Klar - der BGH-Fahrradhelm muss auch hier laufen...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.06.2014
Rechtsgebiete: HelmpflichtFahrradfahrerVerkehrsrecht62|8892 Aufrufe

Die Entscheidung ist schon überall gelaufen, obwohl sie im Volltext noch gar nicht vorliegt. Der VI. Zivilsenat des BGH hat zur oft so genannten "Radhelmpflicht" entschieden: Wegen Nichttragens eines Fahrradhelms ist grds. kein Mitverschulden anzunehmen (BGH, Urteil  vom 17.6.2014 - VI ZR 281/13 -. Hier der Text der Pressemitteilung des BGH:

Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.

Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13

LG Flensburg – Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11

OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 7 U 11/12

Karlsruhe, den 17. Juni 2014

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62 Kommentare

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Service: die vorhergehenden Threads zum Thema sind hier (aktueller Fall) und hier (Rennrad) zu finden.

@ Carsten Krumm: wie sehen Sie das - ist das "allgemeine Verkehrsbewusstsein" und seine quantitative Betrachtung  (tatsächliche Helmtragequote) ein neues Element in der bisherigen BGH-Rechtsprechung über "erforderliche und zumutbare" Eigenschutzmaßnahmen? Im Rennrad-Fall hat sich das AG München ja bereits darauf berufen: "... und ob eine entsprechende allgemeine Überzeugung besteht (vgl. Oetker, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 254 Rdnr. 41)".

"Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen, ohne dadurch gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, zu verstoßen" (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – VII ZR 4/12 –, juris). Die Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, ist entscheidend.

Im Urteil des BGH vom 25. Januar 1983 – VI ZR 92/81 –, juris, spielte die Helmpflicht nur insofern eine Rolle, als sie zu einer Beweiserleichterung führte: "Konkret gefaßte Unfallverhütungsvorschriften und Schutzvorschriften der Art des StVO § 21 a Abs.2 S.1 sind Ausdruck einer Erfahrung über die Gefährlichkeit bestimmter Handlungsweisen und dem Nutzen der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahme aus Abwehr von Gefahren; die im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen die Schutzvorschrift erlittenen Unfallverletzungen weisen dann darauf hin, daß sich eben diejenige Gefahr verwirklicht hat, vor der geschützt werden sollte."

Letztlich bleibt die Frage, was vernünftigerweise und zumutbarerweise als Eigenschutz gefordert werden kann. Von Politikern und Fahrradsverbandsfunktionären, die eine Helmpflicht ablehnen, kann die Rechtsprechung nichts Gescheites erwarten. Dass etliche Mediziner nun öffentlich machen, welche schweren Schäden ohne Helm drohen, könnte allerdings dazu führen, dass Gerichte in Zukunft zur Erkenntnis kommen, dass man davor die Augen nicht verschließen darf. Und dann ist die Mithaftung da. Das OLG Schleswig war der Zeit nur etwas voraus...

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Wie bereits an anderer Stelle geschrieben:

Wie man am Beispiel der Skihelme gut sehen kann, kann sich das "allgemeine Verkehrsbewusstsein" durchaus in überschaubaren Zeiträumen wandeln. Aber nicht jede denkbare Schutzmaßnahme (Helm und HANS-Halsschutzsystem beim Autofahren, Rücken- und Beckenprotektor beim Motorrad- und Skifahren, Schutzbrille beim Squash usw. und nun eben auch Fahrradhelme) ist im allgemeinen Verkehrsbewusstsein breit genug verankert, um deren Nichtanwendung zu einer Vernachlässigung der Sorgfalt zu machen. Kennen Sie ein Urteil, nach dem ein Hobbyfußballer einen Teil der Behandlungskosten für seinen Unterschenkelbruch selbst zahlen musste, weil er keine Schienbeinschoner getragen hat? 

Den BGH-Tenor verstehe ich so, dass eben nicht "Experten", deren Unabhängigkeit aufgrund von Spenden und Förderung ihrer Institute und Organisationen durch Hersteller von Schutzkleidung und durch Versicherungen mit gutem Grund angezweifelt werden kann, entscheiden, was "ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt", sondern die Menschen selber. Wenn im alltäglichen Straßenverkehr nur jeder siebte, achte oder neunte (je nach Quelle) Radfahrer Helm trägt, wäre es etwas vermessen, der überwältigenden Mehrheit per Gerichtsbeschluss Unverstand zu bescheinigen. Bei sportlichen Radfahrern, die der BGH aus gutem Grund ausdrücklich ausgespart hat, sieht die Helmtragequote wieder ganz anders aus und da wäre m.E. auch ein anderes Urteil zu erwarten (wie bei Alpinskifahrern mMn ebenfalls).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH versteht § 254 BGB unter dem Begriff des Mitverschuldens nicht die vorwerfbare Verletzung einer Rechtspflicht, sondern die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. (vgl. z.B. BGH, NJW 2001,149)

In Übereinstimmung mit der Vorinstanz, dem OLG Schleswig, halte ich dies für den richtigen Maßstab bei der Anwendung des § 254 BGB und nicht das jetzt vom BGH herangezogene "allgemeine Verkehrsbewusstsein".

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@ #4 Thomas Wedel:

Die "allgemeine Überzeugung" (vom BGH konkretisiert als "allgemeines Verkehrsbewusstsein") ist ständige Leitlinie in vergleichbaren Urteilen:

OLG Düsseldorf, 12.02.2007 - I-1 U 182/06
OLG Düsseldorf, 18.06.2007 - I-1 U 278/06
OLG Saarbrücken, 09.10.2007 - 4 U 80/07 - 28
OLG Celle, 12.02.2014 – 14 U 113/13

(zuvor: OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129; OLG Stuttgart VRS 97, 15; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; Senat, Urteil vom 13. Januar 2003, Az.: 1 U 110/02)

Der BGH hat nun das OLG Schleswig daran erinnert, dass die "allgemeine Überzeugung" die Überzeugung der Allgemeinheit ist, die im Durchschnitt aus ordentlichen und verständigen Menschen besteht sowie dass anhand der Praxis dieser Allgemeinheit festzustellen ist, was die allgemeine Überzeugung ist und nicht durch die Überzeugung der Richter ersetzt werden kann. Mehr eigentlich nicht.

Es ist natürlich Ihr gutes Recht zu denken, OLG-Richtermeinungen seien der Maßstab für die Allgemeinheit, die in ihrer überwältigenden Mehrheit unordentlich und unverständig sei. Ich bin - wie der BGH - anderer Ansicht.

 

Ich selbst finde die Beurteilung anhand "repräsentativer Verkehrsbeobachtungen" oder einem "Verkehrsbewusstsein" auch eher komisch. Ich denke, dass im Volltext der Entscheidung dazu sicher näher etwas ausgeführt werden wird. Es wäre ja schon eigenartig, wenn man die Mitverschuldensfrage rein statistisch beurteilt. Ich glaub auch nicht ernsthaft, dass das am Ende die allein tragende Begründung des BGH sein wird. 

Der Fortschritt ist eine Schnecke.

Die Mithaftung wird davon abhängig gemacht, ob sich eine Erkenntnis durchsetzt. Nur demjenigen, der sich einer Erkenntnis widersetzt, der weiss, dass er schwere Schäden vermeiden kann, oder sich diesem Wissen entzieht, dem kann Mithaftung widerfahren, das ist wohl der Ansatz, den ich schon nachvollziehen kann.

"Mein Name" schreibt oben: "Wenn im alltäglichen Straßenverkehr nur jeder siebte, achte oder neunte (je nach Quelle) Radfahrer Helm trägt, wäre es etwas vermessen, der überwältigenden Mehrheit per Gerichtsbeschluss Unverstand zu bescheinigen."

Ich glaube nicht, dass diese Zahlen wichtig ist, aber bisher wird den anderen nicht klar vor Augen gehalten, dass sie schwere Schädigungen durch das Helmtragen vermeiden können. Wenn Mediziner und Medien dies in stärkerem Maße bewusst machen, werden Gerichte kaum mehr umhin können, eine Mithaftung zu bejahen, und zwar unabhängig davon, wie viele Menschen dann immer noch unverständig handeln.

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M.E. macht das Abstellen auf die Helmtragequote wenig Sinn. Da ist der BGH auf dem Holzweg (wenn auch mit einem zutreffenden Zwischenergebnis). Denn Die Tragequote sagt über den objektiven Nutzen des Fahrradhelms wenig aus. So waren Anfang 1637 in Niederlanden viele Menschen davon überzeugt, dass der Kauf von Tulpenzwiebeln sie unverschämt reich machen würden. Der Kater folgte im Frühjahr. Will sagen: nur weil viele Menschen glauben, dass Fahrradhelme wirksam sind, kann man daraus keinerlei Aussage über die Wirksamkeit von Fahrradhelmen ableiten. Eine hohe Helmtragquote wäre bestenfalls ein Indiz dafür. Denn die Investition in den Helm sollte sich lohnen - sonst macht es keiner. Nette Idee, nur leider nicht korrekt (s. Tulpenmanie).

 

Tatsächlich sind Helme aber bei höherer Geschwindigkeit und bei Erwachsenen, die den Kopf hoch tragen und dann tief fallen, wenig wirksam. Wenn der Unfall so schwer war, dass der Kopf Schutz gebraucht hätte, haben Fahrradhelme in der Regel versagt. Andererseits haben bei Unfällen zerborstene Helme tatsächlich nichts weiter bewirkt, als den  "geschützten" Kopf, der sonst nirgendwo angestoßen wäre, auf die Fahrbahn zu ziehen. Diese Unfälle waren so leicht, dass der kaputte Helm, der als Beweis der Wirksamkeit herumgereicht wird, eine falsche Fährte legt.

 

So langsam merken auch die Unfallärzte, die lange für eine Helmpflicht waren, diese Zusammenhänge.

 

Also entweder eine Motorradhelmpflicht für Radfahrer oder keine. Was wohl besser ist?

 

Am besten wären Verkehrsverhältnisse, die schwere Unfälle mit Radfahrerbeteiligung sehr unwahrscheinlich machen. Was dazu nötig ist (z.B. Radfahrstreifen innerorts, gepflegte und im Winter geräumte Radwege außerorts, Tempo 30 flächendeckend, keine Parkplätze neben Radverkehrsanlagen), ist bekannt. Die Umsetzung ist allerdings noch unwahrscheinlicher als ein rechtzeitiger Ersatz für die Rader Hochbrücke. So gibt es in Hamburg noch immer dutzende bis hunderte Kilometer Radweg (Breite 80 bis 100 cm) direkt neben ausgewiesenen Parkplätzen angelegt wurden, obwohl es dort jedes Jahr schwere Unfälle mit geöffneten Autotüren gibt, die auf diese Problematik aufmerksam machen sollten.

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In dem zu entscheidenden Fall war laut Sachverständigengutachten das Nichttragen eines Helms kausal für das Ausmaß der Kopfverletzungen !

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Mit sicherlich noch größerem Recht könnte man sagen, dass unvorsichtige Aufstoßen der Autotür, die Nutzung des Fahrrads durch die Geschädigte oder sogar irgendetwas an den Haaren herbei Gezogenes kausal für die Kopfverletzungen war. Dazu braucht man noch einmal einen Sachverständigen.

 

Entscheidend ist doch, ob der Helm die Schwere der Verletzungen wirklich reduziert hätte oder nur die äußeren Schrammen. Und da gibt es keinen richtig guten Nachweis, dass ein wenig Styropur auf dem Kopf bei dem Unfall irgendetwas bewirkt hätte. Da liefern auch Sachverständige nichts anderes als die Pfarrer in der Kirche: Glaubensbekenntnisse! Wobei man zugeben muß, dass der "gesunde Menschenverstand" einem nahelegt, ein Helm helfe.

 

Nur frage ich dann noch immer, wieso im letzten Winter auf der Eisbahn von zig Kindern ausgerechnet die beiden Brüder, die von ihren Eltern zum Schlittschuhlaufen  Fahrradhelme aufgesetzt bekamen, die einzigen Kinder mit blutigen Kopfverletzungen waren, der eine an der Nase, der andere am Kinn vom Eis getroffen! Beide haben geheult und gebrüllt - und werden vermutlich nie wieder Schlittschuhlaufen. Dabei sind sie nicht häufiger hingefallen als all die anderen Kinder. Die anderen allerdings nicht auf den Kopf.

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Carsten Krumm: "Es wäre ja schon eigenartig, wenn man die Mitverschuldensfrage rein statistisch berurteilt."

Schulze: Ich glaube nicht, dass diese Zahlen wichtig sind.

 

Genau ! 

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@ Carsten Krumm: allerdings nehmen die o.g. OLG-Urteile in ihren Begründungen ebenfalls Bezug auf die ermittelte Helmtragequote. Und auf eine nicht vorhandene Helmpflicht, was mindestens genauso wichtig ist.

@ Schulze und DrFB: es ist nicht an Richtern, an Stelle der Allgemeinheit zu entscheiden, was diese als angemessenen Schutz zu betrachten hat. Das steht nur dem Gesetzgeber zu. Für Motorradfahrer hat er das getan (Helm), für Autofahrer ebenfalls (Gurt), für Fahrradfahrer aus guten Gründen nicht - ebenso wenig wie für weitergehende Schutzmaßnahmen für Autofahrer (ABS, ESP oder Airbag sind nicht vorgeschrieben).

@ Thomas Wedel: laut zahlreichen Sachverständigengutachten ist der Neupreis eines Wagens kausal für das Ausmaß des Sachschadens bei einem Totalverlust. Hat der Besitzer eines Luxuswagens dann einen Teil des Schadens selbst zu tragen, wenn ihn jemand unverschuldet rammt? Er hätte den Schaden ja mit einem billigeren Auto eigenverantwortlich verringern können.

Mitschuld zuende gedacht - lesen, lachen, nachdenken.

Laut Sachverständigengutachten hätte ein Helm das Schädel-Hirm-Trauma zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.

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@ Thomas Wedel: das ist nicht der Punkt, auf den es ankommt. Ein Sachverständiger wird auch zu dem Ergebnis kommen, dass ein HANS-System bei Autofahrern oder ein Rückenprotektor bei Motorradfahrern Wirbelsäulenschäden zumindest in gewissem Umfang wird verringern können. Trotzdem ist die Benutzung - genau wie beim Fahrradhelm - im öffentlichen Straßenverkehr weder vorgeschrieben noch allgemeiner Brauch.

Was der BGH hier einmal, offenbar zur Überraschung einiger Kommentatoren, konkretisiert hat: Der "ordentliche und verständige Durchschnittsmensch" ist kein Einfallstor für die Ansichten des Richters, der sich für ordentlich und verständig hält, sondern für den Maßstab der objektiven Verkehrssitte.

Es ist somit ohne Bedeutung, welchen Nutzen ein Fahrradhelm zur Überzeugung des Gerichts hat, oder ob der Geschädigte aufgrund von Aufklärungskampagnen diesen kannte bzw. hätte kennen müssen. Es geht um eine mögliche Aufspaltung der Zurechnung des Schadens, also letztlich um die Frage, welchen Geschädigten derjenige erwarten muss, der achtlos eine Autotür aufschwingt. Das ist gegenwärtig statistisch nun mal kein Helmträger.
Die berechtigte Erwartung, einen Helmträger mit ggf. geringeren Auswirkungen zu schädigen, kann nur auf einer gesetzlichen Wertung oder eben der Verkehrssitte beruhen.
Zöge man dessen ungeachtet Kriterien des "vernünftigen" Selbstschutzes heran, wäre schon die Frage, ob ein Geschädigter seinen konkreten Weg nicht per Bus oder mit dem Auto zurück legen hätte müssen. - Ersichtlich unsinnig.

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In OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Februar 2007 – I-1 U 182/06, 1 U 182/06 –, juris, heißt es:

 

"Es stellt nach Auffassung des Senats ein untrügliches Zeichen dar, dass gerade mit Unfallverletzungen befasste Mediziner seit Jahren eine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer fordern (vgl. Ärztezeitung vom 17.04.2001: "Notärzte fordern Helmpflicht für Fahrradfahrer"; 14.05.2003: "Die Helmpflicht für alle Radfahrer könnte vielen das Leben retten").

Dementsprechend spricht sich auch die World Health Organization (WHO) in einer ihrer jüngsten Veröffentlichungen für eine Helmpflicht für sämtliche Zweiradfahrer aus. Internationale Studien der letzten 15 Jahre haben nach Recherchen der WHO gezeigt, dass beim Tragen eines Schutzhelms das Risiko von Kopfverletzungen um 69 Prozent zurückgehe, das Risiko von schweren Kopfverletzungen nehme sogar um 79 Prozent ab. Dies gelte für alle Altersgruppen und nicht nur für Stürze vom Fahrrad, sondern auch für Kollisionen mit Kraftfahrzeugen. Der Helm schütze dabei nicht nur das Gehirn, vielmehr würden auch Verletzungen des oberen und mittleren Gesichtsschädels laut WHO um zwei Drittel reduziert ("Helmets: A road safety manual for decision-makers and practitioners", Geneva, World Health Organization 2006; zur weiteren Studien siehe Furian/Hnatek-Petrak ZVR 2006, 427)."

 

Dieses Gericht hat die Mithaftung allerdings nur für Radsportler bejaht:

 

"Gerade im Hinblick auf die vollkommen unterschiedlichen Fahrweisen und die damit einhergehenden Gefahren und Risiken erscheint es vielmehr geboten, eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Radfahrergruppen vorzunehmen; auch danach, ob der Radfahrer einen Radweg benutzt hat oder aber auf der Straße gefahren ist, wobei hier wieder zwischen innerorts und außerorts zu unterscheiden ist."

 

"Während man dem herkömmlichen Freizeitradfahrer, der sein Gefährt als normales Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen einsetzt, mangels entsprechender allgemeiner Übung nicht ohne weiteres abverlangen kann, zu seinem eigenen Schutz vor Unfallverletzungen einen Sturzhelm zu tragen, ist die Lage bei besonders gefährdeten Radfahrergruppen wie etwa Radsport betreibenden Rennradfahrern anders zu beurteilen. In diesem Kreis ist auch die Akzeptanz von Schutzhelmen deutlich ausgeprägter als bei "normalen" Radfahrern."

Ist das Tragen von Radsportkleidung ein Indiz für die zur Mithaftung führende Ausübung von Radsport? Ist die Benutzung eines E-Bikes geeignet, die Indizwirkung von Radsportkleidung zu beseitigen? Hat die Breite der Reifen (Rennräder haben ganz schmale Reifen) Bedeutung? Fragen über Fragen...

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@ Schulze: die entscheidenden Sätze in der Diskussion hat der Gast vor Ihnen geschrieben:

Es ist somit ohne Bedeutung, welchen Nutzen ein Fahrradhelm zur Überzeugung des Gerichts hat [...] Es geht um eine mögliche Aufspaltung der Zurechnung des Schadens, also letztlich um die Frage, welchen Geschädigten derjenige erwarten muss, der achtlos eine Autotür aufschwingt. Das ist gegenwärtig statistisch nun mal kein Helmträger.

Die berechtigte Erwartung, einen Helmträger mit ggf. geringeren Auswirkungen zu schädigen, kann nur auf einer gesetzlichen Wertung oder eben der Verkehrssitte beruhen.

Nein. Die Erwartungen des Schädigers sind nichts als ein -in meinen Augen reichlich alberner- Argumentationstrick. Wer eine Obliegenheit des Radfahrers bejaht, kommt dann dabei zur "berechtigten Erwartung" des Schädigers, beim Aufschwingen der Autotür einen Radfahrer mit Helm zu erschlagen.

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Nein, die entscheidenden Sätze haben Carsten Krumm und Schulze geschrieben: Für die Mitverschuldensfrage ist der statistische Wert:

nur 11% der Radfahrer trugen 2011 innerorts einen Helm   n i c h t   von Bedeutung

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@Schulze:
Dieser "Argumentationstrick" hat seine gesetzliche Verankerung in § 276 II. Im Verkehr erforderlich ist eine Sorgfalt nur, wenn andere auf ihre Einhaltung vertrauen dürfen. Dieses entscheidende Kriterium ist durch ein medizinisches Sachverständigengutachten, das lediglich eine naturwissenschaftliches Erfordernis feststellt (oder auch nicht, wie andere wissenschaftlich Studien), nicht greifbar.

Hintergrund dieses Maßstabs ist, dass es ökonomisch ineffizient wäre, würde jeder jederzeit sein Möglichstes tun, um ein bestimmtes Rechtsgut zu schützen. Das Verschuldenssystem des BGB setzt voraus, dass bereits vor einer Schädigung unter den Beteiligten des Rechtsverkehrs ein effizienter und gerechter Ausgleich von Zuständigkeiten für den Schutz des Rechtsgutes gefunden worden war. Dies geschieht gesetzlich oder eben durch den Rechtsverkehr selbst. Wer mit der Verkehrssitte nicht zufrieden ist, ist an den Gesetzgeber verwiesen. Eine entsprechende Obliegenheit kann nicht allein zum Zweck der Schadensregulierung konstruiert werden.

Solange keine gesetzliche Helmpflicht besteht und acht von neun Fahrradfahrern nicht dennoch einen Helm tragen, bestehen für den Rechtsverkehr keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass ein Geschädigter einen Helm trägt. Umgekehrt ist delikts- und strafrechtlich klargestellt, dass die körperliche Unversehrtheit des Radfahrers nicht verletzt werden darf. Maßstab der dazu im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist daher die Erwartung, durch eine Fahrlässigkeit gerade einen Radfahrer ohne Helm zu schädigen.

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Das ist in doppelter Hinsicht falsch.

§ 276 Abs.2 BGB definiert den Begriff der Fahrlässigkeit; die Mithaftung regelt er nicht.

Worauf andere vertrauen dürfen, ist kein Kriterium für Fahrlässigkeit, sondern Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit sind es. Die erforderliche Sorgfalt entspricht nicht notwendig der üblichen:

Als Maßstab für den zur Verhütung eines Schadens anzuwendenden Grad von Umsicht und Sorgfalt gelten die Anforderungen des Verkehrs, wobei aber auf eine im Verkehr eingerissene Nachlässigkeit und Unsitte nicht Rücksicht zu nehmen ist. Andererseits ist aber nicht eine so hochgespannte Sorgfalt zu verlangen, daß auch jede entfernte Möglichkeit eines Schadens in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 07. April 1952 – III ZR 363/51 –, BGHZ 5, 318-321).

Mit dem Begriff der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hat der Gesetzgeber zwar einen objektiven Maßstab gesetzt, so daß der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht durch den Hinweis auf im Verkehr bestehende Gebräuche ausgeräumt werden kann, wenn es sich um Unsitten oder Mißbräuche handelt. ... Es kann nicht Vorsorge gegen jede nur denkbare Gefahr gefordert werden. Wenn wie hier die zuständigen Fachleute allgemein eine Maßnahme nicht für erforderlich halten, so könnte das Unterlassen der Maßnahme nur schuldhaft sein, wenn die Meinung der Fachleute sich aus tatsächlichen oder auch aus rechtlichen Gründen als irrig erwiese, und zwar derart, daß derjenige, um dessen Verantwortung es geht, dies hätte erkennen müssen (BGH, Urteil vom 8. 7. 1971 - III ZR 67/68, beck-online).

 

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@ Schulze: worauf kann sich denn zivilrechtliches Verschulden (culpa) nach § 254 BGB gründen? Doch nur auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Und zivilrechtliche Fahrlässigkeit ist im BGB nun einmal in § 276 definiert. Das hat den Vorteil, dass die Definition nicht jedes Mal wiederholt werden muss (z.B. in § 823). Diese Bezugnahmen innerhalb des BGB lernen auch Nichtjuristen im Grundkurs Zivilrecht ("schreiben Sie 276 neben die §§ 254 und 823 in Ihre BGB-Ausgabe"; früher waren auch bei Klausuren solche Querverweise als Notizen in den Gesetzestexten z.T. großzügig erlaubt, heute je nach Lehrstuhl mit Einschränkung). Siehe auch die deckungsgleiche Definition, die Thomas Wedel in Beitrag #4 genannt hat.

Inwieweit soll das Nichttragen eines Fahrradhelms eine dem rücksichtslosen Fahren auf einer Autorennstrecke vergleichbare "Unsitte oder Missbrauch" darstellen? Das ist schon eine gewagte These. Bevor Sie weiter versuchen, dem BGH durch Vorhalten ausgesuchter, zu ganz anderen Themen ergangener Urteile ein Fehlurteil nachzuweisen, warten Sie doch einfach die Urteilsbegründung ab. Dann können Sie immer noch feststellen, ob die Entscheidung nachvollziehbar ist bzw. Ihrem Weltbild entspricht oder nicht.

ja, ein ordentlicher unf verständiger Mensch würde auch genau das sagen:  warten wir erstmal die Entscheidungsbegründung ab und dann treffen wir uns hier wieder und diskutieren weiter

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a) Die Mithaftung kann nicht nur aus § 254 BGB folgen. Sie haben recht, wenn Sie auf den Verschuldensbegriff in § 254 BGB abstellen; der ist in der Tat nicht grundsätzlich anders als in § 276 BGB.

 

b) Ihre Einschätzung, was fahrlässig sei, ("Im Verkehr erforderlich ist eine Sorgfalt nur, wenn andere auf ihre Einhaltung vertrauen dürfen") hat nichts mit der Definition des Gesetzes zu tun. Sie ist die Umkehrung des nicht so falschen Satzes, ein jeder dürfe darauf vertrauen, dass andere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt einhalten. Was die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist, ergibt sich aus diesem Satz aber gerade nicht.

 

c) Bei der Diskussion geht es nicht um mein Weltbild. Ich selbst trage den Helm; wer ihn nicht trägt, hat selbst schuld. Der weitere praktische Verlauf ist mir ohnehin klar; er wird nicht anders sein als beim Gurt oder beim Motorradheln - der Fortschritt ist eine Schnecke.

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@ a) auf welcher Anspruchsgrundlage außer § 254 BGB sollte denn der Schädiger Ihrer Meinung nach sonst noch eine Minderung des Schadensersatzanspruchs herleiten können? Einen Vertrag mit dem Geschädigten über das unachtsame Öffnen von Autotüren im Halteverbot hat er ja sicher nicht geschlossen.

@ b) Meine Einschätzung, was fahrlässig ist, ist genauso wenig maßgeblich wie Ihre. Wichtig ist die Einschätzung der Richter und die hat wegen Art. 20 Abs. 3, (letzte acht Worte) sehr wohl etwas mit der Definition des Gesetzes zu tun. Dort steht "erforderliche Sorgfalt", nicht "mögliche Sorgfalt" oder "jede erdenkliche Sorgfalt". Der Gast hat Hintergrund und Zweck dieser Formulierung in seinem zweiten Absatz in Beitrag #21 hervorragend ausgeführt. Und der BGH hat in zahlreichen Urteilen konkretisiert, was damit gemeint ist, z.B. in  VIII ZR 62/70:

... die Beachtung der Sorgfalt, die der gesunde normale Verkehr von einem ordentlichen Menschen in der konkreten Lage erwartet. Dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse des in Betracht kommenden Verkehrskreises Rücksicht zu nehmen, mithin auf das Maß von Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger dieses Kreises von dem in seinem Rahmen Handelnden zu fordern ist. 

Dass dabei für unterschiedliche Personengruppen (z.B. Käufer als Laie, Händler als Experte) unterschiedliche Anforderungen gelten, ist seit Jahrzehnten Rechtsprechungspraxis (RGZ 95,16, VI ZR 106/52, VI ZR 133/66, VI ZR 233/93 usw.) und auch in speziellen Rechtsgebieten wie dem Handelsrecht separat kodifiziert, z.B. was die Untersuchung auf verdeckte Mängel angeht.

Das bedeutet wiederum, dass für Sportradfahrer, die ihr eigenverantwortlich erhöhtes Risiko einer Selbstschädigung mit einer hohen Helmtragequote kompensieren, andere Maßstäbe gelten als für Alltagsradler, die ins Büro, zur Schule, Uni oder zum Einkaufen radeln. Siehe den in #1 verlinkten Rennrad-Fall.

Es wäre auch für Fußgänger "vernünftig", einen Helm zu tragen, denn für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass sie von einem Autofahrer auf die Hörner genommen werden (was ihnen z.B. in Hamburg doppelt bis dreimal so häufig droht wie Radfahrern), ließen sich schwere Folgen und Todesfälle ebenfalls vermeiden (bei Autofahrern übrigens auch: das Risiko für eine Hirnverletzung pro zurückgelegtem Kilometer ist für Autofahrer mehr als doppelt so hoch wie für Fußgänger und Radfahrer!). Trotzdem gilt: keine gesetzliche Pflicht + in dem "Verkehrskreis" üblicher Verzicht auf Selbstschutz, da nach allgemeiner Auffassung in dieser Personengruppe nicht notwendig und zumutbar ("allgemeines Verkehrsbewusstsein") = keine Fahrlässigkeit durch Sorgfaltspflichtverletzung, also kein Mitverschulden des Geschädigten.

 

 

§ 254 ist keine Grundlage eines Anspruchs, sondern mindert oder beseitigt ihn.

Das in Abs 1 vorgesehene Mitverschulden erfordert im Gegensatz zur Bedeutung des Verschuldens in anderen zivilrechtlichen Zusammenhängen nicht, dass gegen eine Rechtspflicht verstoßen worden ist: Selbstschädigendes Verhalten ist grds nicht rechtswidrig. Es ist dem Geschädigten freigestellt, auf Vorkehrungen zum Schutz seiner Rechtsgüter zu verzichten; er muss dann aber ggf die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen. Das Mitverschulden ist somit grds auf eine Obliegenheit des Geschädigten bezogen. § 254 versteht unter dem Begriff des Mitverschuldens nicht die Verletzung einer dritten Person gegenüber bestehenden Rechtspflicht, sondern die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Maßgebend ist dabei die „vernünftige Verkehrsanschauung“ (BeckOK BGB/Lorenz BGB § 254 Rn. 9).

Was macht ein ordentlicher und vernünftiger Mensch; was ist die vernünftige Verkehrsanschauung?

Letztlich bestimmen das die im jeweiligen Fall in letzter Instanz entscheidenden Richter. Die Auffassung Gasts, es sei "ohne Bedeutung, welchen Nutzen ein Fahrradhelm zur Überzeugung des Gerichts" habe "oder ob der Geschädigte aufgrund von Aufklärungskampagnen diesen kannte bzw. hätte kennen müssen", ist ebenso wie sein Konstrukt ""Im Verkehr erforderlich ist eine Sorgfalt nur, wenn andere auf ihre Einhaltung vertrauen dürfen" einfach nur grottenfalsch. Hat der Fahrradhelm für den normalen Radfahrer einen nachweisbaren Nutzen zur Minderung des Schadens -den hat er wohl  (siehe oben #16)- und wird dieser Nutzen durch Aufklärungskampagnen (wie beim Sicherheitsgurt) bekannt gemacht, dann wird jeder ordentliche und vernünftige Mensch den Helm aufsetzen. Wie viele Menschen ordentlich und vernünftig sind, ist dagegen unerheblich. 

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Die "vernünftige Verkehrsanschauung" richtet sich offensichtlich nach Auffassung des BGH auch danach, welche "allgemeine Überzeugung besteht" (s. Kommentar #1) und nicht ausschließlich danach, was Leute, die sich für vernünftig halten, für vernünftig halten.

Mit dem Begriff der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hat der Gesetzgeber zwar einen objektiven Maßstab gesetzt, so daß der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht durch den Hinweis auf im Verkehr bestehende Gebräuche ausgeräumt werden kann, wenn es sich um Unsitten oder Mißbräuche handelt. ... Es kann nicht Vorsorge gegen jede nur denkbare Gefahr gefordert werden. Wenn wie hier die zuständigen Fachleute allgemein eine Maßnahme nicht für erforderlich halten, so könnte das Unterlassen der Maßnahme nur schuldhaft sein, wenn die Meinung der Fachleute sich aus tatsächlichen oder auch aus rechtlichen Gründen als irrig erwiese, und zwar derart, daß derjenige, um dessen Verantwortung es geht, dies hätte erkennen müssen (BGH, Urteil vom 8. 7. 1971 - III ZR 67/68, beck-online).

 

Mit dieser Entscheidung hat der BGH -völlig zu Recht- einer bloßen Orientierung an der Mehrheit ebenso wie einer bloßen Orientierung an Experten eine Absage erteilt. Ja, auch die "allgemeine Überzeugung" kann ein Kriterium sein - aber das letzte Wort haben die Richter.

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@#27 Schulze: Sie schreiben: "Hat der Fahrradhelm für den normalen Radfahrer einen nachweisbaren Nutzen zur Minderung des Schadens -den hat er wohl  (siehe oben #16)-". Wie kommen Sie auf Ihre Unterstellung? Oben bei #16 findet sich kein Nutzennachweis. Und auch sonst hat sich noch nirgends ein Nutzen nachweisen lassen. Dass man weltweit noch nirgends einen Nutzen hat nachweisen können, konnte man schon 2007 in der NZV nachlesen, als die ersten Gerichte anfingen, bei angeblich ach so gefährdeten (auch das eine bloße Unterstellung) Radfahrern Voodoo für geeignet zu halten (Kettler, NZV 2007, 39-40 m.w.N.; Kettler, NZV 2007, 603-607 m.w.N.). Ohne Geeignetheit gibt es kein Verschulden.

Unterstellungen sind nicht geeignet, ein Mitverschulden herbei zu reden. Dass Richter oder Mediziner seither gelegentlich äußern, die Erde sei eine Scheibe, statt sich um Tatsachen zu kümmern, macht die Erde nicht zu einer Scheibe. Der Nachweis wäre also (als eine von mehreren Voraussetzungen eines etwaigen Mitverschuldens) erst mal zu erbringen.

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"Internationale Studien der letzten 15 Jahre haben nach Recherchen der WHO gezeigt, dass beim Tragen eines Schutzhelms das Risiko von Kopfverletzungen um 69 Prozent zurückgehe, das Risiko von schweren Kopfverletzungen nehme sogar um 79 Prozent ab. Dies gelte für alle Altersgruppen und nicht nur für Stürze vom Fahrrad, sondern auch für Kollisionen mit Kraftfahrzeugen. Der Helm schütze dabei nicht nur das Gehirn, vielmehr würden auch Verletzungen des oberen und mittleren Gesichtsschädels laut WHO um zwei Drittel reduziert ("Helmets: A road safety manual for decision-makers and practitioners", Geneva, World Health Organization 2006; zur weiteren Studien siehe Furian/Hnatek-Petrak ZVR 2006, 427)." Das soll kein Nutzennachweis sein? Natürlich kann man einfach alles leugnen. Das war auch bei der Einführung des Sicherheitsgurts so. Der Fortschritt ist eine Schnecke...

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Selbst in Berichten über eine Studie, die eine Helmpflicht wegen ihrer gesamtwirtschaftlichen Kosten ablehnt, heißt es:

 

"Dass es nach Einführung einer Helmpflicht insgesamt weniger und weniger schwere Kopfverletzungen bei Radfahrern geben würde, gilt als einigermaßen unstrittig." http://www.faz.net/aktuell/technik-motor/auto-verkehr/neue-studie-ueber-helmpflicht-fuer-radfahrer-12876835.html

 

"Ein Fahrradhelm kann vor schweren Kopfverletzungen schützen, daran zweifelt wohl niemand." http://www.tz.de/auto/studie-universitaet-muenster-helmpflicht-fahrradfahrern-braechte-mehr-schaden-nutzen-zr-3451069.html

 

Bis zur Einführung einer Helmpflicht wird es sicher noch dauern; man kann auch trefflich darüber streiten, ob es nicht wie in anderen Fällen auch der eigenen Entscheidung überlassen bleiben soll, welche Risiken man eingeht. Warum die Folgen der Eingehung solcher Risiken allerdings auch dann noch, wenn die Öffentlichkeit über sie durch Medien und Mediziner aufgeklärt worden ist, schadensersatzrechtlich auf den Schädiger abgewälzt werden sollten, leuchtet mir nicht ein.

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@ Schulze: genau das Gleiche kann man über Helme und Helmpflicht für Fußgänger und erst recht für Autofahrer sagen, deren Risiko für ein SHT dreimal so hoch ist wie bei Fahrradfahrern.

Wie bereits erschöpfend dargelegt, muss sich ein potentiell Geschädigter nicht mehr vor eventuellen Schäden schützen als erforderlich (nicht menschenmöglich oder denkbar!) und allgemein üblich ist. Ein Schädiger muss mit dem Typ von Geschädigten rechnen, der im geschädigten Verkehrskreis die allgemein üblichen Eigensicherungs- und Sorgfaltsmaßnahmen anwendet. Ergo: Sportradler mit Helm, Alltagsradler ohne Helm. So weit zum Juristischen.

Da Sie das hier aber mit einem Propagandafeldzug pro Radhelme verwechseln, empfehle ich Ihnen etwas mehr neutralen Lesestoff mit Studien die darlegen, dass die FAZ-Überschrift nachgeplapperte PR ist, aber kein seriöser Journalismus. Hier ein "best of":

"There was no significant difference concerning the level of head-trauma due to bicycle accident between cyclists wearing a helmet and others." (55. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie e.V.)

"Eine genauere statistische Analyse der Daten von September 1989 bis September  1992, also dem Zeitraum, wo die Helmtragequote am stärksten anstieg, bestätigte schließlich die Befürchtungen: Ein Einfluß des Helmtragens auf den Anteil der Kopfverletzungen war nicht festzustellen, der Rückgang der Kopfverletzungen mußte einen anderen Grund haben. Denkbar wäre beispielweise, daß allgemeine Fortschritte in der ambulanten Behandlung dafür verantwortlich waren. ... Viele dieser Studien vergleichen Verletzungen unbehelmter Radfahrer mit Verletzungen behelmter Radfahrer. Unterschiede werden dann dem Radhelm zugeschrieben, ohne jedoch nachzuprüfen, ob es nicht auch andere Gründe dafür geben könnte."

"Bicyclists who wear protective helmets are more likely to be struck by passing vehicles, new research suggests. Drivers pass closer when overtaking cyclists wearing helmets than when overtaking bare-headed cyclists, increasing the risk of a collision, the research has found."

Ablenken, Beleidigen und Bagatellisieren ist zwar übliche Diskussionstaktik; sie überzeugt allerdings nicht.

Ich gehe daher auf "Helme und Helmpflicht für Fußgänger und erst recht für Autofahrer" (Ablenken) nicht ein. Das ist hier nicht Thema.

Auf "Da Sie das hier aber mit einem Propagandafeldzug pro Radhelme verwechseln" (Beleidigen) gehe ich auch nicht ein.

Das Bagatellisieren mit einem alten Aufsatz ohne Sachargumente verfängt auch nicht.

Danke aber für Ihren Hinweis auf Lesestoff mit Studien. Darin findet sich doch Klares aus der Unfallforschung (PD Dr. med. Martinus Richter, Abteilung Unfallchirurgie der MHH):

"Bei Fahrradfahrern sind Kopf und Extremitäten erheblich verletzungsgefährdet.
Helme werden ungenügend genutzt. Unfallschwerpunkte sind Kreuzungen,
Einmündungen und Zufahrten. Die konsequentere Helmnutzung und Ausbau von
Fahrradwegen zur Trennung der Fahrradfahrer von motorisierten Fahrzeugen sind
sinnvolle präventive Maßnahmen."

"Bei verletzten Fahrradfahrern sind Kopf und Extremitäten besonders gefährdet.
Fast die Hälfte der verletzten Fahrradfahrer erlitt Verletzungen des Kopfes und
der oberen Extremitäten, und fast 2/3 Verletzungen der unteren Extremitäten.
Diese Körperregionen sind mehr gefährdet als bei anderen Verkehrsteilnehmern.
Außerdem beobachteten wir bei verletzten Fahrradfahrern auch eine höhere
Verletzungsschwere (ISS, MAIS) und Letalität als bei anderen
Verkehrsteilnehmern. Die Bedeutung von Kopfverletzungen wird beispielsweise
durch die bekannte hohe Rate der stationären Behandlung im Vergleich zu
Verletzten ohne Kopfverletzungen untermauert. Der Fahrradhelm zeigte bereits bei
früheren Studien hohe präventive Wirkung.
Bei unserer Studie waren allerdings nur 1,7% der verletzten Fahrradfahrer
helmgeschützt, wobei 2/3 aller Kopfverletzungen im Schutzbereich eines (nicht
vorhandenen) Helms auftraten. Folglich ist auch die Helmbenutzung eine sinnvolle
und wichtige Maßnahme zur Verringerung von Kopfverletzungen. Die Helme sollten
selbstverständlich die SNELL- oder ANSI-Norm erfüllen."
 

Was "allgemein üblich" ist, ist sicher von Interesse, aber eben nicht allein entscheidend. Maßgeblich ist die "Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt". Was "allgemein üblich" ist, kann dazu durchaus in Widerspruch stehen und ist dann eben nicht maßgeblich.
 

0

Schulze schrieb:
 Darin findet sich doch Klares aus der Unfallforschung (PD Dr. med. Martinus Richter, Abteilung Unfallchirurgie der MHH):
Wirklich?

Hier die Tabelle 2: https://www.thieme-connect.de/bilder/orthopaed/200506/zfo-06-06 (und hier die Studie mit Tabellen)

Die "Studie" (eigentlich nur eine statistische Auswertung) sagt nichts darüber aus, wie die Helmtragequote im Erhebungszeitraum 1985-2003 war. Sie dürfte aber im Durchschnitt dieses Zeitraums kaum höher gelegen haben als die 1,7% der Verletzten (zur Erinnerung: die UCI führte die Helmpflicht bei Radrennen erst 2003 ein! Und welcher Erwachsene hat in den Kanzlerjahren Kohls einen Radhelm getragen? Genau: keiner). 

Die Verletzungsschwere MAIS und ISS wurde nicht nach Körperregionen gegliedert, eine Ausage über die Schutzwirkung auf den Kopf lässt sich daraus nicht herleiten.

Verglichen mit anderen Einflussfaktoren (Kreuzung ja/nein, Radweg ja/nein, innerorts ja/nein) ist der Einfluss des Helms auf die Verletzungsschwere gering (Tab. 2). Eine Abhängigkeit zwischen Helmtragen und anderen Einflussfaktoren wurde nicht ermittelt - es kann also gut sein und ist sogar naheliegend, dass 1985 bis 2003 vor allem innerorts auf Radwegen fahrende Kinder Helm trugen und dort wegen des geringeren Risikos geringere Schäden davontrugen, während außerorts auf Straßen fahrende Erwachsene ohne Helm öfter über den Haufen gefahren wurden und darum die Unfallfolgen schwerer waren.

Wissenschaftlich ist diese "Studie", was den Schutzeffekt von Helmen angeht, völlig wertlos, da sie diese elementaren Grundüberlegungen bezüglich stochastischer Unabhängigkeit der Variablen nicht berücksichtigt. Leider ist bei mehr als nur wenigen Medizinern kein Grundlagenwissen über Statistik vorhanden.

Das einzige, was bleibt, ist die unbelegte Behauptung "Der Fahrradhelm zeigte bereits bei früheren Studien hohe präventive Wirkung" und seltsamerweise habe ich eine Vorahnung, dass diese früheren "Studien" unter ebensolcher Vernachlässigung statistischer Grundlagen erfolgt sind.

 

@Schulze:

Schulze schrieb:

§ 276 Abs.2 BGB definiert den Begriff der Fahrlässigkeit; die Mithaftung regelt er nicht.

Der Verschuldensbegriff in des § 254 I HS 1 und des sonstigen Zivilrechts ist einheitlich und verweist hinsichtlich der hier im Raum stehenden Fahrlässigkeit auf § 276 II. Diese Diskussion dreht sich um die Frage, wie das Kriterium der Erforderlichkeit des § 276 II im Lichte der Verkehrssitte zu verstehen ist, ggf. in Abhängigkeit vom Ursprung der Verweisung. Dazu kann man sicherlich mehrere Ansichten vertreten. Vor der Qualifizierung einer Rechtsmeinung als "albernen Argumentationstrick" oder als "grottenfalsch" sollte man sich trotzdem jedenfalls dann hüten, wenn man eine so schwache systematische Orientierung in den Begrifflichkeiten des Zivilrechts zeigt.

Quote:
Worauf andere vertrauen dürfen, ist kein Kriterium für Fahrlässigkeit

Das ist richtig, aber aus den Kriterien der Fahrlässigkeit folgt logisch, dass sie sich in einem Vertrauenstatbestand der relevanten Verkehrskreise spiegelt. Um sich die Verantwortlichkeit aus der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" plastisch zu machen, ist ein begründetes Verkehrsvertrauen daher durchaus tauglicher Ansatzpunkt.

Quote:
...sondern Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit sind es.

Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit begründen die Zurechnung einer Fahrlässigkeit, also den Fahrlässigkeisvorwurf, nicht die Fahrlässigkeit.

Quote:
Die erforderliche Sorgfalt entspricht nicht notwendig der üblichen:

Das ist faktisch richtig. Dass sie dem hier Bedeutung zumessen, zeugt aber von Ihrem Irrtum, nur in den Kriterien der naturwissenschaftlichen "Erforderlichkeit" und "Üblichkeit" zu denken. Für eine normative Erforderlichkeit bedürfte es des Zusatzes "im Verkehr" nicht. Wenn etwas normativ erforderlich sein sollte: wo sonst, wenn nicht "im Verkehr"?
Die Formulierung des Gesetzes zeigt an, dass der aufzubringende Aufwand dem entspricht, was die Verkehrssitte für erforderlich hält. Dafür wiederum ist die Üblichkeit gerade dann taugliches Kriterium, wenn - wie hier - eine Vorkehrung die absolute Ausnahme bildet.

Quote:
Als Maßstab für den zur Verhütung eines Schadens anzuwendenden Grad von Umsicht und Sorgfalt gelten die Anforderungen des Verkehrs, wobei aber auf eine im Verkehr eingerissene Nachlässigkeit und Unsitte nicht Rücksicht zu nehmen ist.

Wiederum richtig, aber für Ihren Standpunkt nicht weiterführend. Denn entscheidend ist, dass Maßstab der Nachlässigkeit und Unsitte - denn es handelt sich letztlich um perpetuierte Fahrlässigkeit - wieder die Anschauung der betroffenen Verkehrskreise ist. Dass nicht auf die Üblichkeit abzustellen ist, ist im Ergebnis nur dann von Bedeutung, wenn die Üblichkeit hinter den Erwartungen des Verkehrs zurück bleibt, also der Rechtsverkehr entgegen seiner Geschäftspraxis anderweitig einen an sich erforderlichen Sorgfaltsmaßstab artikuliert.

Quote:
Das in Abs 1 vorgesehene Mitverschulden erfordert im Gegensatz zur Bedeutung des Verschuldens in anderen zivilrechtlichen Zusammenhängen nicht, dass gegen eine Rechtspflicht verstoßen worden ist: Selbstschädigendes Verhalten ist grds nicht rechtswidrig.(...)
Das Mitverschulden ist somit grds auf eine Obliegenheit des Geschädigten bezogen.

"Das Mitverschulden" gibt es in § 254 nicht, sondern nur in seiner amtlichen Überschrift, die mit diesem Begriff - wie für eine Überschrift zweckmäßig - zusammenfasst, dass der Geschädigte den bei ihm eingetretenen Schaden gemeinsam mit dem Schädiger verschuldet. Auf diesen Schaden beziehen sich Mitverschulden und Verschulden gleichermaßen, nicht das Mitverschulden auf die Obliegenheit.
In keinem Zusammenhang erfordert Verschulden, dass gegen eine Rechtspflicht verstoßen wird. Sie vermischen zwei gänzlich unabhängige Haftungsvoraussetzungen in einer Weise, die am Sinn dieser Diskussion zweifeln lässt. Dass für die Mitverschuldenshaftung gegenüber sich selbst von diesen beiden Bedingungen nur das Verschulden beim Geschädigten vorliegt, und die Haftungsauslösung in der Pflicht- bzw. Rechtsgutsverletzung des Schädigers liegt, ändert nichts daran, dass dieses Mitverschulden wesensgleich mit dem Verschulden des Schädigers ist. Die Vorsilbe zeigt lediglich das Zurechnungssubjekt des Verschuldens als den Geschädigten an.

Falls Sie damit ausdrücken wollten, dass die Anspruchsgrundlagen, genauer die Haftungsgründe, die Verschulden (ggf. über ein Vertretenmüssen) voraussetzen, typischerweise auch eine Pflicht- bzw. Rechtsgutsverletzung erfordern, wäre das zutreffend. Mit etwas Mühe wäre daraus das Argument zu gewinnen, dass das Abstellen auf den Verkehr in § 276 II für diese Fälle konzipiert sei, und die Verkehrsanschauung für das Verschulden des § 254 I nicht maßgeblich, weil das Verschulden des eigenen Schadens keine Verkehrsangelegenheit sei. So kann man die Formel verstehen: "diejenige Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt". Das ist aber unpräzise bzw. nur richtig, wenn man Ordentlichkeit und Verständigkeit wiederum als Einfallstor der Verkehrssitte beachtet.
Andernfalls führte es widersinnig dazu, dass der Geschädigte im Rahmen seines Mitverschuldens für seine Rechtsgüter im Vergleich zum Schädiger verschärft einzustehen hätte, also das Mitverschulden überproportional ins Gewicht fällt, weil er an dem Niveau eines allein schutzgutorientierten Selbstschutzes gegen jegliche Rechtsverletzung anderer gemessen wird. Fast scheint es, als solle genau dies durch eine unterschiedliche Charakterisierung von Mitverschulden und Verschulden contra legem herbei geredet werden. Stellt man dem als Abhilfe hingegen eine Extremposition pro normative Erforderlichkeit gegenüber, also die Anforderung auch an den Schädiger, alles aus Sachverständigensicht Erforderliche zur Vermeidung des Schadens zu tun, tritt gerade die rechtspolitisch nicht gewollte Überlappung der Zuständigkeiten ein.
Eine abweichende Charakterisierung des Mitverschuldens ist auch deshalb verfehlt, weil die "Obliegenheitsverletzung" des Geschädigten durch die Pflicht-/Rechtsgutsverletzung des Schädigers eindeutig in den Bereich der Verkehrsangelegenheiten gezogen wird. Wenn die Ursache des personellen Auseinanderfallens dieser beiden Haftungsbedingungen hinsichtlich des Mitverschuldensanteils berücksichtigt werden sollte, dann doch allenfalls zugunsten des Geschädigten, indem sein Schadensbeitrag untergewichtet wird. Das wird von der Rechtsprechung wohl auch pragmatisch gemacht; dogmatisch halte ich das für problematisch, könnte aber auf der Zurechnungsebene gelöst werden, indem man die sprachliche Differenzierung von Tatbestand ("Verschulden...mitgewirkt") und Rechtsfolge ("verursacht worden") fruchtbar macht. Dann würden nicht mehr Verschuldensanteile unmittelbar gegenüber gestellt, sondern weitere Voraussetzungen an die teilweise Durchbrechung der Zurechnung des Schädigerverschuldens gestellt. Das ist aber hier nicht von Belang.

Quote:
Was macht ein ordentlicher und vernünftiger Mensch; was ist die vernünftige Verkehrsanschauung? Letztlich bestimmen das die im jeweiligen Fall in letzter Instanz entscheidenden Richter.

Ein Gericht hat die Verkehrsanschauung zu bestimmen, indem es die Gepflogenheiten des Verkehrs erforscht. Darüber hinaus die Gründe der Gepflogenheiten, wozu Sachverständigengutachten eingeholt werden können. Die aus jenen zu erschließende Vernünftigkeit einer Handhabung kann dann entscheidend sein, wenn sich keine klare Verkehrssitte heraus gebildet hat, aber auch nur, soweit sie keine Aspekte aufwirft, die dem Verkehr fremd sind. Die Verkehrssitte umfasst wie gesagt auch die mögliche Erkenntnis des Rechtsverkehrs, dass ein übliches Verfahren eine Unsitte oder Missbrauch darstellt. Ist die "Unsitte" aber nach der Verkehrsanschauung adäquat, weil der Rechtsverkehr überhaupt kein Einsehen hat, dass es sich um eine Unsitte handelt, kann das nicht die Haftungsanteile verschieben, weil sonst die privatautonom herausgebildeten Zuständigkeiten für den präventiven Schutz von Rechtsgütern und die gesetzliche Haftung für ihre Verletzung auseinanderfallen würden.
Ihre Ansicht läuft darauf hinaus, dass Richter Gutachten über das Erforderliche einholen und danach eine ihrer Meinung nach wünschenswerte Verkehrsanschauung wider die Wirklichkeit festlegen. Das widerspricht dem Wortsinn und Wesen der Verkehrssitte als tatsächliche Gegebenheit sowie den Prinzipien von Gewaltenteilung und Privatautonomie.

5

Gast, nein, meine Ansicht läuft nicht darauf hinaus, dass Richter Gutachten über das Erforderliche einholen und danach eine ihrer Meinung nach wünschenswerte Verkehrsanschauung wider die Wirklichkeit festlegen, sondern dass sie sagen, was ein "ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens an Sorgfalt anzuwenden pflegt". Wie in anderen Fragen auch werden die einen Richter so (OLG Schleswig) und die anderen so (BGH) entscheiden. Es gibt eine Reihe von möglichen zu berücksichtigenden Gesichtspunkten. Wir sind uns einig, dass das nicht nur solche naturwissenschaftlicher Art sind. So ist für den "Verkehr" etwa erst einmal Kenntnis erforderlich; ist mangels Information weitgehend unbekannt, dass etwas (in unserem Fall der Fahrradhelm) schützt, fehlt es wohl am "anzuwenden pflegt".

Gleiches dürfte für die -von den Richtern vorwiegend subjektiv einschätzbare- Frage der Zumutbarkeit gelten. Unter diesem Gesichtspunkt entfällt m.E. der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung beim Nichttragen von Helmen durch Fußgänger. Ich kann mir dagegen vorstellen, dass dies bei Autofahrerhelmen kontrovers diskutiert würde (wobei ich da eher Zweifel an der nennenswerten Schutzwirkung hätte).

Mein Name, nochmal in Kürze der wohl wichtigste Punkt aus der Studie von Martinus Richter, Abteilung Unfallchirurgie der MHH: "Bei unserer Studie waren allerdings nur 1,7% der verletzten Fahrradfahrer helmgeschützt, wobei 2/3 aller Kopfverletzungen im Schutzbereich eines (nicht vorhandenen) Helms auftraten. Folglich ist auch die Helmbenutzung eine sinnvolle und wichtige Maßnahme zur Verringerung von Kopfverletzungen." Ist das nicht verständlich?

4

Schulze schrieb:

Mein Name, nochmal in Kürze der wohl wichtigste Punkt aus der Studie von Martinus Richter, Abteilung Unfallchirurgie der MHH: "Bei unserer Studie waren allerdings nur 1,7% der verletzten Fahrradfahrer helmgeschützt, wobei 2/3 aller Kopfverletzungen im Schutzbereich eines (nicht vorhandenen) Helms auftraten. Folglich ist auch die Helmbenutzung eine sinnvolle und wichtige Maßnahme zur Verringerung von Kopfverletzungen."

 

 

Das muss nicht sein, weil:

 

"Die Auswertung der Münsteraner Studie dagegen zeigt, dass im Verletzungsgrad keine Unterschiede zwischen Helmträgern und unbehelmten Radfahrern nachzuweisen ist: Verletzte erleiden bei Fahrradstürzen meist mittelschwere Schädelhirntraumen, unabhängig davon, ob sie einen Helm getragen haben oder nicht."

 

Hinzu kommt, dass der Helm unter Umständen sogar zu schweren Schäden führen kann:

 

"Analysiert man die Unfallhergänge mit Helm und die Verletzungsmuster in der Computertomografie, so lässt sich feststellen, dass zwar Frakturen und offene Schädelverletzungen mit Helm seltener sind, dass aber schwerste Gehirnerschütterungen und Einblutungen ins Gehirn mit und ohne Helm gleich verteilt sind. Bei solchen Schädelhirnverletzungen kann es durch eine Schwellung zu weiteren Schäden kommen. Da das schwellende Gehirn in der festen knöchernen Schädelkapsel nicht ausweichen kann, kann die sekundäre Hirnschwellung für den Verunfallten lebensbedrohlich sein."

 

http://www.regensburger-orthopaedengemeinschaft.de/orthojournal/details-journal/artikel/sicherheit.html

 

Und dann bleibt natürlich noch die -polemische- Frage, warum z.B. in B-W 30% aller getöten Radfahrer Helm trugen, obwohl die Tragequote nur bei gut 13% liegt.

 

 

5

Schulze schrieb:

a) Mein Name meint: "Noch einmal: die von Richtern subjektiv beurteilte Zumutbarkeit spielt dabei keine Rolle!"

Darauf gilt es nur zu erwidern: Doch

Bitte noch einmal § 276 (2) BGB lesen: 

"Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt" - nicht, wer die im Verkehr zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. Was erforderlich (und damit zumutbar) ist, bestimmen laut ständiger Rechtsprechung die betreffenden Verkehrskreise selbst - durch ihre Alltagspraxis ("im Verkehr"). Es ist Aufgabe der Richter, anhand der allgemeinen Überzeugung (s.o. #1) festzustellen, was der betreffende Verkehrskreis als erforderlich und damit als zumutbar ansieht und nicht, die eigene Überzeugung, was zumutbar sei, zum Maßstab zu machen.

Fons schrieb:
Und dann bleibt natürlich noch die - polemische - Frage, warum z.B. in B-W 30% aller getöten Radfahrer Helm trugen, obwohl die Tragequote nur bei gut 13% liegt.
Das ist einfach zu beantworten: die Verkehrskreise, die eine hohe Helmtragequote haben (sportlich orientierte Radler, die v.a. außerorts auf Straßen und nicht auf Radwegen unterwegs sind; evtl. auch Ältere im Stadtverkehr), haben ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Unfall als die Verkehrskreise, die eine sehr niedrige Helmtragequote haben.

Die Folgerung, ein Helm könne u.U. zu schweren Schäden führen, kann ich der zitierten Passage nicht entnehmen - allerdings die Folgerung, dass ein Helm keine messbare Schutzwirkung bei mittleren und schweren SHT hat - also genau den Verletzungen, die (auch finanziell) einen signifikanten Schaden darstellen. 

Mein Name schrieb:

Das ist einfach zu beantworten: die Verkehrskreise, die eine hohe Helmtragequote haben (sportlich orientierte Radler, die v.a. außerorts auf Straßen und nicht auf Radwegen unterwegs sind; evtl. auch Ältere im Stadtverkehr), haben ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Unfall als die Verkehrskreise, die eine sehr niedrige Helmtragequote haben.

 

Ein klares Nein.

 

Ältere haben zumindest bei uns keine höhere Helmquote. In bezug auf die sportlichen Radler ist zusagen, dass diese in der Regel in geringeres Unfallrisiko haben, da sie einerseits ihr Rad besser beherrschen als der Gelgenheitsradler, zum anderen auch die Verkehrssituationen wesentlich besser einschätzen können, wodurch sich mögliche Gefährdungspotentiale vermeinden bzw. verringern lassen.

 

Zudem ist eine der häufigsten (wenn nicht die häufigste) rödliche Unfallursache immer noch der vom übersehende Radler, der vom Radweg kommt, was auch eher für die Sportler spricht, die außerorts auf der Straße fahren und damit nicht soleicht übersehen werden.

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@ Schulze: es wird keinerlei Aussage über die Schwere der Kopfverletzungen getroffen oder inwieweit ein Helm die Kopfverletzungen wirksam verhindert oder abgeschwächt hätte. Es gibt Untersuchungen darüber, aber diese zählt nicht dazu.

Abgesehen davon schützt ein Helm nach diversen Studien nur wirksam bis zu Aufprallgeschwindigkeiten bis ca. 20 km/h, welche auch bei einem Sturz eines Fußgängers aus dem Stand erreicht werden (1,50 bis 1,56 m, Falltest-Höhe beim Test von Ski- und Fahrradhelmen - z.B. in diesem Video ab Minute 4). Jeder Fußgänger, der von einem Auto angefahren wird und auf den Hinterkopf fällt, hat ein enormes Risiko, eine tödliche Kopfverletzung zu erleiden. Ist das Nichttragen eines Helmes dann ein Mitverschulden? Nein, eben weil es in den "Verkehrskreisen" nicht als erforderliche Sorgfalt angesehen wird. Und bei Alltagsradlern ebenfalls nicht, mit dem gleichen Ergebnis (und bei Autofahrern auch nicht). Noch einmal: die von Richtern subjektiv beurteilte Zumutbarkeit spielt dabei keine Rolle! (Abgesehen davon: warum soll ein Helm für Fußgänger oder Autofahrer weniger zumutbar sein als für Radfahrer?) Was zumutbar ist, entscheiden entweder der Gesetzgeber oder die betreffenden Personengruppen durch ihre im Alltag angewendete Praxis ("allgemeine Überzeugung" bzw. "allgemeines Verkehrsbewusstsein"), sofern diese nicht als "Unsitte oder Missbrauch" einzustufen ist.

a) Mein Name meint: "Noch einmal: die von Richtern subjektiv beurteilte Zumutbarkeit spielt dabei keine Rolle!"

Darauf gilt es nur zu erwidern: Doch - und genau wegen dieser subjektiv zu beurteilenden Fragen ist die Rechtsprechung Menschen und nicht Maschinen anvertraut.

b) "warum soll ein Helm für Fußgänger oder Autofahrer weniger zumutbar sein als für Radfahrer?"

Ich verweise auf #37. An der Zumutbarkeit hätte ich bei Autofahrern gar keine Zweifel (dafür andere). Bei Fußgängern habe ich ganz erhebliche Bedenken. Wer zu Fuß geht, benötigt keine Investionen in Eigentum wie Fahrrad oder Auto, kann sich den Helm evtl. gar nicht leisten. Die Logistik erscheint auch höchst fraglich; der Fußgänger kann den Helm weder am Rad befestigen noch im Auto lassen.

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Mein Name, maßgeblich ist nicht die im Verkehr "übliche Sorgfalt" (Alltagspraxis), sondern die "erforderliche Sorgfalt", das, was ein "ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens an Sorgfalt anzuwenden pflegt".

4

Zu #41, Mein Name: Ihr Behauptung "die Verkehrskreise, die eine hohe Helmtragequote haben (sportlich orientierte Radler, die v.a. außerorts auf Straßen und nicht auf Radwegen unterwegs sind; evtl. auch Ältere im Stadtverkehr), haben ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Unfall als die Verkehrskreise, die eine sehr niedrige Helmtragequote haben" steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen der gesamten einschlägigen Unfallforschung seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Unter anderem die umfangreiche Evaluationsstudie der BASt, die der Gesetzgeber nach der StVO-Novelle 1997/98 veranlasst hat, hat - erneut - gezeigt, dass es bei Radwegbenutzung ein erhöhtes Risiko für die Radfahrer gibt. Ihre Annahmen sind bloße Fiktion und haben mit der Realität nichts zu tun.

2

Herr Kettler, Sie behaupten, dass es "bei Radwegbenutzung ein erhöhtes Risiko für die Radfahrer gibt". Das erweckt den fatalen Eindruck, es sei besser, Radwege nicht zu benutzen. Gerade ordentliche Radwege (plane befestigte Strecken, möglichst von den für Autos bestimmten Fahrbahnen deutlich getrennt) sind von Radfahrern gewollt und tragen zur Sicherheit bei. Gefährlich sind allerdings auf der Straße befindliche Radspuren an Kreuzungspunkten, insbesondere wenn auch noch eine Farbmarkierung fehlt.

5

Herr Schulze, Sie irren. Es ist objektiv in der Regel "besser, Radwege nicht zu benutzen". Der Eindruck, den Sie beschreiben, ist nicht "fatal", sondern zutreffend. Wer als Radfahrer auf seine Sicherheit bedacht ist und um die objektiven Umstände weiß, meidet Radwege nach Kräften. Dass Radwege unsicherer sind als die Nutzung der allgemeinen Fahrbahn, ist ja gerade das immer gleiche Ergebnis der Verkehrsunfallforschung seit Mitte der 80er.

Lange dachten Separationsbefürworter, der erhoffte Verkehrssicherheitsgewinn "auf der Strecke" (weniger Unfälle im Längsverkehr zwischen Radfahrern und Kraftfahrern) sei größer als der Sicherheitsverlust an den Knotenpunkten (wo Kraftfahrer allzu oft die Verkehrsregeln missachten und damit fatale Unfälle verursachen). Doch dann bemerkte die Unfallforschung, dass etwaige Sicherheitsgewinne auf der Strecke von den Sicherheitsverlusten an den Knotenpunkten aufgezehrt oder gar überkompensiert werden.

Die notwendigen Konsequenzen aus diesen immer gleichen Ergebnissen der Unfallforschung hat der Gesetzgeber 1997 mit der damaligen StVO-Novelle gezogen. Er hatte erkannt: Die von Ihnen positiv konnotierten "ordentlichen Radwege" gibt es bundesweit allenfalls in Ausnahmefällen. In der Regel sind Radwege gefährlich. Und Sie beschreiben hier gar als "ordentlich", was Teil der Gefahr ist: Das "deutlich getrennt" bewirkt "Aus den Augen - aus dem Sinn" und damit die hohe Zahl tödlicher und sonst fataler Abbiegeunfälle an Kreuzungen und Einmündungen. Die deutliche Trennung kann nicht verhindern, dass man sich an der nächsten Kreuzung oder Einmündung im wahrsten Sinne des Wortes wiedertrifft.

Seit 2009 wissen wir durch eine BASt-Studie zur Evaluation jener StVO-Novelle sogar, dass es selbst "auf der Strecke" (also auf den vermeintlich "sicheren" Abschnitten zwischen den längst als gefährlich erkannten Knotenpunkten) keinerlei Sicherheitsgewinn durch Separation gibt. Selbst wenn man mutwillig die längst als gefährlich erkannten Knotenpunkte von der Betrachtung ausnimmt (also so tut, als würden Radfahrer von A nach B fahren, ohne eine Kreuzung zu benutzen!), bleibt ein negativer Sicherheitssaldo bei der Nutzung von Radwegen. Ich fürchte, Sie sind da nicht auf dem Stand des Wissens. Das eigene Sicherheitsgefühl (oder das vieler Radfahrer) darf man nicht verwechseln mit objektiver Sicherheit.

Dass Radwege "von Radfahrern gewollt" sind, wie Sie schreiben, ändert daran nichts. Nur weil sie gewollt sind, tragen sie noch lange nicht zur Sicherheit bei.

2

Herr Kettler, die Studien, die Sie meinen, beziehen sich auf innerörtliche Radwege, und so weit ich das sehe, auf solche in Großstädten. Sie treffen aber im Großen und Ganzen nicht auf jene Radwege zu, die mit Recht immer stärker für den Tourismus beworben werden.

 

Es ist eigentlich offensichtlich, dass getrennte Wege Unfälle vermeiden.

 

Würden LKWs auf eigenen Autobahnen fahren, gäbe es auf diesen Strecken keine Unfälle mit PKW.

 

Und auf (räumlich ebenso abgetrennten) Radwegen gibt es keine Unfälle mit PKW.

5

Wenn wir schon so weit offtopic sind: ich habe noch keinen touristischen Radweg erlebt, der nicht ca. alle 2-3 km eine Straße quert - nicht einmal auf ehemaligen Bahnstrecken. Entspricht es Ihrer Lebenserfahrung, dass Autofahrer einschließlich Ihnen selbst außerorts auf Vorfahrtsstraßen die 70er-Schilder vor Einmündungen berücksichtigen? 

@47: Herr Schulze, Sie irren neuerlich. Die Studien haben keineswegs ein so eingeschränktes Blickfeld, wie Sie meinen. Richtig ist nur, dass es zu Außerortsradwegen deutlich weniger Studien gibt, weil dort die Fallzahl dermaßen niedrig ist, dass es nur schwer möglich ist, daraus statistisch abgesicherte Aussagen abzuleiten. Gerade weil die Zahlen derart niedrig sind, können daraus auch keine Aussagen über Radfahrer abgeleitet werden, die signifikant häufiger einen Helm tragen (was hier der Ausgang war). Das geben die Zahlen einfach nicht her.

Eine Phantasie ist es, wenn Sie in diesem Zusammenhang behaupten, es sei "offensichtlich, das getrennte Wege Unfälle vermeiden": Es GIBT keine getrennten Wege. Von solchen Wegen phantasierte man schon vor über 100 Jahren. Bis heute gibt es sie nicht. Weder in irgendeiner Stadt Deutschlands (nicht mal in denen mit vielen Radwegen), noch auf dem Lande. Nicht nur, dass man es binnen 100 Jahren nicht geschafft hat, so viele Radwege zu bauen, dass man von "getrennten Wegen" sprechen könnte und auch die nächsten 100 Jahre nicht schaffen wird. Radwege bewirken nur für einige Sekunden "Aus den Augen - aus dem Sinn". Sie produzieren an den zwangsläufig enthaltenen Knotenpunkten fatale Unfälle (und bewirken, wie schon gesagt, ausweislich der Unfallforschung nicht mal auf der Strecke, zwischen den Knotenpunkten, also auf dem Teil, den man noch am ehesten als "getrennt" bezeichnen könnte, irgendeinen Sicherheitsvorteil). In Phantasien mag es eines Tages so etwas geben, wie Ihnen vorschwebt; in den Städten und Gemeinden Deutschlands wird man nie ein geschlossenes System kreuzungs- und einmündungsfreier Radwege (also ohne jedweden Knotenpunkt mit Kraftfahrern) bauen können.

1

Mein Name und Herr Kettler, Ihre letzten Beiträge erscheinen mir ziemlich realitätsfern. Natürlich gibt es die getrennten Radwege, die besonders schönen verlaufen nicht einmal jenseits einer Straße, sondern durch die Landschaft und machen das Fahrradfahren zu einem echten Freizeitvergnügen.

Bei den Straßen, die jenseits der Straßen verlaufen, finden sich leider immer wieder Radfahrer, die sie nicht benutzen und stattdessen auf der Straße fahren. Diese Leute, oft sogar auch noch mit Rennrädern ohne die vorgeschriebene Radausstattung, d.h. mit für den öffentlichen Verkehr überhaupt nicht zugelassenen Rädern, sind ein Ärgernis nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Radfahrer, die die schönen und sicheren getrennten Radwege wünschen. Hier wünsche ich mir Kontrollen, mit denen der Staat die Pflicht zur Benutzung von Radwegen konsequent durchsetzt.

Natürlich gibt es kein "geschlossenes System". Dass Kreuzungspunkte nicht ungefährlich sind, ist offensichtlich. Und das muss natürlich auch Radfahrern klar gemacht werden. Es kann nicht nur immer von Autofahrern Aufmerksamkeit gefordert werden - die Forderung richtet sich auch an Radfahrer.

 

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