Basiswissen StPO: Befangenheit des Richters bei außerdienstlich geäußerten Rechtsansichten

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.05.2014
Rechtsgebiete: BGHAblehnung wegen BefangenheitVerkehrsrecht3|6784 Aufrufe

Mal wieder etwas aus der losen Reihe "Basiswissen". Der BGH hat hierzu oft schöne Einschübe in seinen Beschlüssen/Urteilen, wie sicher die meisten BlogleserInnen wissen. Heute mal etwas zur Befangenheit:

Die Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Be-teiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Die Äußerung von Rechtsansich-ten durch einen Richter - etwa in einem Fachkommentar, einem wissenschaftlichen Vortrag oder einer gutachterlichen Äußerung - vermag regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen; denn von einem Richter wird von jeher zu Recht erwartet, dass er auch dann unvoreingenommen an die Be-urteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage ein Urteil gebildet hat (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602, 974/83, BVerfGE 78, 331, 337 f.; vom 5. April 1990 - 2 BvR 413/88, BVerfGE 82, 30, 38; BSG, Beschluss vom 1. März 1993 - 12 RK 45/92, NJW 1993, 2261, 2262). Anderes gilt aber u.a. dann, wenn die Äußerung des Richters bei verständiger Würdigung die An-nahme nahe legt, der Richter sei in dieser Frage bereits endgültig festgelegt (allg. Auffassung; vgl. etwa KK-Scheuten, 7. Aufl., § 24 Rn. 17), ohne dass es darauf ankommt, ob die Rechtsansicht des Richters sich im Ergebnis zu Guns-ten oder zu Lasten des Angeklagten auswirkt. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Form und Rahmen (Ort, Adressatenkreis) der jeweiligen Äußerung sowie dem sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem anhängigen Verfahren (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2011 - 2 BvR 1010/10, 1219/10, NJW 2011, 3637, 3639).

BGH, Beschluss  vom 4.2.2014 - 3 StR 243/13

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3 Kommentare

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Die Entscheidung verblüfft, weil sie das wesentliche Argument der Kommentierung von Scheuten im KK außen vorläßt und in der vagen Formulierung "Gesamtwürdigung" versteckt: Zusätzliche Voraussetzung nach KK-StPO ist, dass der Richter den "erstbesten" Fall nurmehr dazu heranzieht, um seine eigene Auffassung durchzusetzen, so dass eben der konkrete Fall nicht mehr entschieden, sondern allein instrumentalisiert wird. Soll jetzt ein Richter deswegen befangen sein, weil er eine Norm (z.B. § 265 StGB) entgegen der h.M für verfassungswidrig hält?! 

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