BGH zu "privaten Abschleppkosten": Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.07.2014
Rechtsgebiete: AbschleppenBGHVerkehrsrecht4|10591 Aufrufe

Der BGH hat sich mal wieder mit einem Abschleppfall befassen müssen. Es ging dabei um die Frage: Wie teuer darf das Abschleppen denn so sein? Im Volltext liegt die Entscheidung leider noch nicht vor. Hier aber die Presseerklärung des BGH:

"Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.

Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.

Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 € zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € freistellen muss. Das Landgericht hat die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Revisionen beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden. Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon.

Die Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.

Ein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand."

BGH, Urteil vom 04.07.2014 - V ZR 229/13

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4 Kommentare

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Dass der unberechtigt Parkende die Kosten der Beseitigung seines unerlaubt geparkten KFZ vom Besitz und/ oder Eigentum des Anspruchberechtigten zu tragen hat, ist sicher für jeden Laien nachvollziehbar.

 

Als Jurist hingegen habe ich nie verstanden, woher das Zurückbehaltungsrecht des privat beauftragten Abeschleppunternehmers am abgeschleppten KFZ herrühren soll. Ein solches Zurückbehaltungsrecht am KFZ hat der in seinem Besitz Gestörte jedenfalls nicht. 

Nach dem Grundsatz, dass man nie mehr Rechte abtreten kann als man hat, sollte daher ein solches Zurückbehaltungsrecht bei Abtretung der Forderung an den Abschleppkosten auch nicht dem Abschleppunternehmer entstanden sein. Dies kommt einem Qualitätssprung der abgetretenen Forderung gleich.

Die Kosten können insofern nur anderweitig geltend gemacht werden, jedoch nicht Zug um Zug gegen Aushändigung des KFZ.

Wozu dieses dennoch dem Abschleppunternehmer zugestandene "Zurückbehaltungsrecht" führt, sieht man u.a. an dem vorgenannten Fall: Der Unternehmer "zwingt" den Eigentümer des KFZ zur Zahlung, indem er andernfalls dem Eigentümer den Abstellort seines KFZ nicht nennt. Der Eigentümer hat daher auch dann (wenn auch nur zunächst) die Abschleppkosten zu tragen, wenn er gar nicht fremden Besitz gestört hat. Ihm obliegt es dann, sich ggfs. die gezahlten Kosten im Wege einer Klage zurück zu holen. Dann aber trägt er das Kosten- bzw. Prozessrisiko. Wohningegen der im Besitz Gestörte das Prozesskostenrisiko tragen würde, wenn er seine Forderung nicht an den Abschleppunternehmer abtreten, sondern diesen sofort bezahlen würde, um sodann die Kosten beim "Verursacher"/ "Falschparker" einzuklagen.

 

Durch die Abetretung der Forderung an den Abschleppkosten an einen Abschleppunternehmer entsteht also nicht nur ein Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers am KFZ, sondern das Prozesskostenrisiko verlagert sich zudem vom im Besitz Gestörten auf den ( u.U. vermeintlich) unberechtigt Parkenden.

 

Sehr geehrter Herr Krumm, wende ich hier gesetzliche Regelungen falsch an oder handelt es sich eher um eine "Billigkeitsrechtssprechung"?

 

 

 

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@Tim Konstanz:

Gegen den Abschlepper besteht ein Herausgabe- oder ein Auskunftsanspruch, und aus demselben Lebenssachverhalt ein Anspruch des Abschleppers auf Zahlung der Abschleppkosten, § 273 I, II. Das ZBR ist insoweit der gesetzliche Normalfall, eingeschränkt durch den Inhalt des Schuldverhältnisses (-) oder § 242 (- wohl nur bei Forderung auch subjektiv überzogener Aufwendungen). Auch dem gestörten Besitzer stünde aus diesen Gründen ein ZBR zu.

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@ Gast

Vielen Dank für Ihre Antwort.

 

Warum steht dem im Besitz Gestörten denn ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu?

Wenn Sie von einem Herausgabeanspruch des Autobesitzers gegenüber dem im Besitz Gestörten sprechen, dann meinen Sie das EBV. Dann muss aber § 273 BGB dem im Besitz Gestörten ein Besitzrecht am Auto vermitteln, dass ausschließlich durch die Zahlung der Kosten der Beseitigung zerstört werden kann. Wie aber erlangt der im Besitz Gestörte oder der, dessen Besitz durch fremdes Parken gar vollständig aufgehoben wird, nun seinerseits Besitz an dem KFZ, wenn nicht durch verbotene Eigenmacht? Dem im Besitz Gestörten geht es ja um Wiedererlangung seines ursprünglichen Besitzes und nicht um Schaffung neuen Besitzes.

 

Für mich es auch vom Wortlaut des § 273 II BGB ("... oder wegen eines ihm DURCH diesen verursachten Schadens zusteht ...") nicht schlüssig. Denn gerade durch das Zurückhalten entsteht ja u.U. weiterer Schaden und zwar in Form weiterer Inanspruchnahme von Stellfläche (sei es nun privat oder gewerblich beim Abschleppdienst).

 

Ich erkenne beim durch das Falschparken Geschädigten einfach kein durch ein Zurückbehaltungsrecht entstandenes Besitzrecht. Oder umgekehrt ein Zurückbehaltungsrecht durch ein sonstwie entstandenes Besitzrecht.

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@Tim Konstanz:

Ein Zurückbehaltungsrecht bedingt kein Besitzrecht, sondern schließt es aus. Denn das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 besteht als rechtshemmende Einwendung in der Situation, in der sich zwei Ansprüche gegenüber stehen, während das Besitzrecht als rechtshindernde Einwendung einen der beiden Ansprüche nicht zur Entstehung gelangen lässt.

Ob wir den Abschlepper oder den gestörten Besitzer betrachten, macht keinen Unterschied. Allerdings wird ein Zurückbehaltungsrecht nicht "mit abgetreten", sondern die Gegenseitigkeit der Ansprüche bleibt bei der Abtretung eines der Ansprüche gem. § 404 erhalten, sodass dem Abschlepper ein eigenes ZBR aus den gleichen Gründen wie zuvor dem Besitzer zusteht.

In einem praktisch weniger relevanten Fall würde der gestörte Besitzer also mit eigenen Mitteln das Fahrzeug entweder auf eine entfernte, dem Eigentümer unbekannte Parkfläche versetzen oder so auf eine eigene Parkfläche verbringen, dass der Eigentümer keinen Zugriff mehr darauf hat. Letzteres wäre wegen der Initiative des Besitzers gerade keine Besitzstörung mehr, denn er entstört auf diese Weise ja selbst. Allerdings setzt er sich damit, mangels Besitzrechts am Fahrzeug, dem ungehinderten Herausgabeanspruch des Fahrzeugeigentümers aus, während in ersterem Fall, der Umsetzung auf eine öffentliche Fläche, ein Auskunftsanspruch (genauer: auf Herausgabe durch Auskunft) entstünde.

Umgekehrt ist die Entstörung jeweils mit Aufwendungen verbunden, die aus GoA herausverlangt werden können. Die Entstörung ist der Lebenssachverhalt, der beide Ansprüche, also Aufwendungsersatz und Herausgabe bzw. Auskunft, im Sinne von § 273 verbindet.

Ein Anspruch des Störers/Geschäftsherrn ergibt sich schon § 667, dazu das ZBR aus § 273 I, sodass es auf eine Überschreitung des Verwendungsbegriffs des § 273 II nicht entscheidend ankommt, solange nicht der Nur-Eigentümer, also Nicht-Halter und Nicht-Störer, dinglich herausverlangt. Aber auch hinsichtlich des dinglichen Anspruch würde ich eine jedenfalls analoge Anwendung von § 273 II auf den Aufwendungsersatzanspruch bejahen, denn die h.M. ist umgekehrt sehr großzügig was die Zurückbehaltung von Gegenständen aufgrund von Verwendungen angeht, nämlich an sich systemwidrig auch gegen possessorische Ansprüche. Wenn ein Schaden i.S.v. § 273 II entstanden ist, stellt sich das Problem nicht. Aus der Besitzstörung und dem Versetzen entsteht allerdings nicht per se in Schaden, sondern im Grundsatz hat man es mit Aufwendungen zu tun. Ein weiterer Schaden durch das Zurückbehalten wäre durch den Besitzer verschuldet, § 254 I, soweit eine Versetzung ohne Schadensfolge möglich ist.

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