"sinnlos“ und „hässlich“

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.04.2014
Rechtsgebiete: OLG HammVollrauschStrafrechtVerkehrsrecht2|2781 Aufrufe

...so war die Tat. Man darf das aber nicht strafschärfend einstellen. Vor allem hat das OLG Hamm festgestellt, dass jede Straftat hässlich ist. Ansonsten ist nachstehende Entscheidung vor allem interessant, weil sie zum Vollrausch nach § 323a StGB Stellung nimmt. Hier nur die ersten drei Leitsätze der Entscheidung - den zusätzlichen Leitsatz 1a habe ich einmal aus den Gründen der Entscheidung herausgefiltert. Er ist nicht amtlich.

1. Bei der Strafzumessung im Rahmen der Aburteilung einer Tat nach § 323a StGB dürfen die Motive und die Gesinnung des Täters, die zu der im Rausch begangenen Tat geführt haben, bei der Strafzumessung nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden, sondern lediglich tatbezogene Merkmale. Die strafschärfende Wertung, die Vollrauschtat sei „sinnlos“ und „hässlich“ gewesen, verstößt gegen diesen Grundsatz, da sie sich auf die Gesinnung des Täters beziehen.

1a. „hässlich“ ist an sich schon jedes zu einer Bestrafung führende Verhalten.

2. Das Verschulden Täters muss sich bei einer Straftat nach § 323a StGB nicht auf die Rauschtat beziehen.

3. Der Täter einer Straftat nach § 323a StGB handelt fahrlässig, wenn er die Folgen des Rauschmittels hätte erkennen können und müssen. Dazu sind grds. Feststellungen dazu, welche Vorstellung der Angeklagte über die Auswirkungen seines Alkoholkonsums hatte, als er sich betrank, als auch dazu, dass er vorhersehen konnte, dass er in einen alkoholbedingten Rausch geraten würde, erforderlich.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss v. 18.02.2014 - 1 RVs 12/14

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2 Kommentare

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Diese Entscheidung überzeugt nicht. Eines ihrer Probleme wird allerdings im einleitenden Satz von Herrn Beck-Blog-Experten und Richter am Amtsgericht Krumm entschärft, weil er nämlich schreibt: "Sinnlos und hässlich war die Tat". Das OLG meint ja gerade, die Vorsinstanz habe zwar über die "Tat" geschrieben, in Wahrheit aber den Täter gemeint.

 

Dass sich die Bezeichnung der Tat als "hässlich" in Wahrheit nicht auf die Tat, sondern auf die Gesinnung des Täters beziehe, bleibt beim OLG Hamm ohne richtige Begründung. Hier war ein Kindernotfallkoffer aus einem Rettungswagen entwendet worden. Wenn diese Tat nicht "hässlich" ist, welche Tat dann? Dass sie damit im bloß äußeren Gewande einer Tatbeschreibung die Gesinnung des Täters gemeint habe, liest das OLG in die Entscheidung der Vorinstanz hinein.  - Hilfweise wird noch mit § 46 Abs. 3 StGB argumentiert. Das hat nichts mehr mit der Gesinnung zu tun, überzeugt aber auch nicht. Natürlich ist jede Straftat "hässlich", aber so hat es die Vorinstanz nicht gemeint. Ob jemand einen Kindernotfallkoffer stiehlt oder ein Päckchen Kaugummi, ist objektivierbar. Ersteres bei einenm Diebstahl im Rahmen der Strafzumessung für "hässlich" zu halten, unterfällt m. E. nicht dem "Verbot" des § 46 Abs. 3 StGB.

 

Die Beschreibung der Tat durch die Vorinstanz als "sinnlos", wird durch folgenden komplizierten Gedankengang des OLG Hamm zu einer Beschreibung der Gesinnung des Täters gemacht: Zwar habe die Vorinstanz die Tat (Entwendung des Kindernotfallkoffers) als "sinnlos" bezeichnet, aber, meint das OLG Hamm, sagen habe die Vorinstanz etwas anderes wollen: "Mit der Formulierung im Urteil wird mithin ein Verhalten umschrieben, das die Schädigung Dritter aus bloßem Mutwillen umschreibt." Das stimmt nicht. Zum angeblichen Mutwillen des Täters hat sich die Vorinstanz gar nicht geäußert. "Sinnlos" kann eine Tat gerade aus objektiven Gründen sein. Wird ein Passant von einem Straßenräuber getötet, der in der Geldbörse des Opfers nur 40 Cent findet, mag man es für feuilletonistisch und für wenig juristisch halten, wenn eine solche Tat "sinnlos" genannt wird. Wäre sie denn bei 400 Euro "sinnvoll"? Mit dem Mutwillen hat das jedenfalls nichts zu tun.

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