das Inhaltsverzeichnis abzutippen, bekommen Sie nicht von mir.

 

An einer echten Klärung "Suggestivfrage und Fragestil" scheinen Sie auch nicht interessiert.

Ganz im Gegenteil. Aber hier sind Sie der Experte und ich erhoffte mir darüber Auskunft von Ihnen. Keineswegs dachte ich daran, Hausaufgaben auf Zuruf zu erledigen.

 

Ist es wirklich so schwierig, kritischen Fragen standzuhalten, ohne persönlich zu werden?

Mit freundlichen Grüßen

Frank

4

@R. Sponsel:

Sie haben ja schon gezählt, von daher müssten Sie nur offenlegen, wie Sie das getan haben.
Nachdem hier nicht der Ort ist, an dem Sie Schüler abfragen können, ob sie denn brav ihre Suggestionsfragedefinition vorbeten können, sondern Sie erst einmal auf den Putz gehauen haben mit einer (vorgeblich) wissenschaftlichen Analyse des Kröber-Gutachtens und einer von Ihnen ermittelten Suggestivfragenquote, sollten vielleicht Sie erst einmal definieren, nach welchen Kriterien Sie bei Ihrer "Studie" die jeweiligen Fragen Kröbers als Suggestivfragen eingeordnet haben.

Abgesehen davon kann es u.a. Teil einer  Glaubhaftigkeitsbegutachtung sein, die Suggestionsanfälligkeit mit zu untersuchen, und das kann  abseits von sonstigen Testverfahren  auch mittels (einzelner) Suggestivfragen geschehen.  Schon von daher ist ihre Zählerei und Quotenermittlung zu hinterfragen.

Das Problem ist , dass man ohne das vollständige Befragungsprotokoll (das  Ihnen exklusiv vorliegt) gar nicht beurteilen kann, ob eine isoliert herausgegriffene Frage suggestiv ist oder nicht. Eine Frage, die auf den ersten Blick suggestiv erscheint kann nichtsuggestiv sein, wenn es sich nur um eine präzisierende Nachfrage oder die Wiederholung eines bereits vorliegenden Aussageinhalts handelt.

Ein simpes Beispiel:

Aussage: Ich habe ihr den Mund zugehalten.Dann habe ich sie in den Wald gezerrt. Sie hat geschrien, ich wollte, dass sie endlich still ist und habe sie dann erwürgt.

Frage: Aber Sie haben ihr doch den Mund zugehalten?
 

Antwort: Ja, aber sie hat sich so gewehrt und mich gebissen.

Isoliert betrachtet wäre die Frage eine Suggestivfrage, da die abgefragte Tatsache aber schon berichtet war, ist es lediglich eine Nachfrage, die dann zu der erklärenden Überhangantwort "gewehrt und gebissen" führt.

Genau deshalb wäre für eine offene und transparente Diskussion Ihrer Behauptungen erforderlich, dass Sie 1. das Protokoll veröffentlichen, mindestens aber 2. die Kriterien offenlegen, nach denen Sie die jeweiligen Fragen Kröbers als suggestiv oder nicht suggestiv eingeordnet haben. Offenbar wollen Sie das aber nicht.

4

Diskussionsbasis

@Frank3 #7, 24.04.2014

Sie behaupten viel Vages, Diskreditierendes, Unsinniges über das Buch von Jung & Lemmer und belegen nichts - außer Ihrer unsinnigen Kritik, dass es so etwas wie Datenschutz gibt, auf die Jung & Lemmer Rücksicht nehmen müssen. Den Verdacht, dass Sie das Buch gar nicht kennen, wollen Sie offenbar nicht ausräumen, daher werde ich Ihre Beiträge zu diesem Thema nicht weiter ernst nehmen.

Suggestivfrage und Fragestil

Sie sollen hier keine Hausaufgaben machen, sondern die Aufgaben, die Sie mir machen möchten, zunächst einmal mit Inhalt füllen. Ich folge damit dem Prinzip: wer ein Problem erfindet, soll es erklären. Daher: Zu Ihrem anscheinend noch bestehendem Anliegen - Suggestivfrage und Fragestil - will ich mich gerne noch einmal äußern, wenn Sie Ihre Frage mit operationalem (konkret, besispielhaften) Inhalt füllen etwa wie folgt  durch eine Tabelle: 

Spalte 1: Zu erfragender Sachverhalt,

Spalte 2: Offene Frage zu 1)

Spalte 3: Suggestivfrage zu 1,

Spalte 4: Andere Variante Suggestivfrage zu 1,

Spalte 5: Fragestil-1-Frage zu 1,

Spalte 6: Fragestil 2-Frage zu 1.

Mindestens eine Zeile für ein Beispiel brauchen wir. Besser wären drei verschiedenartige Beispiele, also drei Zeilen. Unsere Daten- und Diskussionsbasis wäre damit eine Tabelle mit 18 Zellen, drei Zeilen und 6 Spalten.

Schade, dass Sie sich so zieren. Daran könnte man viel verstehen und lernen.

Suggestivfragendiskussion an einem (nicht) simplen Beispiel

@nochsoeingast #8

Schön, dass Sie sie sich zu einem Beispiel durchringen konnten, wenn es auch nicht simpel, aber diskutabel und interessant ist:

nochsoeingast schrieb:

Ein simples Beispiel:

Aussage: Ich habe ihr den Mund zugehalten. Dann habe ich sie in den Wald gezerrt. Sie hat geschrien, ich wollte, dass sie endlich still ist und habe sie dann erwürgt.

Frage: Aber Sie haben ihr doch den Mund zugehalten?

Hier ist bereits der erste Frage-Fehler, weil durch das "Aber" suggeriert wird, so kann es nicht gewesen sein. Statt den Sachverhalt durch kluge Fragen zu erforschen, wird er durch diese Formulierung in Frage gestellt und der Befragte verunsichert (bei einem geistig Behinderten!). Hier wird nicht exploriert, sondern gerechtet, vorgehalten, diskutiert (Aber). Kann es sein, dass Sie vernehmen lege artis nicht gelernt haben?

nochsoeingast schrieb:

Antwort: Ja, aber sie hat sich so gewehrt und mich gebissen.

Isoliert betrachtet wäre die Frage eine Suggestivfrage, da die abgefragte Tatsache aber schon berichtet war, ist es lediglich eine Nachfrage, die dann zu der erklärenden Überhangantwort "gewehrt und gebissen" führt.

Nein. Das ist nicht nur "isoliert" betrachtet eine Suggestivfrage, sondern auch im Zusammenhang. Offensichtlich sitzt die Definition und die Kenntnis des Wesens von Suggestivfragen immer noch nicht. Daher darf ich Sie ersuchen, Ihre Definition einer Suggestivfrage, darzulegen - wenn Sie möchten, dass der Kurs hier weitergeht .

nochsoeingast schrieb:

Genau deshalb wäre für eine offene und transparente Diskussion Ihrer Behauptungen erforderlich, dass Sie 1. das Protokoll veröffentlichen, mindestens aber 2. die Kriterien offenlegen, nach denen Sie die jeweiligen Fragen Kröbers als suggestiv oder nicht suggestiv eingeordnet haben. Offenbar wollen Sie das aber nicht.

Die Kriterien sind veröffentlicht wie auch ein Hinweis weshalb in der Internetpräsentation die Datenanlage 2 und 3 nicht veröffentlicht wurden.  Für eine Veröffentlichung müsste die Erlaubnis RA Eulers eingeholt werden. Wenn Sie diese bekommen, werde ich gerne meine Beurteilung und Kommentierung der 226 Fragen ins Netz stellen. Das könnte sehr viel Fruchtbares für künftige Vernehmungen bewirken. Aber nicht jetzt und nicht ohne Genehmigung des RAs.

Vernehmungsregeln der bayerischen Polizei vom 02.02.2014 geheim

Wie ich heute aus seriöser Quelle erfuhr, sind die neuen Vernehmungsregeln der bayerischen Polizei vom 02.02.2014  für das Strafverfahren geheim und "nur für den Dienstgebrauch" bestimmt.

Interessant wären natürlich auch die vorhergehenden, gerade im Hinblick auf die Reid-Methode.

 

 

 

Was meinen Sie denn genau mit "Vernehmungsregeln"? Eine Dienstanweisung zur Fragetechnik? Das Schulungskonzept? Den aktuellen Stand der polizeilichen Debatte zu Vernehmungstechniken kann man problemlos und ungeheim in der Zeitschrift Kriminalistik nachlesen, dass die Bayern das Rad neu erfunden haben und es deshalb unter Verschluss halten wollen, kann man glauben, wenn man will. Vielleicht kennt Ihre seriöse Quelle ja auch den Inhalt dieser NfD-Vernehmungsregeln.

 NfD ist übrigens  alles andere als "geheim", falls Sie mal irgendetwas von behördlichen Geheimhaltungsstufen gelesen haben sollten, abgesehen davon, dass die strafprozessualen "Vernehmungsregeln" der StPO und der RiStBV auch in Bayern oder im Saarland ("Pascal") bzw. Rheinland-Pfalz (Montessori) gelten. Langsam wird es albern. 

Zur Reid-Methode: an einer Studie zu Falschbelastungen bei angezeigten Sexualdelikten ca  aus 2005 ("Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern", als pdf abrufbar)  haben 77 Polizeibeamte, an einer  Befragung teilgenommen davon hatten gerade mal 2 Kontakt mit der Reid-Methode. Leseempfehlung: Seite 160, 257 und 258 der Studie. 

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Vernehmungsregeln, Geheimhaltung der bayerischen Kripo und Reid-Methode

@ nochsoeinngast #12 24.04.2014

Der Begriff Vernehmungsregeln bedeutet Regeln für Vernehmungen. Konkret hier die am 2.2.2014  für Bayern ausgegebenen Richtlinien für die "Polizeiliche Vernehmung in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren".  Genau diese interessieren und nicht irgendwas aus der Kriminalistik.

Weshalb interessieren die bayerischen Vernehmungsregeln besonders?

Aufgrund  des Falles Peggy/ Ulvi Kulac hat sich die Hypothese erhärtet, dass die bayerische Kripo in Vernehmungslehre falsch ausgebildet wird und falsch vernimmt. Schon deshalb sind die Vernehmungsregeln, die zum Zeitpunkt der Vernehmungen von Ulvi Kulac galten, auch wichtig. Dabei spielt die Reid-Methode auch eine Rolle. Schön daher, dass Sie die Schrift zitieren:

Elsner, Erich &  Steffen, Wiebke (2005)  Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern. München: Bayerisches Landeskriminalamt. [PDF]

Weniger schön ist, dass Sie nur die die Viertelwahrheit zitieren und auch noch falsch verarbeiten. Schauen wir uns also die Stellen in dem Buch genauer an:

Starkes Interesse an der Reid-Methode

S. 160: " Lediglich zwei Sachbearbeiter wurden in die Reid-Vernehmungstechnik [FN3] eingewiesen. In Gesprächen mit den polizeilichen Sachbearbeitern kam klar zum Ausdruck, dass hier eine starkes Interesse an Fortbildung besteht, um die Qualität der Vernehmungen von Tatbeteiligten und Zeugen zu verbessern. Trotz wiederholter Anmeldung zu diesem Seminar bekamen sie keinen Ausbildungsplatz zugewiesen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Projekts wurden keine Kurse abgehalten, weil die US - Firma John E. Reid & Associates kein deutschsprachiges Ausbildungspersonal stellen konnte."

Eine wissenschaftliche Evaluierung für Deutschland liegt nicht vor (wobei man vorher wohl besser eine Kompatabilitätsprüfung mit § 136a StPO gemacht hätte)

S. 257f: "Das häufige Fehlen von Sachbeweisen bei den Vortäuschungen von und falschen Verdächtigungen wegen Sexualdelikten und das Angewiesensein auf ein Geständnis hat zu Bemühungen der Polizei in Bayern geführt, mit der systematischen Vernehmungstechnik nach John E. Reid zu einer besseren Unterscheidung von „wahrheitsgemäßen“ und „täuschenden“ Angaben zu kommen. Es handelt sich um eine Technik mit der Betonung verhaltensanalytischer Elemente, die ihre Wurzeln in den amerikanischen Polygraphenuntersuchungen („Lügendetektor“) der 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts hat. Zielgruppe des vom Fortbildungsinstitut  - Vortäuschen / falsche Verdächtigung [>258] der Bayer. Polizei - zusammen mit der Firma John E. Reid & Associates - durchgeführten Seminars [FN64 Seminar K54 F Reid-Vernehmungstechnik beim Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring.] sind erfahrene Beamte der Kriminalpolizei, die in vernehmungsintensiven Bereichen eingesetzt sind und bereits über eine langjährige Vernehmungspraxis verfügen. Wegen der juristischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ist ein einfaches, unkritisches Übernehmen dieser Technik problematisch und findet so auch nicht statt. Vermittelt wird in erster Linie mehr psychologisches Hintergrundwissen und eine Methode, die eine bessere Strukturierung schwieriger Vernehmungen ermöglichen soll. Eine wissenschaftliche Evaluierung, in wie weit sich mit dieser Vernehmungstechnik tatsächlich mehr Fälle klären lassen, liegt für Deutschland nicht vor. "

Ausbildung in der Reid-Methode unbedingt für nötig befunden

S. 289: "Vor allem angesichts der schwierigen Beweislage, der damit verbundenen großen Bedeutung der Aussagen von Opfern und Tatverdächtigen und dem regelmäßigen psychischen Ausnahmezustand der Opfer hielten die befragten Beamten Aus- und Fortbildungsangebote in Vernehmungstechniken (etwa in der Reid-Vernehmungstechnik) für unbedingt nötig und derzeit für unzureichend. "

Reid-Vernehmungstechnik Standardabfrage im Erhebungsbogen

Fachlehrgänge S.307.

Das bestätigt in vollem Umfang Jung & Lemmers Ausführungen, wenngleich diese natürlich noch viel mehr an sehr interessantem Stoff enthalten.

Siehe auch: http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=&KL_ID=224

 

RSponsel schrieb:

... Angewiesensein auf ein Geständnis ...

 

Der Zweck der Beschuldigtenvernehmung ist einfachgesetzlich in § 136 Abs. 2 StPO wohl deutlich formuliert:

"Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechende Tatsachen geltend zu machen."

Eine auf Geständnis des Beschuldigten angelegte Beschuldigtenvernehmung ist ein charakteristisches Merkmal und ein Relikt des Inqusitionsprozesses, in dem der Beschuldigte zum Objekt des Verfahrens gemacht wird. Dieser sollte schon mit dem Inkrafttreten der Strafprozessordnung 1877 der Vergangenheit angehören. Das ist aber nicht gänzlich gelungen und löste schon damals heftige Debatten aus. Doch spätestens mit der Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit, zu den Verfahrensgrundrechten und Menschenrechten könnte man diese Erblast für überwunden halten. Mitnichten.

 

Der Zweck der Beschuldigtenvernehmung ist einfachgesetzlich in § 136 Abs. 2 StPO wohl deutlich formuliert:

"Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechende Tatsachen geltend zu machen."

Eine auf Geständnis des Beschuldigten angelegte Beschuldigtenvernehmung ist ein charakteristisches Merkmal und ein Relikt des Inqusitionsprozesses, in dem der Beschuldigte zum Objekt des Verfahrens gemacht wird. Dieser sollte schon mit dem Inkrafttreten der Strafprozessordnung 1877 der Vergangenheit angehören. Das ist aber nicht gänzlich gelungen und löste schon damals heftige Debatten aus. Doch spätestens mit der Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit, zu den Verfahrensgrundrechten und Menschenrechten könnte man diese Erblast für überwunden halten. Mitnichten.

 

 

Herr Kolos,

hier unterschlagen Sie aber die Bezeichnung des zitierten Paragraphen, und die ist hier wichtig:

 

§ 136
[Erste Vernehmung]

2

Frank3 schrieb:
hier unterschlagen Sie aber die Bezeichnung des zitierten Paragraphen, und die ist hier wichtig:
Nein, ist sie nicht.

Diese Bezeichnungen sind nämlich nicht Bestandteil des Gesetzestextes, sondern dienen rein der Orientierung. 

Hätte man mit sehr wenig Recherche auch selbst herausfinden können.

Profiler Horn spricht 2005  nicht vom Mord- sondern von Vermisstenfall Peggy K.

In dem Buch Elsner, Erich &  Steffen, Wiebke (2005)  Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern. München: Bayerisches Landeskriminalamt. [PDF], Kap 3, S. 60 führt Horn aus (fett-kursiv RS): "Die Berichterstattung durch die Medien wurde erheblich intensiviert, wie auch die Fälle in Bayern, so z. B. die Tötung von Carla S. in Wilhermsdorf, Vanessa G. in Gersthofen oder der Vermisstenfall Peggy K. in Lichtenberg zeigten."

Das ist insofern interessant als ja das Urteil 1 Jahr vorher einen Mordfall feststellte.

Ein Freudscher-Kripo?

 

@ R.Sponsel.
Mit dem Schlussfolgern aus Zitaten haben Sie es aber nicht so:

Aus dem vorsichtigen Textzitat: "Aus- und Fortbildungsangebote in Vernehmungstechniken (etwa in der Reid-Methode) für unbedingt nötig befunden" (Fettdruck von mir) machen Sie recht forsch ein "Ausbildung in der Reid Methode unbedingt für nötig befunden", und das steht weder ausdrücklich noch unterschwellig in der Studie.

Aber ich vergaß ganz, dass Sie der Experte für Suggestives sind.

 

Und den Satz "Wegen der juristischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ist ein einfaches, unkritisches Übernehmen dieser Technik problematisch und findet so auch nicht statt." sollte man eben auch genau lesen.

 

Die von Ihnen zitierte "Richtlinie" ist unter diesem von Ihnen genannten Titel"Polizeiliche Vernehmung in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" als Bekanntmachung des Innenministeriums  problemlos per google auffindbar auf gesetze-bayern.de, jedenfalls in der Fassung vom 12.1.2001. Laut juris ist sie (mindestens) bis 30.4.2014 gültig.  Sie enthält nicht sehr viel mehr Fleisch als das, was ohnehin in StPO und RiStBV steht, neben ein paar Verweisen auf Formulare.

Dass es eine geheime bzw. NfD-Neufassung vom 2.2.2014 geben sollte, können Sie oder Ihre seriöse Quelle irgendwie belegen?
 

4

Mitteilung eines Bayerischen Polizeipräsidiums vom 24.4.2014 "seriös"?

@nochsoeingast #15 25.04.2014

"Für die polizeiliche Praxis hat das Bayer. Staatsministerium des Innern, Bau und Verkehr die Richtlinie "Polizeiliche Vernehmung in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" verfasst und mit Stand 02.02.2014 aktualisiert erlassen. Die Richtlinie des BStMI fasst die Regelungen der StPO und RiStBV praxistauglich zusammen. Die Richtlinie ist "VS - nur für den Dienstgebrauch" eingestuft, so dass ich Ihnen die Richtlinie leider nicht übermitteln kann."

Ob das eine "seriöse Quelle" ist?

 

 

Zitieren, Schlussfolgern, deutsche Sprache, Alles in allem

@nochsoeingast #15: @ R.Sponsel. Mit dem Schlussfolgern aus Zitaten haben Sie es aber nicht so.

Beim Schlussfolgern sind wir noch gar nicht. Aber interessant, dass Sie das ziemlich einfache und klare Zitat  in seiner Bedeutung nicht erkennen können oder wollen. Da es so schön und klar ist, wiederhole ich es gerne noch einmal und erläutere es noch dazu:

Ausbildung in der Reid-Methode unbedingt für nötig befunden

S. 289 (fett RS): "Vor allem angesichts der schwierigen Beweislage, der damit verbundenen großen Bedeutung der Aussagen von Opfern und Tatverdächtigen und dem regelmäßigen psychischen Ausnahmezustand der Opfer hielten die befragten Beamten Aus- und Fortbildungsangebote in Vernehmungstechniken (etwa in der Reid-Vernehmungstechnik) für unbedingt nötig und derzeit für unzureichend."

Ich lese das so, dass mehreres ("etwa", ein Beispiel) unbedingt nötig ist, darunter oder dabei die Reid-Methode. Sie gehört nach der Formulierung also zu den unbedingt für nötig erachteten Fortbildungsangeboten dazu.

Alles in allem: Die bayerische Kripo-Führung und das Innenministerium haben in der Vernehmungsfrage grob versagt. Da waren und sind womöglich immer noch Dilettanden mit inkompetenten Beratern (z.B. Dr. L, Prof. Dr.K) am Werk. Und damit aus dem bayerischen Rechtsstaat ein besserer und wohlverstandener wird, muss aufgeräumt werden mit Murks und Pfusch. Das kann ein System natürlich kaum aus sich selbst heraus kaum leisten, hier ist Hilfe von außen notwendig. Kriminalisieren und psychiatrisieren von Kritikern hilft hier gar nicht, sondern macht alles nur noch schlimmer. 

Sehr geehrter Dr. Sponsel, Nochsoeingast,

 

Vom Original:

S. 289 (fett RS): "Vor allem angesichts der schwierigen Beweislage, der damit verbundenen großen Bedeutung der Aussagen von Opfern und Tatverdächtigen und dem regelmäßigen psychischen Ausnahmezustand der Opfer hielten die befragten Beamten Aus- und Fortbildungsangebote in Vernehmungstechniken (etwa in der Reid-Vernehmungstechnik) für unbedingt nötig und derzeit für unzureichend."

 

bis zu:

dass mehreres ("etwa", ein Beispiel) unbedingt nötig ist, darunter oder dabei die Reid-Methode. Sie gehört nach der Formulierung also zu den unbedingt für nötig erachteten Fortbildungsangeboten dazu.

 

ist es wahrlich ein weiter Weg. Da hat Nochsoeingast durchaus recht. Diese Auslegung ist falsch.

Vielmehr hielten befragte Beamte ein erweitertes Fortbildungsangebot in Vernehmungstechniken für wichtig, als Beispiel für eine solche Vernehmungstechnik ist Reid angeführt.

Das ist also erst mal ein Befragungsergebnis im Sinne einer Bedarfsanforderung und keine Vorschrift, wie die Interpretation glauben machen möchte.

 

Kann es sein, dass nun Alles immer in die Richtung interpretiert wird, die Willkür und Skandale bei der Justiz, den Behörden und beim Staat aufzeigen soll?

Wo bleibt da die Neutralität?

4

Alles-Immer-Neutralität

Frank3 schrieb:

Kann es sein, dass nun Alles immer in die Richtung interpretiert wird, die Willkür und Skandale bei der Justiz, den Behörden und beim Staat aufzeigen soll?

Wo bleibt da die Neutralität?

Ich denke, Ihre Formulierung beantwortet sich selbst.

@Frank3

 

Wie meinen Sie das? Gilt das bei weiteren Vernehmungen nicht? Oder meinen Sie, dass das nur für die erste richterliche Vernehmung gelte?

 

Das mit der "Ersten Vernehmung" kann allenfalls für Abs. 1 und 3 relevant sein, nicht dagegen für Abs. 2. Das dürfte doch klar sein. Deswegen verstehe ich Ihren Einwand nicht.

Sehr geehrte Kommentatoren,

einige Beiträge (beider Seiten!) wurden von der Redaktion gelöscht, da die Diskussion ins Persönliche abglitt. Der Beck-Blog ist ein Forum, in dem die sachliche Diskussion im Vordergrund stehen soll und ein freundlicher/respektvoller Umgangston herrschen soll. Die Moderationspraxis ist darum strenger als in anderen Foren. Sie können sich gern an anderer Stelle persönlich streiten. Das Internet ist groß. Bitte bleiben Sie hier beim Thema und sachlich.   Danke.

Henning Ernst Müller

Vernehmung und Aussagespsychologie bei der bayerischen Kriminalpolizei

Zusammenfassung - Abstract - Summary

     (1) Der Fall Ulvi Kulac zeigt in dramatischer Weise, wie es um die Vernehmungskompetenz der bayerischen Kripo bestellt war und möglicherweise auch noch ist. Das lässt sich erklären aus (2) und (3)

     (2) In dem Buch von Elsner & Steffen (2005) schreibt Elsner im Kapitel 6 unter dem Punkt 6.9.3.4 einen "Exkurs zur Psychologie der Aussage". Aus diesem Exkurs lässt sich das Verständnis der bayerischen Kripo entnehmen, nämlich:

  • Es fehlt in der Darstellung die Aussageentstehung und die Aussageentwicklung und ihre wichtige Bedeutung. Obwohl das BGH-Urteil zitiert wird, fehlt der wichtige BGH Abschnitt zur großen Bedeutung der Aussagegenese. Daraus ziehe ich den Schluss, dass diese Bedeutung von der bayerischen Kripo verkannt wird.
  • Die Reid-Methode, die ja nun das genaue Gegenteil von einer wissenschaftlich begründeten aussagepsychologisch orientierten Vernehmung ist, wird im Exkurs Abschnitt 6.9.3.4 platziert, so dass der lernende und sich fortbildende Polizeibeamte den Eindruck gewinnen muss, diese hochgradig dubiose Praktik gehöre zur Aussagepsychologie. Daraus ziehe ich den Schluss, dass die bayerische Kripo die Aussagepsychologie nicht richtig verstanden hat oder nicht verstehen will.
  • In der Literaturliste fehlen wichtige Standardwerke zur Vernehmung, so z.B. Arntzen          Vernehmungspsychologie, Bender & Nack Vernehmungslehre. Hingegen werden fünf Werke von Luise Greuel genannt, die sich mehrfach zur Aussageentstehung und Aussageentwicklung äußert, z.B. in ihrem Werk aus 2001 Wirklichkeit - Erinnerung - Aussage. Daraus ziehe ich den Schluss, dass die bayerische Kripo in Sachen Vernehmung, eigene, ungewöhnliche, wissenschaftlich und rechtlich fragwürdige Wege geht und gehen möchte.

     (3) Keiner der 28 Bände (Abruf 27.4.14) "Wissenschaftliche Forschungsprojekte der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei" ist dem Thema "Vernehmung" oder "Aussagepsychologie" gewidmet."

            Mehr mit Belegen:

http://www.sgipt.org/forpsy/Vernehmung/VernBay.htm

@R. Sponsel. 

Sie machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt (bzw biegen sie so zurecht, dass Sie Ihre Hypothesen vermeintlich verifiziert oder Sie gänzlich neue steile Thesen ventilieren können). Die Studie,auf die Sie verweisen, befasst sich im Schwerpunkt überhaupt nicht mit Vernehmungslehre oder Aussagepsychologie. Zum genauen Gegenstand sollte man S. 11: Auftrag  lesen. 

Die Schlussfolgerungen, die Sie ziehen, sind abwegig.

1. Weil in einer Studie, die sich  mit dem Thema Anzeigen von Sexualdelikten und ihre Konsequenzen befasst (und die explizit keine Studie zu Vernehmungstechnik und Aussageanalyse ist!,) , ein kleiner fünfseitiger Exkurs zur Aussagepsychologie enthalten ist, der sich nicht ausführlich dem Thema der Aussagegenese widmet oder eine BGH_Entscheidung umfassend analysiert  ist /war also "die bayerische Kriminalpolizei" ganz generell völlig falsch ausgebildet? 

Was an dem Satz aus der Studie: "Im Folgenden sollen deshalb in einem kurzen Überblick einige wichtige Punkte zum aktuellen Stand der Aussagepsychologie und den Anforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten aus dem Urteil des BGH zusammengefasst werden"  so schwer zu verstehen?

2. Weil zwei Bücher zur Thematik Aussagepsychologie /Vernehmung nicht im  insgesamt kurzen Literaturverzeichnis (einer im Wesentlichen empirischen Studie!) enthalten sind, geht man bei der "bayerischen Kripo" eigene Wege ?????!!!!????  Geht's noch?

Was konkret haben Sie an Frau Greuel zu  bemängeln oder daran, dass Bender/Nack fehlen (huch: übrigens der Nack,der dem schrecklichen 1. Strafsenat vorsaß, welcher sowohl die Revision gegen das Mollath-Urteil als auch das Kulac- und das 1.Wörz-Urteil verwarf und den ersten Freispruch Wörz aufhob? !)  ? Arntzen selbst ist nicht im Literaturverzeichnis, aber wenn man etwas weitersucht findet man z.B. Michaelis-Arntzen.

 

Die diversen Motive (Thema: Aussagemotivation, Aussagegenese) für Falschbelastungen finden sie konkret auf das Thema der Studie bezogen unter 6.5 auf über 20 Seiten dargestellt.

4

In 33 Jahren 5 Seiten zur Vernehmung- und Aussagepsychologie  - Eine beachtliche Leistung der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei?

@nochsoeingast #27

Entscheidend in der Darstellung ist, was erwähnt und was nicht erwähnt wird. Die Aussageentstehung und die Aussageentwicklung werden jedenfalls nicht erwähnt, dafür wird völlig falsch, ja geradezu manipulativ die Reid-Methode mehrfach erwähnt, die da überhaupt nichts verloren hat.

     Es geht auch gar nicht darum, die BGH Entscheidung "umfassend" zu analysieren. Es geht darum, Wesentliches zu erfassen. Und das ist, wie kritisiert, ganz offensichtlich nicht der Fall.

     Gegen Luise Greuel habe ich gar nichts gesagt. Sie haben den Text nicht verstanden. Bei den Belegen ist sie ja extra erwähnt, damit nicht der Eindruck entsteht, Luise Greuel  könnte etwas mit dieser unsäglichen aussagepsychologischen Darstellung zu tun haben. Ich zitierte aus Greuel (2001), S. 285 (RS fett-kursiv): "Rekonstruktion von Aussagegenese und -entwicklung

Spielt im spezifischen Explorationskontext die Zuverlässigkeit und damit der Aspekt der Veridikalität der Aussage eine Rolle - und dies ist bei aussagepsychologischen Begutachtungen regelmäßig der Fall - sind zusätzlich die internen und externen Rahmenbedingungen der Aussageentstehung und -entwicklung im Hinblick auf etwaige Suggestionseinflüsse möglichst genau zu rekonstruieren. ..." Und es wird auch noch auf eine andere Arbeit von Luise Greuel verwiesen: http://www.sgipt.org/forpsy/sugg/sfragen.htm#Problemkennzeichen%20nach%2...

     Den Unterschied zwischen Motivanalyse, Aussageentstehung und Aussageentwicklung kennen Sie also auch nicht. Und Sie belegen Ihre Behauptungen nicht (Seite, Zitat), was ich verstehe, weil ja nichts dort steht.   

    Aber sehr schön, dass Sie auf mehrfaches Versagen Nacks als Vorsitzender des ersten Strafsenats des BGH hinweisen, das passt sehr gut zu Bayern. Aber was hat das mit dem Werk "Vernehmungslehre von Bender & Nack zu tun? Und wo haben Sie denn gelernt, dass "Michaelis-Arntzen" die Vernehmungspsychologie von Friedrich Arntzen gleichwertig ist? Die kriminologische Forschungsgruppe weist den ersten der 28 Bände für 1980 aus. Die 1. Auflage von  Friedrich Arntznens Vernehmungspsychologie erschien bei Beck 1978. Da hatte die Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei - bis 2005 - also 27 Jahre Zeit, die 82 Seiten zu lesen und zu würdigen.

   Fazit: Die bayerische Kriminalpolizei ist mit ihrem Vernehmungkonzept und aussagepsychologischen Verständnis auf dem völlig falschen Dampfer, wenigstens seit der Hoffähigkeit der "Reid-Methode" durch Beckstein. Und so richtig öffentlich wurde dies - durch das Verdienst von Jung & Lemmer - mit dem Fall Peggy/ Ulvi Kulac.  Es wäre nicht schlecht, wenn das Innnenministerium oder die Bayerische Kriminalpolizei die ganze unsägliche Geschichte aufdecken würde. 

@R. Sponsel:

Wieder mal eine wunderbare Überschrift zu Ihrem Beitrag, die Ihre für einen Wissenschaftler bemerkenswerten Pauschalurteile und hanebüchenen Schlussfolgerungen aus beliebig interpretierten Fundstücken belegt:

"In 33 Jahren 5 Seiten zur Vernehmung- und Aussagepsychologie - Eine beachtliche Leistung der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei?"

Ach so.  Schon mal

- die Definition von KRIMINOLOGIE gelesen? Im Gegensatz zu KRIMINALISTIK (oh, das haben sie ja oben schon mal verwechselt, ich vergaß) ?

- geprüft, ob es Kriminologische Forschungsgruppen oder Institute gibt, die sich in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene mit Aussageanalyse und Vernehmungslehre befasst haben?

- nachgeforscht, was die Aufgabe der KFG ist ?

- darüber nachgedacht, weshalb ausgerechnet die KFG außerhalb ihres Aufgabengebietes ein Feld zusätzlich beackern sollte, auf dem sich Aussagepsychologen seit Jahrzehnten tummeln und Standardwerke vorliegen (Stichwort: Rad neu erfinden?)

 

Wie soll man es den anders verstehen als dass Sie mit Greuels Konzepten nicht so ganz konform gehen, wenn  Sie unter Punkt 2 einerseits das Fehlen von Bender/Nack und Arnzten kritisieren, andererseits die   5fache Zitierung Greuels hervorheben und anschließend konkret in Bezug auf diese Literaturliste formulieren "Daraus ziehe ich den Schluss, dass die bayerische Kripo in Sachen Vernehmung, eigene, ungewöhnliche, wissenschaftlich und rechtlich fragwürdige Wege geht und gehen möchte." Was genau ist denn das "daraus", aus dem Sie Ihren Schluss ziehen? Und welches sind die sich aus der Literaturliste ergebenden ungewöhnlichen Wege, die "die bayerische Kripo" geht? Sind die Kriterien für die Aussagebeurteilung, die Greuel in den 5 Werken aufstelle, wesentlich andere als die bei Bender/Nack und Arntzen?

 

Nochmals:
Weil die KFG zwei Werke  im Literaturverzeichnis nicht erwähnt, lautet Ihre Schlussfolgerung: niemand bei der bayrischen Polizei, jedenfalls aber nicht die KFG kennt diese Werke und es wurden/werden die darin enthaltenen (und vermutlich auch noch in diversen weiteren Fachbüchern, zB. Hermanutz/Litzcke enthaltenen) Erkenntnisse  nirgendwo bei der Vernehmungsausbildung und -praxis berücksichtigt?

Und warum genau, Herr Sponsel, hätte denn irgendjemand im Rahmen einer empirischen Studie mit einem Kurzexkurs diese Werke  "würdigen" müssen?

 

Welches ist denn das "Vernehmungskonzept" und "Verständnis" der Bay. Polizei (ich dachte, es sei geheim/NfD????), mit dem man auf dem falschen Dampfer ist? Können Sie einfach mal konkrete Belege dafür liefern, welche "Konzepte" in Bayern gelten/gelehrt werden/eingeführt sind und worin konkret die Fehler liegen?

 

"Den Unterschied zwischen Motivanalyse, Aussageentstehung und Aussageentwicklung kennen Sie also auch nicht." schließen Sie jetzt aus welchem meiner Beiträge?

Dass Michaelis-Arntzen "gleichwertig" (wie bemessen Sie die Werthaltigkeit von Büchern?) sei mit Arntzen habe ich wo genau behauptet ? (dass Frau M-A im Buch von Arntzen auch ein paar Seiten verfasst hat, haben Sie sicher bemerkt?)

Wo hat Nack aus welchen Ihnen als Revisionsrechtsexperten  bekannten Gründen "versagt"? Und wieso passt "das sehr gut zu Bayern"?

5

Wissenschaftliche Forschungsprojekte der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei - Was folgt aus dem Desaster?

@nochsoeingast #29

Sehen Sie mal nach, wie sich die Forschungsgruppe selber nennt:

https://www.polizei.bayern.de/kriminalitaet/studien/index.html/437

Vielleicht sollten Sie der Kriminologischen Forschungsgruppe mitteilen, dass sie Ihrer Meinung nach einen falschen Namen führt und sich in Kriminalistische Forschungsgruppe unter Berufung aus "nochsoeingast" umbenennen sollte. Das wird die sicher sehr beeindrucken.

"In 33 Jahren 5 Seiten zur Vernehmung- und Aussagepsychologie - Eine beachtliche Leistung der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei?"

Das Vernehmungslehre-Vakuum in Bayern mit Inhalt zu füllen sollten Sie als Ihre Aufgabe annehmen, wenn Sie meinen, da sei mehr als das zitierte Unsägliche.

Ich erkläre die Schlussfolgerung aber sehr gerne noch einmal:

1)  Vernehmungsklassiker wurden nicht erwähnt bei einem Thema, wo Aussage und Vernehmung alles sind. 

2)  Die Bedeutung der Aussageentstehung und Aussageentwicklung, wie sie der BGH herausstellte, wurde weggelassen.

3)  Stattdessen wurde falsch-manipulativ die Reid-Methode mehrfach eingebracht, obwohl sie da überhaupt nicht hingehört (warum wohl?).

4) Obwohl Greuel, die es weiß und in ihren Schriften auch publiziert, im Literaturverzeichnis 5mal zitiert wurde, wurde sie gerade im aussagepsychologischen Exkurs nicht zum Thema Aussageentstehung und Aussageentwicklung erwähnt.

5)  Explizite Veröffentlichungen der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei zum Thema fehlen (wohlweislich?).

6) Stellt man 1) bis 5) in Beziehung, zu dem, was sich die bayerische Kripo - neben Staatsanwaltschaft, Gericht und forensischer Psychiatrie - bei der Mordverurteilung Ulvi Kulacs geleistet hat, ergibt sich: "Daraus ziehe ich den Schluss, dass die bayerische Kripo in Sachen Vernehmung, eigene, ungewöhnliche, wissenschaftlich und rechtlich fragwürdige Wege geht und gehen möchte."

Was Nack betrifft, sollten Sie sich selber lesen: "...  (huch: übrigens der Nack, der dem schrecklichen 1. Strafsenat vorsaß, welcher sowohl die Revision gegen das Mollath-Urteil als auch das Kulac- und das 1.Wörz-Urteil verwarf und den ersten Freispruch Wörz aufhob? !) " Ich sehe da nach wie vor keinerlei Zusammenhang zur von Bender & Nack erstmals bei Beck 1981 veröffentlichten Vernehmungslehre

Letztendlich: Versagen auf allen Ebenen (Politik, Justiz, Polizei, Forensische Psychiatrie) passt sehr gut zu Bayern wegen der Fälle Rupp, Mollath, Kulac, des Polizeiskandals von Rosenheim*, der Gewalt- und Fixierungspraxis im Maßregelvollzug, Beispiel Taufkirchen, dem Murks- und Pfusch der Unterbringungspsychiatrie - , um nur mal die aktuelle Spitze des Eisbergs zu nennen. Inzwischen können wir hinzurechnen: einerseits das Vakuum in der Vernehmungslehre unter Berücksichtigung der Aussagepsychologie der Bayerischen Kripo und andererseits die Praxis der Reid-Methode, sehr gut recherchiert von Jung & Lemmer.

*

http://www.sueddeutsche.de/bayern/prozess-gegen-ex-polizeichef-belastend...

http://www.sueddeutsche.de/bayern/amtsgericht-rosenheim-eine-familie-auf...

http://www.sueddeutsche.de/bayern/polizeigewalt-bei-einsaetzen-platzwund...

Vorschau BR 5.5.14, 20.15: Prügel im Dienst: Hat die bayerische Polizei ein Gewaltproblem?
http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/programmkalender/sendun...

http://www.tvo.de/peggy2014/

Newsblog mit tagesaktuellen Interviews zum Prozess u.a. mit dem Verteidiger und Gisela Friedrichsen.

Gutachter belastet Ulvi Kulac:

Hans-Ludwig Kröber kündigt eine etwa 50-minütige Aussage an. Er hält Ulvi Kulac für aussagetüchtig. Sein IQ dürfte Kröber zufolge zwischen 60 und 70 liegen.

Laut Kröber besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Kulacs Geständnis erlebnisbegründet war. Begründung: Kulac schilderte, Peggy sei auf einen Stein gestürzt und habe sich ein blutiges Knie zugezogen. Diese Szene kommt in Vernehmungen mehrmals zur Sprache, aufgebracht habe sie Kulac.

Es sei nicht von vornherein unmöglich oder undenkbar, dass Kulac reale Erlebnisse in sein Geständnis integriert, auch wenn diese zu anderen Zeiten stattgefunden haben, schlussfolgert Kröber.

Beim Widerruf des Geständnisses habe Kulac auch verneint, Peggy gefesselt und geknebelt zu haben. Das war ihm aber von den Polizisten gar nicht vorgehalten worden. Darauf angesprochen, habe Kulac geschwiegen. Kröbers Fazit: Zwar sei es denkbar, dass das Geständnis falsch war, dafür sprächen auch einige schwache Umstände. Im Gesamtzusammenhang fänden sich aber Argumente, die für einen realen Erlebnishintergrund sprächen.

Für die Verteidigung ist das ein Rückschlag. Sie wird nun erneut versuchen, Zweifel zu säen. Die Befragung Kröbers soll um 16.30 Uhr fortgesetzt werden.

von Martin Haehnlein (BR)   http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/mordfall-peggy-fuenfter-prozess...
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Möglicherweise erklärt sich das Missverständnis schon damit, dass Erlebnisbasierung fälschlich mit Glaubhaftigkeit des Geständnisses gleichgesetzt wurde. Schon ein anderer Zeuge hat (soweit ich mich erinnere) ausgesagt, dass Ulvi K. den Vorfall mit einem Sturz Peggys und ihrem blutigen Knie schon in anderem Zusammenhang geschildert hatte. Eine Verknüpfung verschiedener erlebnisbasierter Mosaikstücke zu einem "glaubhaften", da detailliertem Geständnis, ist nicht so ungewöhnlich. Insbesondere dann nicht, wenn hier der Geständige den Vernehmungsbeamten "gefällig" sein wollte.

Es sei nicht von vornherein unmöglich oder undenkbar, dass Kulac reale Erlebnisse in sein Geständnis integriert, auch wenn diese zu anderen Zeiten stattgefunden haben, schlussfolgert Kröber.

Ja, genau so ist es. Deshalb war es ja so wichtig/wäre es so wichtig gewesen, die Aussageentstehung (und damit auch  die Herkunft möglicher Einzelteile des Geständnisses) genau zu dokumentieren, um einem (in diesem Fall selbsternannten) Experten nicht den falschen Eindruck zu geben, die Detaillierung spreche für die Wahrheit.

Für die Verteidigung ist das ein Rückschlag.

Das denke ich nicht. Es war ja längst bekannt, dass Herr Prof.  Kröber auf seiner Einschätzung beharrt.

 

Aus dem Bericht der SZ:

"Es kann sein, dass er den Sturz Peggys früher wirklich erlebt und ihn später in sein Geständnis integriert hat", sagte Kröber. In den Tagen vor dem Geständnis habe die Polizei, teilweise unter Beihilfe des Anwalts, den Vernehmungsdruck auf Ulvi Kulac deutlich erhöht. Sie habe ihn mit - tatsächlich nicht vorhandenen - Blutflecken auf seiner Kleidung konfrontiert, sie habe versichert, auch bei einem Geständnis habe er keine Gefängnisstrafe zu befürchten, und sie habe darauf beharrt, dass sie seine Darstellung nicht glaube.

Zwar sei es nach wie vor wahrscheinlich und plausibel, dass das Geständnis auf wirklichem Erleben beruhe, aber es sei eine "nicht ausschließbare Denkmöglichkeit", dass Ulvi Kulac unter dem Druck der wiederholten Befragungen "ein plastisches Bild von einer erfundenen Situation" entworfen und folglich ein "falsches, wenn auch plausibles Geständnis" abgelegt habe.

Das entspricht weitgehend meiner Einschätzung, aber es ist deutlich mehr als nur "nicht ausschließbar", dass es ein falsches Geständnis gewesen  ist.

Erlebnisbasiert....naja, Definitionssache.

Wenn ich etwas mit freundlichen "Erinnerungshilfen" der Ermittler erzählen und mehrfach nachspielen muß, hab ich das auch durch die Videos "erlebt".

Diese Erinnerungen sind näher als ein Tag im Jahr vorher.

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Zu der Kritik an dem Urteil gehörte auch die damalige Expertise des Psychiaters Kröber. Dass er jetzt bereit war, sie zu modifizieren, verdient hohe Anerkennung: Nicht jeden Tag ist so etwas vor Gericht zu erleben. Kröber ist auf seinem Fachgebiet ein hochangesehener Sachverständiger, seine Gutachten zur Schuldfähigkeit und zur Prognose der Gefährlichkeit von Angeklagten sind meist unangefochten. Aber auf dem Gebiet der Aussagepsychologie zählt er nicht zu den Experten. Das sind Rechtspsychologen wie Kröbers Professoren-Kollegen Max Steller und Renate Volbert oder der Kieler Günter Köhnken. Sie haben mit ihrer Forschung zur Entstehung von Aussagen und auch zum Phänomen falscher Geständnisse in vielen Fällen der Justiz wertvolle Hilfestellung geleistet. Warum die Hofer Staatsanwaltschaft damals ausgerechnet einen Psychiater zur Prüfung der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses heranzog, bleibt wohl für immer deren Geheimnis.

 

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-peggy-gutachter-haelt-falsche...

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Gast schrieb:

Warum die Hofer Staatsanwaltschaft damals ausgerechnet einen Psychiater zur Prüfung der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses heranzog, bleibt wohl für immer deren Geheimnis.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-peggy-gutachter-haelt-falsche...

Frau Friedrichsen kann geholfen werden:

Es gebe, sagte die Psychiaterin Hanna Ziegert, die seit dreißig Jahren als Gutachterin arbeitet, in Deutschland eine überschaubare Szene an Experten, die von den Staatsanwaltschaften immer wieder eingesetzt würden und aufgrund ihrer bisherigen Arbeit so gut einschätzbar seien, dass man bei im Grunde schon vorher ahnen könne, was bei einer Expertise von ihnen herauskomme.

Anders gesagt: Die Gutachter würden nach dem gewünschten Ergebnis beauftragt und lieferten dieses in der Regel dann auch.
„In der Szene ist das jedem bekannt“, sagte Hanna Ziegert, „aber die Öffentlichkeit weiß das nicht.“

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/faz-net-fernsehkr...

Gerade in Hof ist es schwer den Überblick zu behalten, ob jemand gerade Richter oder Staatsanwalt ist - siehe Heinz-Bernd Wabnitz: erst Staatsanwaltschaft Hof, dann Richter am Landgericht Hof, 1996-2002 Leiter der Staatsanwaltschaft Hof und Ernst Tschanett: erst Richter am Landgericht Hof, 1992-1994 Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Hof, 1994-1996 Oberstaatsanwalt in Bamberg, 1996-1999 stellvertretender Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Hof, 1999-2002 Leitender Oberstaatsanwalt in Bayreuth, 2002-2005 Leiter der Staatsanwaltschaft Hof, 2005-2009 Präsident des Landgerichts Hof.

Wie war das gleich noch mit der Unabhängigkeit der Richter?

Paukenschlag am sechsten Verhandlungstag. Gericht will Beweisaufnahme schließen

http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/MKEAKr%C3%B6b.htm#Neues%20zum%20Fall%2...

Ich nehme an, der Freispruch ist in Kürze zu erwarten - nichts erst am 2.Juni.

Zum neuen Gutachten Kröber ein kritischer Kurz-Kommentar:

http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/MKEAKr%C3%B6b.htm#Kurz-Kommentar:%20Ne...

@Gast: Die Entscheidung der StA Hof ist gar nicht so geheimnisvoll. Denn nach der  Rechtsprechung des BGH ist ein psychiatrischer Sachverständiger bei der Glaubhaftigkeitsbegutachtung jedenfalls hinzuzuziehen, wenn der Zeuge/Angeklagte entsprechende Defizite hat, die ein Psychologe alleine nicht beurteilen kann  (z.B. BGH 1 StR 5/02 mit Hinweisen auf ältere Rechtsprechung).

Ob es dann  in solchen Fällen genügt, ausschließlich einen Psychiater zu beauftragen auch zum Thema  Glaubhaftigkeitsbegutachtung, geht aus der Entscheidung nicht so ganz hervor. Da das Thema bei K. soweit ich es mitbekommen habe sehr fokussiert war auf die Fragen der Suggestibilität und der  Konfabulation , dürfte die  psychiatrische Komponente bei der Begutachtung zumindest groß gewesen sein.

3

Der Münchner Psychiater Prof. Norbert Nedopil sagt aus. Er hat Kulac untersucht und soll seine Fantasiebegabung beurteilen.

Kulacs Intelligenz liegt Neopil zufolge im sehr problematischen IQ-Bereich zwischen 60 und 70. Solche Personen wüssten durchaus, dass man bestimmte Dinge nicht tun dürfe.

Bei einem Test zeigte sich, dass Kulac in einem vorgelegten Farbklecks alle möglichen Tiere erkannte und trotz seiner offensichtlichen Unwissenheit immer weiter machte, offenbar in der Hoffnung, irgendwann richtig zu "raten".

Bei vorgelegten Bildern sollte Kulac berichten, was ihm dazu einfällt. Erstaunlicherweise habe er ganz plausibel klingende Geschichten erzählt, die er auch am nächsten Tag wiederholte. Zwar hätten die Erzählungen nicht den Kern der Sache betroffen, aber Kulac habe diese unbefangen und bedenkenlos vorgetragen.

Nedopils Fazit: Kulac sei fantasiebegabt und könne Dinge auf den ersten Blick glaubhaft darlegen. Darüber hinaus sei er lernfähig. Auf Unstimmigkeiten in seinen Erzählungen angesprochen, habe er die Gutachter angestrahlt und zugegeben, dass er die Antwort eigentlich gar nicht wisse.

 

http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/mordfall-peggy-fuenfter-prozess...

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Beweisaufnahme abgeschlossen - Plädoyers am 13. Mai, Urteil am 14. Mai (BR)

Was bleibt? Solange Peggy nicht wieder auftaucht, kann eine zweifelsfreie Aufklärung nicht erfolgen, das war bereits vor Beginn der neuen Hauptverhandlung klar. Zu viele Gerüchte sind im Umlauf, zu viele Verdächtige haben kein plausibles Alibi, aber durchaus ein theoretisches Motiv, die neunjährige Peggy getötet zu haben. Im neuerlichen Strafverfahren ging es aber allein um die Frage, ob Ulvi Kulac Peggy getötet hat.

Für Kulac ändert sich unmittelbar nur wenig. Er bleibt in der Psychiatrie untergebracht, wenngleich der Mordvorwurf nun vom Tisch ist. Für ihn und seine Unterstützer bleibt die Hoffnung, dass sich seine Entlassung nicht noch Jahrelang hinauszögert. Die Zweifel aber werden bleiben.

@Mein Name: Das mit dem Stellenwechsel ist keine Besonderheit in Hof, sondern in allen Bundesländern anzutreffen, in denen die Laufbahnen durchlässig sind (google: Laufbahnwechsel) , also ein Wechsel von Gericht zur StA und/oder umgekehrt möglich ist. Man fängt entweder als Proberichter an und wechselt innerhalb der Probezeit zur StA oder aber fängt  bei der StA an und wird dann irgendwann Richter, in manchen Ländern werden Richter auch zu einem Pflichtjahr StA geschickt (z.B. Berlin, siehe: "Mein Jahr als Staatsanwalt" von  Pragst).

Wer einmal nach der Probezeit Richter auf Lebenszeit ist, kann jedenfalls nicht gegen seinen Willen wieder zur StA versetzt werden.

 

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@ nochsoeingast: mit ist bekannt, dass solche Karrieren gerade in Bayern die Regel sind, aber ein derart ortsgebundenes "Schmoren im eigenen Saft" ist selbst für den Freistaat auffällig.

Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass in letzter Zeit besonders die bayrische Justiz Schlagzeilen außerhalb der juristischen Fachpresse gemacht hat?

Dass Richter Einblick in die Arbeitsweise prozessbeteiligter Parteien bekommen, ist zu begrüßen (wie überhaupt mehr Erfahrung in Lebensbereichen außerhalb des Justizbetriebs sehr wünschenswert wären). Aber warum nur die Staatsanwaltschaft und nicht zum Beispiel ein Pflichtjahr als Pflichtverteidiger? So bleibt es bei der Einseitigkeit der Perspektive.

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