Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath – Eindrücke vom dritten Tag

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 10.07.2014

Am heutigen Mittwoch-Nachmittag hatte ich erneut Gelegenheit, dem Prozess beizuwohnen.

Nachdem der Vormittag bei der Vernehmung der Frau S., Freundin der Ex-Ehefrau Mollaths und Arzthelferin in der Praxis des Arztes, der das Attest ausstellte, wohl einige Überraschungen bot (siehe Berichte hier und hier), stand der Nachmittag vor allem  im Zeichen der mangelnden Erinnerung.

Erinnerung und Wahrheit

In den Nachmittagsstunden hörte man aus verschiedensten Quellen immer wieder dasselbe: „Daran habe ich wirklich keine Erinnerung“. Man hatte meist den Eindruck, dass dieser Satz der Wahrheit entsprach. Aber er hatte zugleich in vielen Fällen gewissensreinigende Bedeutung. Denn hätte man sich erinnert, wäre das vielleicht nicht immer eine rühmliche Erinnerung gewesen. Das Gericht bemühte sich teils durch Vorhalte aus Akten das Beste daraus zu machen. Heraus kam ein unvollständiges Mosaik aus anekdotenhaften Wahrscheinlichkeiten und schlussgefolgerten Gedankengängen nach dem Motto: Es war kein ungewöhnlicher Fall, weshalb ich mich nicht erinnere und wenn ich das damals (nicht) so aufgeschrieben habe, dann wird es wohl (nicht) so passiert sein. Mangelnde Erinnerung ist nach bis zu fast dreizehn Jahren nach den Ereignissen keineswegs überraschend. Insbesondere dann, wenn das Erinnerte nur wenig von der beruflichen Alltagsroutine abweicht. Nun ist der Fall Mollath seit fast zwei Jahren in den Medien und dementsprechend stark und punktuell wird die Erinnerung von den Presseberichten beeinflusst. Dem kann sich kein Mensch entziehen. Das kann in der Quintessenz dann manchmal  zu einer plausiblen Geschichte zusammengefügt werden, aber für einen strafgerichtlichen Beweis genügt es meist nicht.

Der Arzt

Die Aussage des Arztes gab Einblicke in die Erstellung eines Attests, das dann immerhin zum ausschlaggebenden Beweismittel für eine 7,5 Jahre andauernde Unterbringung wurde. Ging es bislang im Wiederaufnahmeverfahren um die Unechtheit der äußerlich von Frau Dr.  R., tatsächlich aber von Herrn Dr. R. stammenden Urkunde, ging es nun auch inhaltlich zur Sache. Es zeigte sich: Dieses Attest war als Beweismittel in einem Strafprozess nicht nur formal, sondern auch inhaltlich allenfalls rudimentär brauchbar: Hätte man den Arzt damals in Nürnberg schon mit demselben kritischen Nachfragen konfrontiert wie es jetzt insbesondere durch den Sachverständigen Eisenmenger geschah, dann hätte der Nachweis einer gefährlichen Körperverletzung (nach § 224 I Nr.5 StGB) darauf kaum gestützt werden können.

Zwei Richter, ein Staatsanwalt

Die Vernehmungen eines damaligen Strafrichters am AG Nürnberg, eines Berliner Ermittlungsrichters sowie eines Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft erbrachte – mangels Erinnerung – kaum nützliche Informationen, die über bereits Aktenkundiges hinausgingen. Was passierte damals mit der Mollath-schen Verteidigungsschrift, dem berühmten 106-seitigen Duraplus-Ordner? Offenbar wurde damals schon die Schublade geöffnet, aus der Mollath dann erst zehn Jahre später wieder entkam: Zum Psychiater wurde das Original geschickt, aber nicht mal eine Kopie an die Staatsanwaltschaft, die die Strafanzeige Mollaths bearbeiten sollte.

Der Pflichtverteidiger

Es  folgte noch die Vernehmung des ehemaligen Pflichtverteidigers. Auch er erinnerte sich nicht mehr an Einzelheiten der Verhandlungen, er verlas aber immerhin seine – wenig erhellenden – damals erstellten Notizen. Die Reputation des ehemaligen Verteidigers von Mollath hat unter dem Fall gelitten. Verbale und sachbeschädigende Angriffe von angeblichen Mollath-Unterstützern kommen hinzu. Der Pflichtverteidiger empfindet sich, so hat man den Eindruck, selbst vor allem als Opfer der Affäre und macht dafür, so lässt sich mehrfach zwischen den Zeilen erkennen, Mollath verantwortlich. Schließlich kämen die Angriffe auf seine Person Herrn Mollath "zugute". Diese Formulierung nimmt er später zurück.

Nun lässt sich die Frage, wie gut oder wie schlecht die Verteidigung war, mangels Erinnerung und vollständigen Aufzeichnungen kaum abschließend beantworten. Sicherlich war Herr Mollath kein leichter Mandant (Einfügung/Update: Dass er in der Hauptverhandlung vor dem AG Broschüren von den Nürnberger Prozessen auf seinem Tisch arrangierte und darin provokativ in der Verhandlung gelesen haben soll, zeigt dies deutlich). Dennoch: Professionell klingt es nicht, wenn ein Verteidiger resignierend angibt, gegen das psychiatrische Gutachten des Dr. Leipziger und dagegen, dass das LG diesem folge, hätte er sowieso nichts machen können. Der Pflichtverteidiger bestreitet,  Mollath für krank gehalten zu haben. Aber wie ist es zu bewerten, dass er nicht einmal widersprach, als der damalige Gutachter seinem Mandanten eine Wahnerkrankung und daraus folgende Gefährlichkeit attestierte? Seine noch heute plastisch geschilderte  Angstreaktion auf eine Situation vor zehn Jahren, scheint wenig nachvollziehbar: Mollath hatte unangemeldet abends an seiner Kanzleitür geklingelt und geklopft und dies habe ihn in so krasse Angst versetzt, dass er sich dann lange Zeit nicht traute, seine Kanzlei zu verlassen. Diese Situation meldete er – zum Schaden seines Mandanten – dem Gericht.  Sie erklärt vielleicht auch, warum der Verteidiger damals keine Veranlassung mehr sah, Mollath vor der schlimmsten in Betracht kommenden Sanktion zu schützen, der Anwendung des § 63 StGB: Er sah sich ja selbst von Mollath beleidigt, verfolgt und bedroht. Demgegenüber klingt es verniedlichend, wenn er immer wider einstreut, die "Chemie hat einfach nicht gestimmt". Was schon aus den Akten erkennbar war, wird jetzt noch deutlicher: Mollath hatte zwar formal einen Verteidiger, aber er wurde tatsächlich nicht verteidigt. Nach seiner Darstellung war dafür vor allem Mollath selbst verantwortlich.

Es kommt dann noch zu einem bemerkenswerten Austausch: Mollath, angeblich bis vergangenes Jahr wahnkrank, paranoid und für die Allgemeinheit gefährlich, meldet sich zu Wort, um seinen ehemaligen Pflichtverteidiger zu beruhigen und ihm die Angst zu nehmen. Dieser nämlich sieht sich offenbar sogar jetzt noch verfolgt und bedroht von Mollath. Der sei ihm noch vor Kurzem wieder begegnet, mit einem gelben Sweatshirt und einem Peace-Zeichen an einer Metallkette. Mollath habe auch seinen Wohnsitz ausgeforscht und grüße ihn nicht einmal mehr. Mollath kopfschüttelnd sinngemäß: Sie müssen mich verwechselt haben, ich habe keine solche Kette. Ich habe Sie nicht vor Kurzem getroffen, kenne auch Ihre Adresse nicht. Ich versichere, Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Und Mollath distanziert sich auch deutlich von angeblichen „Unterstützern“ die den Pflichtverteidiger noch heute  bedrohen und beleidigen.

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105 Kommentare

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"Tag 4, Nachmittag, zweite Zeugin: Die Ärztin kommt mit Beistand: Neben ihr sitzt ihr Anwalt. Die Frau, Fachärztin für Psychiatrie in der Institutsambulanz des Erlanger Klinikums, gab eine ärztliche Stellungnahme im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg 2003 ab. Gesprochen oder gesehen hat sie Mollath nicht. Das räumt sie auch vor Gericht ein.

Sie habe mit Petra M., vermutlich im Jahr 2002, eine Tasse Kaffee getrunken. Petra M. war damals Bankberaterin der Frau."

 

http://www.live.mittelbayerische.de/Event/Der_Fall_Mollath

 

 

 

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Gast schrieb:

Eine Schlangengrube ist nichts dagegen:

 

1. Der Arztlehrling Reichel hat gearbeitet, die Fachärztin Mama Reichel hat kassiert, weil Arztlehrling Reichel noch keine Kassenzulassung hatte. Diese Abrechnungsvariante wurde von einem Arzt in diesem Blog als Betrug eingeordnet. Hat man die ergaunerten Gelder womöglich teilweise in der Schweiz untergebracht? Mit Hilfe der Petra Mollath/Maske?

2. Eine Psychiaterin "begutachtet" jemanden anhand der Schilderungen ihrer Vermögfensberaterin, wobei die Vermögensberaterin womöglich gesagt hatte: "Wenn mein Mann nicht gestoppt wird, dann werden auch Ihre Geldverschiebungen auffliegen...."

3. Richter, Staatsanwälte und Polizei gaben samt und sonders ihr Bestes, um nicht in das Schlangennest zu stoßen, sondern Mollath auszuschalten. Natürlich wird da kein geld geflossen sein, und natürlich hatte das nichts mit einer Verschwörung zu tun, natürlich hatten alle nichts anderes vor, als der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen....

 

Ja, was ist denn da in Bayern los?  Herrscht dort in Wahrheit Al Capone?  Gehört die gesamte Oberschicht dort in den Knast, weil sie ihr Geld nur noch ergaunert und größtenteils in die Schweiz verschiebt???

 

Das interessante ist ja, dass P.M. zum Zeitpunkt dieser ärztlichen Stellungsnahme durch Rauswurf nicht mehr die Bankberaterin der Ärztin war ...die Ärztin also möglicherweise wußte, dass PM "wegen Mollath" gefeuert war, grund für Falschbeschuldigungen hatte.

 

"Sie (die Ärztin) habe den Eindruck gehabt, dass sich die Eskalation immer weiter fortsetzt, sich gar ausgebreitet hat - auf Arbeitgeber, Richter, Politik..."

 

http://www.live.mittelbayerische.de/Event/Der_Fall_Mollath 

 

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@ Gast #48:

Wenn Sie schon zitieren, sollten Sie vollständig (weiter)lesen und zitieren.

Schauen Sie bitte nochmal unter o.a. Fundstelle nach und versuchen  - versuchen! - sich mal in eine Lage hinein zu versetzen, die Ihnen höchstwahrscheinlich (seien Sie dankbar!) bisher erspart geblieben ist.

Vielleicht merken Sie es nicht: Ihren Worten - auch Ihrem letzten Satz - entspringt eine ziemliche Anmaßung.

Joachim Bode schrieb:

@ Gast #48:

Wenn Sie schon zitieren, sollten Sie vollständig (weiter)lesen und zitieren.

Schauen Sie bitte nochmal unter o.a. Fundstelle nach und versuchen  - versuchen! - sich mal in eine Lage hinein zu versetzen, die Ihnen höchstwahrscheinlich (seien Sie dankbar!) bisher erspart geblieben ist.

Vielleicht merken Sie es nicht: Ihren Worten - auch Ihrem letzten Satz - entspringt eine ziemliche Anmaßung.

 

Ich habe mich auf eine Presseberichterstattung gestützt, lt. derer Mollath auch abgestritten hatte, dem Anwalt  nach seiner Entlassung begegnet zu sein.

Ansonsten: Dem Mollath ist schweres Unrecht angetan worden, ich qualifiziere das als ein schweres Justiz- und Gesellschaftsverbrechen. Aber Mollath ist weder ein Heiliger, noch so klug, wie er es m.E. selbst meint.

Sie können ja einen Mollath-Fan-Club gründen, aber auf meine Mitgliedschaft werden Sie dann verzichten müssen.

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Jaja, unsere liebe Frau Lakotta:

 

"Das fragliche Attest sei erst viel später per Kurier von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg zur Staatsanwaltschaft Regensburg gebracht worden. Beide Fassungen enthielten inhaltlich keine Unterschiede, lediglich das »i.V.« sei auf dem Original erkennbar, wenn man darauf hingewiesen werde. »Wie Frau S. an die Kopie gekommen ist, müssen wir sie selbst fragen!«

"Auf erneute Nachfrage erklärt die Zeugin, die Kopie aus dem Besitz von Frau M. erhalten zu haben. »Von wem bekamen Sie die Kopie? Von Frau M. selbst oder von jemandem, der sie vertritt?«, fragt Strate weiter. Und: »Woher wussten Sie, dass »i.V.« von Bedeutung ist? »Aus Presseartikeln«, antwortet die Zeugin irritiert. Ob bestimmte Reporter sie darauf hingewiesen hätten, etwa Otto Lapp vom Nordbayerischen Kurier? »Ja, und Frau Lakotta! [SPIEGEL

http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/wiederaufnahme-3-tag-zeugenmarathon.htm

 

Wie durfte man sich das vorstellen? Haben da Petra M. Frau S., Otto Lapp und Beate Lakotta zusammen gesessen und überlegt, wie man aus der unechten Urkunde, die in den Medien erwähnt wurde, wieder ein echtes machen könnte, durch Auftauchen des Originals? 

 

 

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<cite>Gast schrieb:

 

@ Gast #43

Nicht Brixner war das, sondern der erste Amtsrichter, der Zweifel an der Schuldfähigkeit hatte.

 

 

 

Ja, eben. Brixner weiß ja auch nicht einmal, was Zweifel sind.</cite>

 

Genau. Da ist er in guter Gesellschaft.

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@ f&f

"Wie man so nachdrücklich ausgerechnet GM eine Kommunikationsverweigerung unterstellen, ich möchte beinahe sagen, andichten kann, erschließt sich mir auch bei genauestem Nachdenken nicht."

Meinen Sie nicht, dass zur Kommunikation auch eine soziale Komponente gehört?

Meinen Sie, dass sich irgend ein Anwalt oder irgend ein Gericht vom Angeklagten die Spielregeln diktieren lässt?

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Mitleser schrieb:

@ f&f

"Wie man so nachdrücklich ausgerechnet GM eine Kommunikationsverweigerung unterstellen, ich möchte beinahe sagen, andichten kann, erschließt sich mir auch bei genauestem Nachdenken nicht."

Meinen Sie nicht, dass zur Kommunikation auch eine soziale Komponente gehört?

Meinen Sie, dass sich irgend ein Anwalt oder irgend ein Gericht vom Angeklagten die Spielregeln diktieren lässt?

 

*/

@ Mitleser:

Es erfreut mich doch außerordentlich, dass Sie mir also in meiner Conclusio direkt beipflichten, sofern ich Sie da richtig verstanden habe:

 

Denn mir ging es in meinem Beitrag „lediglich“ darum, dass hier jemand, (mit allen für ihn unangenehmen Folgen s.o.) der Nicht-Kommunikation bezichtigt wurde, der sehr wohl kommuniziert hat, aber eben nicht das, gesagt hat, was er sollte, und wohl auch nicht so, wie er es sollte.

 

Oder was meinten Sie anderes mit „sozialer Komponente“ und mit (ich füge mal  ein: Menschen wie) Richter , Staatsanwälte und Verteidiger müssen sich doch von (ich füge mal  ein: jemandem wie ) einem Angeklagten (der hier in Deutschland übrigens in dem Stadium als Unschuldiger zu betrachten ist) nicht die Spielregeln diktieren lassen.

By the way: Gelten vor Gericht neuerdings „Spiel-Regeln“?

Ich dachte, das wäre die Strafprozessordnung

 

P.S: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, besser hätte man das, was ich meinte, nicht mit gelebtem Leben erfüllen können ;-)

 

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"In den Nachmittagsstunden hörte man aus verschiedensten Quellen immer wieder dasselbe: „Daran habe ich wirklich keine Erinnerung“. Man hatte meist den Eindruck, dass dieser Satz der Wahrheit entsprach. Aber er hatte zugleich in vielen Fällen gewissensreinigende Bedeutung. Denn hätte man sich erinnert, wäre das vielleicht nicht immer eine rühmliche Erinnerung gewesen."

 

Ich empfinde das nicht als fair gegenüber den Aussagenden. Bitte nennen Sie Ross und Reiter. Nehmen Sie an, ich würde berichten über eine vierköpfige Prüferkomission, der Sie, verehrter Herr Prof. Dr. Müller angehörten:

"Aufmerksam musterten die Prüfer die Kandidatinnen. Das gehört zu ihren Aufgaben, bei dem einen oder anderen Prüfer hatte man aber schon das Gefühl, dass es ihm nicht unangenehm war, den Blick länger wandern zu lassen".

 

Dieser Bericht wäre nicht in Ordnung. Und warum? Weil er zum einen nicht Ross und Reiter nennt (wer ist der Gaffer?) und zum anderen keinen objektiven Anhaltspunkt nennt, warum die Grenze zum Gaffen überschritten wurde. Gegen solcherart Berichterstattung kann man sich dann auch kaum wehren, weil sie keine ist.

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@ Nils

Über diesen Satz bin ich auch gestolpert.

Es fällt vielen, die sich intensiv mit dem Fall beschäftigen, offensichtlich sehr schwer, sich zu fragen, welche Verfehlungen welchem der Beteiligten vorzuwerfen sind, ob man ihnen überhaupt etwas vorwerfen kann, was sie anders gemacht hätten als ihre Kollegen. Es wäre zu differenzieren nach den einzelnen Zeugen, wobei dann, wie Sie richtig sagen, Ross und Reiter genannt werden müssten.

Es besteht unter Unterstützern weithin die Überzeugung, dass von der ersten Verhandlung an vorsätzlich und verabredet und ganz ohne Zutun Herrn Mollaths die Unterbringung herbeigeführt wurde. Herr Mollath ist das Opfer, Richter, Anwälte usw. tragen die alleinige Verantwortung, haben sich schuldig gemacht. Sie müssen ja ein schlechtes Gewissen haben, anderes ist nicht denkbar.

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@ Gast #13

Ich stimme Ihnen zu: Dolmany hätte, wenn er diese Überzeugung damals vertreten hat, die Sache nicht ihren Gang gehen lassen dürfen.

Soweit ich die Entwicklung überblicke, war es so, dass Herr Mollath zu keinem Zeitpunkt die Rolle des Angeklagten akzeptiert hat. Das ist menschlich verständlich, im Rückblick umso mehr. Aber indem er sich über die Situation stellte, sie nicht erkannte und auch Beratung nicht annehmen wollte, hat er Missverständnissen auch Vorschub geleistet.

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Gast schrieb:

Soweit ich die Entwicklung überblicke, war es so, dass Herr Mollath zu keinem Zeitpunkt die Rolle des Angeklagten akzeptiert hat. Das ist menschlich verständlich, im Rückblick umso mehr. Aber indem er sich über die Situation stellte, sie nicht erkannte und auch Beratung nicht annehmen wollte, hat er Missverständnissen auch Vorschub geleistet.

 

Er hat wohl nicht nur Missverständnissen Vorschub geleistet, sondern auch auf notwendige Verteidigung verzichtet. Ich versztehe es allmählich so, als ob Mollath nicht einmal versucht habe, die Aussagen seiner Frau zum Einsturz zu bringen, sondern dass er nur eins versucht habe: Immer wieder den HBV-Fall zu thematisieren.

 

Ich würde, falls es so sein sollte, bereits deshalb von einer geistigen Störung ausgehen, die man vielleicht mit "Realitätsverlust aufgrund Einengung des geistigen Blickwinkels auf ein den Kranken beherrschendes Thema"  bezeichnen könnte. Mollaths Verhalten in den damaligen Prozessen erscheint mir zunehmend als Kamikaze.

Und die Frage ist wirklich erlaubt: Wenn er so sehr auf den Geldverschiebungsskandal fgixiert war, dass er offenen Auges und ohne jede Gegenwehr in die ihm gestellte Psychiatrie-Falle rannte, wozu hätte oder hatte diese Fixierung noch führen können, solange seine diesbezüglichen Klagen überall nur auf Ablehnung stießen?

 

Hat Brixner womöglich Schlimmstes verhindert, ohne es zu ahnen?

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@ Gast #16

Der letzte Satz ist schon sehr provokativ. Aber ansonsten kann ich Ihnen gut folgen. "Missverständnisse" auch vor dem Hintergrund von Dolmanys Einschätzung, der Mollath ja nicht für krank gehalten hat: aber die meisten der damals Beteiligten haben Mollath als "auffällig" wahrgenommen bzw. es stellte sich die Frage der Schuldfähigkeit. Das Attest der Frau Dr. Krach war wohl nicht alleiniger Auslöser, wie das immer geschrieben wird. Man kann sicher von situationsinadäquatem Verhalten oder Realitätsverlust sprechen, den Amtsrichtern war noch nicht einmal klar, ob der Angeklagte die Taten bestreitet. Gewiss waren sie überfordert mit dem, was Mollath von ihnen verlangte und sollte er beabsichtigt haben, mit seinen Vorwürfen die Aussagen der Zeugen zu widerlegen bzw. die Glaubwürdigkeit seiner damaligen Frau zu erschüttern, so ist das nicht angekommen.

Mollath wäre gut beraten gewesen, hätte er sich nicht tags zuvor von seinem damaligen Anwalt getrennt, was den Eindruck eines irrationalen Verhaltens sicher noch verstärkte. Statt mit einem Anwalt erschien er dann mit seiner Verteidigungsschrift, mit der der Richter in dem Moment nicht viel anfangen konnte. Es ist schon bezeichnend, dass sie nicht veröffentlicht wurde, das wäre der Legendenbildung doch sehr abträglich gewesen.

Wenn man sich die Situation vor Augen führt, kann es eigentlich nicht verwundern, dass dieses Konvolut der Psychiatrisierung Vorschub leistete. Üblicherweise empfehlen Juristen ja, so wenig Dokumente bei Gericht vorzulegen wie möglich, weil generell – nicht nur bei Herrn Mollath - die Gefahr besteht, dass sie auch gegen den Mandanten verwendet werden können. Warum ist es dann so schwer zu verstehen, dass bei Herrn Mollath genau das passierte?

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Zum Gutachterstreit und § 246a StPO - Was heißt "kommt in Betracht"?

Der 246a StPO ist ein Unsinnsparagraph dann, wenn der Angeklagte die Mitwirkung verweigert und schweigt. Hier hat das Gesetz eine schwerwiegende Lücke für die non liquet Situation (die man durch einen Absatz 4 schließen sollte), was Politik und Justiz aber nicht sehr zu stören scheint. Denn es ist natürlich klar: Wenn man nichts weiß kann man nichts sagen und erst recht nicht gutachten. Nicht so das okkulte Spiel vor Gericht, denn es sieht vor, dass der Psychiater immer gutachten kann und soll, selbst wenn er gar nichts weiß. Die Psychiatrie spielt hier sehr willfährig mit. Mit Wissenschaft, Berufsethik, gesundem Menschenverstand und wohlverstandenem Recht hat das allerdings nichts mehr zu tun.*

§ 246a StPO [Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung] (kursiv-fett RS)
 (1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrungangeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) ...

Frage an Herrn Prof. Müller: Was genau heißt "kommt in Betracht"? Ist das ein Rechtsbegriff? Ich wurde bei meiner Recherche in beck-online diesbezüglich nicht fündig. Das scheint ein ziemliche nebulöser Gummi zu sein.

*Quelle:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/WA0.htm#Zum%20Gutachterstreit

 

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Sponsel,

ich glaube, Sie urteilen hier zu schnell ohne Berücksichtigung der Hintergründe. Sie wollen doch sicherlich nicht, dass Juristen allein über die Unterbringung entscheiden? Das wäre aber ohne § 246a StPO möglicherweise der Fall. § 246a StPO verpflichtet das Gericht, vorher (IN der Hauptverhandlung) einen Sachverständigen zu hören.  Der § kann damit jedenfalls darin bremsen,  eine Unteerbringung ad hoc (weil man den Angeklagten unter Druck setzen will) als Option "in Betracht zu ziehen". Immerhin muss dann vorher ein SV gehört werden (also beauftragt, abgewartet, bezahlt). Es wäre - ganz im Gegensatz zu Ihrer Auffassung - ziemlich unsinnig, diesen Paragraphen zu streichen, denn er begrenzt Willkür, die Sie sonst zu Recht beklagen würden.

Natürlich ist "in Betracht kommen" ein auslegbarer Begriff, genauso wie Anfangsverdacht, hinreichender Tatverdacht etc. Das Gesetz ist voll davon. Die herrschende Auslegung solcher Begrifflichkeiten entwickelt sich dann durch Rechtsprechung und Lehre. Ich habe ja schon oben geschrieben, dass die Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung / Beobachtung des Angeklagten auch gar nicht von § 246a StPO, sondern von § 80 StPO geregelt wird.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Gutachterstreit 246a StPO

Sehr geehrter Herr Prof. Müller, [11.7.14, #20]

vielen Dank für Ihre kritische Ausführung. Ich denke aber, Sie haben mich missverstanden. Ich habe nicht dafür plädiert, den 246a StPO gänzlich aufzuheben, sondern für den Fall, wo er nichts hergibt, einen neuen Absatz (4) einzubauen, in dem das non liquet geregelt wird. Ich hatte das so ausgedrückt:

Der 246a StPO ist ein Unsinnsparagraph dann, wenn der Angeklagte die Mitwirkung verweigert und schweigt. Hier hat das Gesetz eine schwerwiegende Lücke für die non liquet Situation (die man durch einen Absatz 4 schließen sollte), was Politik und Justiz aber nicht sehr zu stören scheint.

Im Streit um die Teilnahme von Nedopil im Mollathfall, spielt der 246a StPO natürlich die entscheidende Rolle. Und da wir ohnehin insgesamt aufgrund des Mollathfalles bei der Diskussion um die Reform des § 63 StGB sind, sollten wir auch alle damit zusammenhängenden unzulänglichen Paragraphen wie z.B. auch der § 463 Abs 4 StPO (externe Begutachtung) oder wie hier der 246a StPO einbeziehen.

Im übrigen schlage ich vor, eine eigene Seite zu den unbestimmten Rechtsbegriffen aufzumachen. So ein nebulöser Gummi wie "Kommt in Betracht" ist mit Wissenschaft nicht vereinbar. Zur gesamten Problematik der Rechtsbegriffe aus sachverständiger Sicht habe ich hier einen Beitrag geleistet:

http://www.sgipt.org/forpsy/RechtsB/PFRB0.htm

 

Vielen Dank noch mal, dass Sie diesen blog hier eingerichtet haben.

Sehr geehrter Nils,

Zu meiner Äußerung:

"In den Nachmittagsstunden hörte man aus verschiedensten Quellen immer wieder dasselbe: „Daran habe ich wirklich keine Erinnerung“. Man hatte meist den Eindruck, dass dieser Satz der Wahrheit entsprach. Aber er hatte zugleich in vielen Fällen gewissensreinigende Bedeutung. Denn hätte man sich erinnert, wäre das vielleicht nicht immer eine rühmliche Erinnerung gewesen."

schreiben Sie:

Ich empfinde das nicht als fair gegenüber den Aussagenden. Bitte nennen Sie Ross und Reiter. Nehmen Sie an, ich würde berichten über eine vierköpfige Prüferkomission, der Sie, verehrter Herr Prof. Dr. Müller angehörten: "Aufmerksam musterten die Prüfer die Kandidatinnen. Das gehört zu ihren Aufgaben, bei dem einen oder anderen Prüfer hatte man aber schon das Gefühl, dass es ihm nicht unangenehm war, den Blick länger wandern zu lassen". Dieser Bericht wäre nicht in Ordnung. Und warum? Weil er zum einen nicht Ross und Reiter nennt (wer ist der Gaffer?) und zum anderen keinen objektiven Anhaltspunkt nennt, warum die Grenze zum Gaffen überschritten wurde. Gegen solcherart Berichterstattung kann man sich dann auch kaum wehren, weil sie keine ist.

Ich würde Ihnen zustimmen, wenn dies da oben der einzige Satz wäre, den ich zum Fall Mollath je geschrieben hätte. Ich kann nicht allen Lesern zumuten, alles zum Fall Mollath zu lesen, was ich hier und anderswo geschrieben habe (siehe hier). Aber ich kann es ja ebenso wenig allen Lesern zumuten, alles in jedem einzelnen Bericht bzw. Kommentar noch einmal zu wiederholen. Selbstverständlich habe ich längst Ross und Reiter genannt und daraus - aus der Prozessgeschichte dieses Falls - ergeben sich eben die vielfältigen juristischen Fehler, die begangen wurden und, wenn das zugrundeliegende Verhalten nicht erinnert wird (was ich für nachvollziehbar halte), dann hat in das vielen Fällen eben möglicherweise auch die angesprochene gnädige Wirkung. 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

"Nach Vorhalten aus dem Protokoll -gerade im Hinblick auf die vereidigte Aussage von Mollaths Schwägerin, die am Dienstag etwas anders als 2004 vor dem Amtsgericht ausgesagt hat (Sie habe Mollath an dem fraglichen 31. Mai 2002 gar nicht gesehen) [...]

http://www.live.mittelbayerische.de/Event/Der_Fall_Mollath

 

Ooops, soll das heißen, PMs Schwägerin hat damals einen Meineid abgelegt... und das jetzt durch die geänderte Aussage indirekt bestätigt?

Na, sowas von glaubwürdiger Zeugin.

 

 

 

 

 

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bille schrieb:

"Nach Vorhalten aus dem Protokoll -gerade im Hinblick auf die vereidigte Aussage von Mollaths Schwägerin, die am Dienstag etwas anders als 2004 vor dem Amtsgericht ausgesagt hat (Sie habe Mollath an dem fraglichen 31. Mai 2002 gar nicht gesehen) [...]

http://www.live.mittelbayerische.de/Event/Der_Fall_Mollath

 

Ooops, soll das heißen, PMs Schwägerin hat damals einen Meineid abgelegt... und das jetzt durch die geänderte Aussage indirekt bestätigt?

Na, sowas von glaubwürdiger Zeugin.

 

Meineid nur dann, wenn die beeidigte Aussage nachweislich falsch war. Andernfalls uneidliche Falschaussage.

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Eindeutig falsch, ihre Aussage.

2002 hat sie behauptet, Mollath nicht gesehen zu haben, als sie PM in der Wohnung abholte. Beeidet.

2014 erzählt sie Details, sogar wie Mollath angeblich geguckt hat...und betont, die diesjährige Aussage ist richtig.

 

Meineid. Verjährt, aber Meineid. Sie ist also eine Lügnerin...

5

@ Prof. Müller

Es gibt wirklich viel zu lesen, das dauert auch, bis man sich da orientiert.

Es wurde geschrieben, dass RA D. sich im Revisionsverfahren hätte stärker engagieren müssen und um eine Unterbringung zu verhindern. Die Fehlleistung des Arztes liegt auch auf der Hand. Aber die der Richter und des Staatsanwalts, außer dass sie der Frau geglaubt haben? Ich fürchte, dass das recht häufig vorkommt, gerade bei mehreren übereinstimmenden Zeugenaussagen, zudem gibt es ja noch übergeordnete Instanzen. Wenn da gesagt wird, es sei ein Routineverfahren gewesen, eines von Tausenden, dann kann ich das aus ihrer Sicht schon nachvollziehen und erwarte auch nicht, dass sie sich an Details erinnern.

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Gast schrieb:

@ Prof. Müller

 Ich fürchte, dass das recht häufig vorkommt, gerade bei mehreren übereinstimmenden Zeugenaussagen, zudem gibt es ja noch übergeordnete Instanzen. Wenn da gesagt wird, es sei ein Routineverfahren gewesen, eines von Tausenden, dann kann ich das aus ihrer Sicht schon nachvollziehen und erwarte auch nicht, dass sie sich an Details erinnern.

 

Übergeordnete Instanzen?  Wie kommen Sie denn darauf?

 

Strafverfahren, die in der ersten Instanz am Landgericht laufen, kennen nur eine Tatsacheninstanz, nämlich das Landgericht! Nur die Revision und die Verfassungsbeschwerde verbleiben dann noch als Rechtsmittel, und beide setzen nachweisliche Begehung von Rechtsfehlern voraus, erheben also keine Tatsachen und könen sich nur auf das stützen, was das Landgericht in Urteil und Protokoll  festgehalten hat, so dass das Landgericht es sehr weitgehend in der Hand hat, von ihm begangene Rechtsfehler zu vertuschen!

 

Und was die "Routine" angeht: Sollte es für Richter Brixner Routine gewesen sein, Beschwerden gegen Entscheidungen seiner Kammer nicht weiterzuleiten und Vorträge des Angeklagten ungelesen in den Akten zu verstauen?

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@Gast

 

Ein Routinefall.....und dann wird bei der Anklage Häusliche Gewalt:

Ein Brief gestohlen, eine Körperverletzung, die erst über ein Jahr später überhaupt angezeigt wird, eine Freiheitsberaubung über 1 Std. beim Ehestreit

ein Psychiater als Gutachter gleich zur ersten Verhandlung zugezogen?

 

Die Gutachter kämen dann aus den Gerichtssäälen gar nicht mehr raus, wenn das Routine wäre..

 

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Ich entschuldige mich im voraus, falls das schon erwähnt wurde. Ich frage mich, mit welchem Zweck Protokollierung und Aktenführung durch Gerichte und Anwälte begründet werden. Dafür gibt es natürlich einschlägige Verfahrensvorschriften und Rechtsprechung im NAMEN DES VOLKES (nicht nur der Richterschaft, die sich vor Strafverfolgung schützen will). Mit umfassender Würdigung und klarer Bewertung von entscheidungserheblichen Tatsachen werden URTEILE gefällt. Mit diesen Urteilen im Namen des Volkes wird in das Leben und die Grundrechte von Menschen eingegriffen, die den Juristen gleichberechtigtsind. Die Richter und Anwälte gehen akademisch geschult und vorbereitet in den Prozess. Sie haben die Prozessführung in der Hand. Wenn Verfahrensdokumente jetzt nur noch als Stichwortgeber für Erinnerungslücken herhalten, dann stinkt es gewaltig. Verlangt man als Beteiligter die Protokollierung von Sachverhalten, dann passiert Folgendes:

"«Diese Ausführungen hatten unserer Ansicht nach nicht zur Sache gehört und sind von uns unterbrochen worden», berichtete die Zeugin"

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/oberpfalz-bayern/artikel/zeug...

Komisch, warum interessiert es denn das Gericht jetzt im Wiederaufnahmeverfahren, wenn es nicht zur Sache gehört und deswegen abgewürgt wird. Worin bestand "unserer Ansicht nach" konkret? Jedes Verfahren ist doch so von Gericht und Anwalt zu dokumentieren, dass im Falle einer Wiederaufnahme alle entscheidungserheblichen Fragen beantwortet werden können. Beweisvernichtung bzw. -vereitelung, Amts- bzw. Berufspflichtverletzung und Strafvereitelung im Amt? Gesetzlich vorgegebene Konsequenzen, Strafbarkeit, Ermittlungspflicht?

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@ Lutz Lippke

Was ist denn Ihrer Meinung nach "die Sache"? Aus der Sicht der Richter waren es die Tatvorwürfe, aber dazu hat Mollath nicht klar Stellung genommen, sich quasi darüber gestellt, um selbst die Schwarzgeldvorwürfe anzuklagen. Diese wären in der Situation aber nur insofern relevant gewesen, als er damit die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin hätte erschüttern können. Das ist jetzt im Wiederaufnahmeverfahren auch nicht anders: die Anträge, die Herr Strate gestellt hat, um den Schwarzgeldkomplex stärker in den Vordergrund zu rücken, wurden zurückgestellt. Insofern erübrigt sich die Frage, wer diese Ansicht konkret vertritt, eine andere Ansicht ist schwer vorstellbar.

 

0

@Gast,

Sie schreiben:

Es wurde geschrieben, dass RA D. sich im Revisionsverfahren hätte stärker engagieren müssen und um eine Unterbringung zu verhindern.

Ich habe für RA D. ein gewisses Verständnis (s.o.). Aber ich habe wenig Verständnis für einen Vors RiLG, der das Gesetz missachtet.

Die Fehlleistung des Arztes liegt auch auf der Hand.

Ja, hier wurden Fehlleistungen offenbar. Aber entscheidend war die Fehlleistung des Gerichts, das das Attest als Attest der Ärztin verlas und zwar wider besseres Wissen (die Beisitzerin RiLG hat heute geschildert, das habe Gericht gewusst, dass das Attest vom Sohn der Ärztin stammt)

Aber die der Richter und des Staatsanwalts, außer dass sie der Frau geglaubt haben?

Die Richter und Staatsanwälte haben in der Tat die entscheidenden Fehler begangen und dabei Gesetz und Recht missachtet, siehe oben und siehe meine vorherigen Beiträge.

Ich fürchte, dass das recht häufig vorkommt, gerade bei mehreren übereinstimmenden Zeugenaussagen, zudem gibt es ja noch übergeordnete Instanzen.

Die übergeordnete Instanz des LG ist der BGH. Dessen Prüfung hängt stark davon ab, wie das Urteil gerügt wird. Auch dazu habe ich bereits Stellung genommen, nachdem die Justizministerin (und der Richterverein) damals darauf bestanden haben, das Urteil sei in Ordnung, denn schließlich habe der BGH das Urteil geprüft. Offensichtlich ist das nicht in der erforderlichen Tiefe geschehen.

Wenn da gesagt wird, es sei ein Routineverfahren gewesen, eines von Tausenden, dann kann ich das aus ihrer Sicht schon nachvollziehen und erwarte auch nicht, dass sie sich an Details erinnern.

Nein, ich erwarte auch nicht, dass sie sich an Details erinnern. Ich erwarte, dass in Strafverfahren dem Gesetz gemäß gearbeitet wird. Ich finde, das sollten wir alle erwarten.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@ Prof. Müller.

Danke für Ihre Antwort. Ich habe Sie wohl missverstanden, denn ich war der Meinung, Sie hätten "Eindrücke vom dritten Tag" wiedergegeben: "Man hatte meist den Eindruck, dass dieser Satz der Wahrheit entsprach. Aber er hatte zugleich in vielen Fällen gewissensreinigende Bedeutung. Denn hätte man sich erinnert, wäre das vielleicht nicht immer eine rühmliche Erinnerung gewesen." Soweit mir bekannt, wurde Richter Brixner noch gar nicht vernommen.

Ihr letzter Satz irritiert: gibt es denn irgend jemand, der etwas Anderes erwarten würde, als dass in Strafverfahren nach dem Gesetz gearbeitet wird?

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Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie schreiben:

Ich habe nicht dafür plädiert, den 246a StPO gänzlich aufzuheben, sondern für den Fall, wo er nichts hergibt, einen neuen Absatz (4) einzubauen, in dem das non liquet geregelt wird. Ich hatte das so ausgedrückt: Der 246a StPO ist ein Unsinnsparagraph dann, wenn der Angeklagte die Mitwirkung verweigert und schweigt.

Ich bleibe bei meiner Auffassung, denn auch der von Ihnen vorgeschlagene Absatz 4 birgt die Gefahr, die ich oben benannt habe. Nur wenn man der Ansicht ist (ich glaube, Sie sind das nicht), es gebe die in § 20 StGB beschriebenen Zustände gar nicht, und es könne auch nicht die Situation eintreten, in der ein tatsächlich Kranker (möglicherweise aus Krankheitsgründen!) die Mitwirkung verweigert, macht so ein Absatz Sinn. Sobald man aber in Rechnung stellt, dass es solche Zustände geben kann, würde ich entschieden weiterhin dafür plädieren, einen Sachverständigen (zur Kontrolle des Gerichts!) einzusetzen, bevor man über eine Unterbringung entscheidet. Was Sie vorschlagen, liefe darauf hinaus, dem Missbrauch (erst Recht) Tür und Tor zu öffnen. Abgesehen davon kann jeder Angeklagte sich jederzeit anders entscheiden, also im Verlauf des Verfahrens doch sprechen oder entgegen seiner vorherigen Angabe doch an einer Exploration mitwirken. Wollen Sie einem Angeklagten diese Möglichkeit nehmen?

Im Streit um die Teilnahme von Nedopil im Mollathfall, spielt der 246a StPO natürlich die entscheidende Rolle. Und da wir ohnehin insgesamt aufgrund des Mollathfalles bei der Diskussion um die Reform des § 63 StGB sind, sollten wir auch alle damit zusammenhängenden unzulänglichen Paragraphen wie z.B. auch der § 463 Abs 4 StPO (externe Begutachtung) oder wie hier der 246a StPO einbeziehen.

Nein. Ob überhaupt ein Sachverständiger "gehört" werden muss, ist in § 246a StPO geregelt. Ob und inwieweit man ihm die (ständige) Teilnahme an der Hauptverhandlung gestattet, das regelt § 80 StPO. Dazu habe ich in diesem Beitrag hier Stellung genommen.

Und vielleicht sollte man, um sich ein Urteil zu bilden, auch die laufende Hauptverhandlung anschauen:

1. Herr Mollath nimmt (trotz Beobachtung durch den Sv) aktiv an der Hauptverhandlung teil, stellt Fragen und nimmt zu den Antworten Stellung. 2. Herr Prof. Nedopil hat den Zeugen auch bereits mehrfach Fragen gestellt, die zugunsten Mollaths wirken.

Natürlich ist das Thema "unbestimmte Rechtsbegriffe" wichtig. Dazu gibt es haufenweise juristische Dissertationen, Habilitationen etc. Ich glaube, das Thema ist einfach zu umfassend für eine notwendig oberflächliche Behandlung auf einer Website. Hinsichtlich "kommt in Betracht" bin ich auch ganz anderer Auffassung als Sie: Es ist eine bewusst niedrige Schwelle des Gesetzes, damit auf jeden Fall (zum Schutz des Angeklagten) immer ein Sv gehört wird. Sie interpretieren die Vorschrift aber so, als ginge es um einen Nachteil für den Angeklagten.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie schreiben:

Ich habe nicht dafür plädiert, den 246a StPO gänzlich aufzuheben, sondern für den Fall, wo er nichts hergibt, einen neuen Absatz (4) einzubauen, in dem das non liquet geregelt wird. Ich hatte das so ausgedrückt: Der 246a StPO ist ein Unsinnsparagraph dann, wenn der Angeklagte die Mitwirkung verweigert und schweigt.

Ich bleibe bei meiner Auffassung, denn auch der von Ihnen vorgeschlagene Absatz 4 birgt die Gefahr, die ich oben benannt habe. Nur wenn man der Ansicht ist (ich glaube, Sie sind das nicht), es gebe die in § 20 StGB beschriebenen Zustände gar nicht, und es könne auch nicht die Situation eintreten, in der ein tatsächlich Kranker (möglicherweise aus Krankheitsgründen!) die Mitwirkung verweigert, macht so ein Absatz Sinn. Sobald man aber in Rechnung stellt, dass es solche Zustände geben kann, würde ich entschieden weiterhin dafür plädieren, einen Sachverständigen (zur Kontrolle des Gerichts!) einzusetzen, bevor man über eine Unterbringung entscheidet.

 

 

Sie, sehr geehrter Herr Prof. Müller  unterstellen nach wie vor, die sog. "Experten" könnten valide Feststellungen und würden das auch tun, denn sonst müssten Sie erkennen, dass der Einsatz eines solchen "Experten" zu absolut nichts anderem als zu einer willkürlichen "Diagnose" und/oder "Prognose" führen kann.

 

Bei alldem kann es an Ihnen nicht einmal vorbeigegangen sein, dass selbst diese "Experten" zugeben, nichts messen zu können, also nichts wirklich feststellen zu können. Was müsste geschehen, damit Sie sagen würden: "Diese Psychiatrie ist ein ungeeignetes Werkzeug, es muss ein geeignetes her!"

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Sehr geehrter Gast,

Sie schreiben:

Sie, sehr geehrter Herr Prof. Müller  unterstellen nach wie vor, die sog. "Experten" könnten valide Feststellungen und würden das auch tun, denn sonst müssten Sie erkennen, dass der Einsatz eines solchen "Experten" zu absolut nichts anderem als zu einer willkürlichen "Diagnose" und/oder "Prognose" führen kann.

Ich unterstelle gar nichts, sondern versuche, bevor ich die Abschaffung oder Änderung eines Gesetzes fordere, dessen Sinn zu analysieren. Ich weiß, dass es an der Psychiatrie ernsthafte Kritik gibt, tendiere aber dazu, dennoch die Funktion von Sachverständigen nicht für sinnlos zu halten. Dass es "zu absolut nichts anderem als zu einer willkürlichen Diagnose / Prognose führen kann", erkenne ich nicht und lasse mir diese Erkenntnis auch nicht vorschreiben.

Bei alldem kann es an Ihnen nicht einmal vorbeigegangen sein, dass selbst diese "Experten" zugeben, nichts messen zu können, also nichts wirklich feststellen zu können. Was müsste geschehen, damit Sie sagen würden: "Diese Psychiatrie ist ein ungeeignetes Werkzeug, es muss ein geeignetes her!"

Ja, die Psychiatrie ist ein sehr verbesserungsbedürftiges Werkzeug der Erkenntnisfindung. Ich begrüße es, wenn selbst die Psychiater so selbstkritisch sind, dass sie ihre Fehlbarkeit einräumen. Wenn Sie mir ein geeigneteres Werkzeug nennen können (woran ich momentan große Zweifel habe), würde ich sagen: Her damit. Leider sind wir manchmal gezwungen, mit dem begrenzten Wissen klarzukommen, das wir derzeit haben. Natürlich dürfen wir uns nicht davon abhalten lassen, auch nach derzeitigen Standards ungenügende, fehlerhafte und missbräuchliche Sachverständigengutachten zu kritisieren. Sie wollen den Weg wählen, die ganze Psychiatrie abzuschaffen. Ihre Argumente dafür scheinen mir nicht plausibel.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich unterstelle gar nichts, sondern versuche, bevor ich die Abschaffung oder Änderung eines Gesetzes fordere, dessen Sinn zu analysieren. Ich weiß, dass es an der Psychiatrie ernsthafte Kritik gibt, tendiere aber dazu, dennoch die Funktion von Sachverständigen nicht für sinnlos zu halten. Dass es "zu absolut nichts anderem als zu einer willkürlichen Diagnose / Prognose führen kann", erkenne ich nicht und lasse mir diese Erkenntnis auch nicht vorschreiben.

 

Wenn jemand etwas beurteilt, ohne die Möglichkeit zu haben,  dabei auf tauglichen Methoden und Maßstäben zu bauen, dann kann die Beurteilung nur willkürlich sein, eine andere Möglichkeit bleibt ihm dann nicht einmal, selbst beim besten Willen nicht.

Dass Sie geradezu stolz darauf zu sein scheinen, diese unumstößliche Wahrheit nicht zu akzeptieren,  stellt Ihre Beurteilungsfähigkeit im Generellen infrage und lässt, soweit Ihre Facjhkollegen diese Haltung teilen, nur Schlimmstes für die weitere Entwicklung der Rechtslehre fürchten.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ja, die Psychiatrie ist ein sehr verbesserungsbedürftiges Werkzeug der Erkenntnisfindung. Ich begrüße es, wenn selbst die Psychiater so selbstkritisch sind, dass sie ihre Fehlbarkeit einräumen.

Dass die Psychiater so selbstkritisch seien, darf bezweifelt werden. Es ist wohl eher so, dass ihnen die Kritik daran, dass die herrschende Psychiatrie keine Wissenschaft, sondern rein dogmatischer Natur sei, bekannt ist, dass zumindest den klügeren unter ihnen klar ist, dass sie keine Chance haben, zumindest den Intelligenten unter den Kritikern etwas anderes vorzutäuschen, dass sie dann, um den Verlust eigener Glaubwürdigkeit zu verhindern, sagen: "Ok, wir können nicht messen. Aber wir gehen mit umfangreichem Erfahrungswissen an den Probanden heran und geben unser Bestes, der Wahrheit zu nahe wie möglich zu kommen."  Dr. Rudolf Sponsel versucht sogar, dogmatisches Vorgehen in Richtung Wissenschaftlichkeit zu überführen - es ist, auch wenn Sponsel ein sehr kluger Kopf ist, wie der Versuch der Quadratur des Kreises.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Wenn Sie mir ein geeigneteres Werkzeug nennen können (woran ich momentan große Zweifel habe), würde ich sagen: Her damit.

Das ist doch gar nicht wahr. Damit Sie  Sie sich mit anderen Konzeptionen befassen würden, würde es nicht reichen, wenn ich Ihnen die vorlegen würde. Ihre eigene Dogmengläubigkeit, siehe dazu meine erste Teilantwort in diesem Beitrag, würde für die Akzeptanz neuer Wege durch Sie fordern, dass die bisherigen Psychiater selbst die neuen Wege aufzeigten und die etablierten Verlage der Rechtslehre und der Psychiatrie diese Wege propagierten.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Leider sind wir manchmal gezwungen, mit dem begrenzten Wissen klarzukommen, das wir derzeit haben. Natürlich dürfen wir uns nicht davon abhalten lassen, auch nach derzeitigen Standards ungenügende, fehlerhafte und missbräuchliche Sachverständigengutachten zu kritisieren. Sie wollen den Weg wählen, die ganze Psychiatrie abzuschaffen. Ihre Argumente dafür scheinen mir nicht plausibel.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Ich will die Psychiatrie nicht ersatzlos abschaffen. Ich sehe in der herrschenden Psychiatrie aber nichts, was erhaltenswert wäre, und auch nicht, dass die jetzige Psychiatrie reformierbar wäre. Die Psychiatrie bringt nicht einmal bessere Ergebnisse, als würde man würfeln. Würfeln wäre billiger, und könnte vollzogen werden, ob der "Delinquent" sich explorieren lassen will, oder nicht. Damit wäre Würfeln schon mal besser als das bisherige Vorgehen. Ihren Worten nach ("Wenn Sie mir ein geeigneteres Werkzeug nennen können...") müssten Sie nun fordern, zukünftig zu würfeln.

 

Stattdessen behaupten Sie, Ihnen wären meine Argumente nicht plausibel. Ist es Ihnen wirklich nicht plausibel, dass man ohne geeignete Verfahren keine validen Ergebnisse produzieren kann?

 

Sie gehen auf Sachargumente nicht ein, weisen Sie aber pauschal  ab. Diese Haltung hätten wir eigentlich im Zuge der Aufklärung hinter uns lassen sollen - aber es war ja auch keine richtige Aufklärung, uns wurden ja nur die Spitzen der Dummheit genommen.

 

Sie fragen sich nicht einmal, warum man Psychiatrie nicht wissenschaftlich betreibt, offenbar meinen Sie allen Ernstes, das könne man nicht. Das man zwar könnte, aber nicht wolle, das haben Sie nicht einmal als Möglichkeit im Blick.  Sie sind stolz darauf, sich von stichhaltigen Argumenten nicht überzeugen zu lassen , feiern diese Haltung als Sieg Ihrer persönlichen Souveränität, andererseits glauben Sie absolut alles, solange es nur von hinreichend vielen Psychiatern gesagt wird. Sie machen derzeit nicht unbedingt Reklame für die Professoren der Rechtslehre.

Mit besten Grüßen

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Sehr geehrter Gast,

da Sie sich die Mühe gegeben haben, auf Einzelpunkte meiner Antwort einzugehen, habe ich die redaktionelle Löschung Ihres Beitrags rückgängig gemacht. Ich will Sie trotzdem daran erinnern, dass hier im Beck-Blog ein anderer Umgangston eingehalten werden soll als in vielen anderen Foren, in denen persönliche Angriffe üblich sind und redaktionell geduldet werden. Wenn solche Beiträge dann moderiert werden, wird die Redaktion oder werde ich regelmäßig beschimpft, es ginge um inhaltliche Zensur.

Ich pflege übrigens  grds. nicht mit Kommentatoren zu diskutieren, die es nicht einmal für Wert befinden, Ihre Argumente ohne persönlichen Angriff vorzutragen.

Mit bestem Gruß

Henning Ernst Müller

Problematik der Vereidigung ohne Wortprotokoll - präsumerische Zustände in der Hauptverhandlung
Die Idee der Vereidigung ist grundsätzlich gut. Eine beeidete Aussage hat mehr Gewicht, auch weil sie bei Unstimmigkeit mit erheblichen Konsequenzen geahndet wird. Allerdings ist die Vereidigung regelrecht vorsintflutlich  geregelt, wie das Wiederaufnahme-Verfahren Mollath gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit bringt - mit seinen zahlreichen Schwächen, Fehlern und Mängeln des Strafprozesses.

"Nach einer Unterbrechung hat die Kammer beschlossen, den Zeugen zu vereidigen. Von Richterin E. wird B. belehrt, dass ein Meineid mit Freiheitsstrafe bestraft wird. Braun würde gerne nur seine Kernaussage vereidigen lassen - das geht aber nicht. Später hebt er die recht Hand und schwört, die Wahrheit gesagt zu haben."  [Mittelbayerische, Mollath live, 4. Tag]

    Das ist alles andere als ein Kasperletheater, sondern eine sehr ernste Situation für die ZeugIn und unser Rechtssystem, wenn noch nicht einmal ein exaktes Protokoll dessen, was beeidet werden soll, vorliegt und auch gar nicht vorgesehen ist. Eine solche Konstruktion hat natürlich weder etwas mit gesundem Menschenverstand, noch mit Recht und schon gar nichts mit Rechtssicherheit zu tun. Eine solche Konstruktionen ist vielmehr hochgradig  absurd und präsumerisch. Denn: Keiner in der Hauptverhandlung kennt den Wortlaut der Aussage, die zu beeiden ist, wenn nicht vorher  ein Wortprotokoll (Tonaufzeichnung) beantragt wurde. Die Richter, der Rechtsanwalt und der Staatsanwalt als die drei wichtigsten Gerichtsorgane machen sich zwar in der Regel Notizen, aber sie dürften sich alle mehr oder minder deutlich voneinander unterscheiden, weshalb ja auch meist die Revision eine bloße Farce ist. Der Inhalt des Eides ist also unbestimmt, unklar und unsicher. So etwas einem Zeugen, dem Angeklagten und dem Rechtssystem zuzumuten, ist wahrlich eine Fehlleistung ohnegleichen. Es ist ein zwingendes Gebot des gesunden Menschenverstanden, der Fairneß, aber auch der Beweis- und Rechtssicherheit, dem Zeugen noch einmal zu präsentieren, was er beeiden soll. Und darüber wäre selbstverständlich ein Wortprotokoll zu fertigen.    

Quelle: http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/WA0.htm#Problematik%20der%...

Tja, dann hätte Herr Strate wohl besser keinen Vereidigungsantrag gestellt,der dürfte das mit der fehlenden Protokollierung mindestens genauso gut wissen wie Sie, Herr Sponsel.  Die Zumutung kam hier von der Mollath-seite...

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gaestchen schrieb:

Tja, dann hätte Herr Strate wohl besser keinen Vereidigungsantrag gestellt,der dürfte das mit der fehlenden Protokollierung mindestens genauso gut wissen wie Sie, Herr Sponsel.  Die Zumutung kam hier von der Mollath-seite...

Das fehlende Wortprotokoll bei Gerichtsverhandlungen ist ein generelles Problem. Mit einer Vereidigung hat das nichts zu tun.

Offensichtlich ist es von der Justiz und der Politik gewollt, daß die "Protokollierung" später nicht mehr als unzutreffend angegriffen werden kann, damit eine richterliche Protokollfälschung nachweisbar ist.

Dabei wäre es doch ganz einfach, mit Zustimmung der Parteien ein Tonaufnahmegerät mitlaufen zu lassen.

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Ich habe gerade das Protokoll über die Vernehmung der Zeugen dieses dritten Tages durchgelesen und bin entsetzt. Kurz: ich könnte gut verstehen, wenn einer der vulgo "Angeklagten", der erste Strafrichter, sich mit juristischen Mitteln gegen die fortgesetzten Verleumdungen wehren würde. Nur weil irgendwelche Zusammenhänge in einer bestimmten Gruppe mit ihren meinungsstarken Wortführern unterstellt und immer wieder auf’s Neue behauptet werden, sind sie noch lange nicht relevant, geschweige denn bewiesen. Das eine ist es, ob ein Strafverteidiger im Interesse seines Mandanten Argumente zu dessen Entlastung sammelt, etwas Anderes ist es, wenn er das öffentlich tut und noch einmal etwas Anderes ist es, wenn solche "Argumente" einschließlich verzerrter und falscher Darstellungen für den Wahlkampf der Opposition instrumentalisiert werden. Das ist einer der größten Denkfehler, dass man die Sache ausschließlich von ihrem Ende her betrachtet und so tut, als wäre die verhängnisvolle Entwicklung völlig unabhängig vom Verhalten des Angeklagten von Anfang an nichts anderes als die Realisierung eines bösen Plans gewesen, ausgeführt durch das Zusammenspiel von kriminellen oder willfährigen Akteuren. Das grenzt ja schon an kollektive Realitätsverkennung, die der damalige Richter per fortgesetzten Rufmords nun auszubaden hat. Besonders perfide finde ich die Bemerkung, er habe im Untersuchungsausschuss des Landtags irgendetwas "zum besten" gegeben. (S.76). Wer kennt schon diese Protokolle und kann nachvollziehen, was der Zeuge tatsächlich gesagt hat? So ist das wieder nur eine Suggestion, die den Zeugen in ein schlechtes Licht stellt, die Wirkung dürfte nicht ausbleiben.

So verständlich es ist, dass Herr Mollath nach Rehabilitation strebt, er sollte das nicht auf anderer Leute Kosten tun und dann noch wortstark von Moral und Deeskalation sprechen (lassen).

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Was kann man dem damaligen Richter eigentlich vorwerfen? Ja, er ist ein schlechter Zeuge, weil er wenig konkrete Erinnerungen hat. Für ihn war das erkennbar Tagesgeschäft, warum sollte er sich da nach über zehn Jahren an Details erinnern? Vielleicht sogar Gewissenbisse haben? Es soll sich einfach einmal ein jeder ein entsprechendes Szenario aus dem eigenen Berufsalltag vor Augen führen, ich vermute mal, das ist gar nicht so schwer. Man hätte immer mehr tun können, hinterher ist man immer schlauer. Ja, er hätte eine Kopie der Verteidigungsschrift anfertigen können. Aber solange man diese Verteidigungsschrift nicht kennt und sie selbst in Händen hatte, kann man nicht ohne weiteres bewerten, wie damit umgegangen wurde.

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Zwangseinweisung zu Begutachtung nach § 81 StPO setzt Mitwirkungsbereitschaft voraus

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2001 ein wegweisenden Urteil zur Einweisung nach § 81 StPO gefällt, das gesunden Menschen- und elementaren forensischen Sachverstand beweist, was aber das Unterbringungstriumvirat Richter, Staatsanwalt und Psychiater die letzten 10 Jahre wenig interessiert hat. Auch in den großen forensisch-psychiatrischen Standardwerken  fehlt jeglicher Hinweis auf das bedeutende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 2 BvR 1523/01. Und dieses Urteil wurde auch im Fall Mollath souverän ignoriert:

"Laut Beschluss sah der Richter damals keine andere Möglichkeit, als Mollath einweisen zu lassen, nur so könne ein Gutachten erstellt werden.

Strate hält ihm vor, dass das laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2001 nicht gegen den Willen des Angeklagten hätte geschehen dürfen. "Kannten Sie diese Entscheidung?" - Zeuge: "Sicher nicht." Er sei erst wenige Wochen zuvor Strafrichter geworden." [MB 5.Tag]

Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn Staatsanwälte und Richter mit einem "Fall" befasst werden, in dem sie noch nicht einmal die grundlegende höchstrichterliche Rechtsprechung kennen oder respektieren:

Ich beschränke mich auf die Wiedergabe der entscheidenden Passage (Rn 1, 20, 21, 22, 23, 24, 25) im Urteil des BVerfGs:

 

           "   Rn 1

           "Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Verhältnismäßig-

           keit einer Unterbringung nach § 81 StPO in einem Fall, in dem der

           Angeklagte die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sach-

           verständigen verweigert."

 

              Rn 20

           Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen

           Krankenhaus zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn

           der Beschuldigte sich weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr

           mitzuwirken, soweit die Untersuchung nach ihrer Art die freiwillige

           Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (vgl. BGH, StV 1994,

           S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine

           Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten

           verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei

           Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136 a StPO)

           oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des

           Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224;

           StV 1991, S. 248)."

          

Kommentar: Die Passage (Rn 20) des Beschlusses ist in klarem, unmissverständlichem Deutsch, das jede BürgerIn ab einem IQ  von 90 verstehen kann. Hier wird völlig klar und eindeutig gesagt, worauf es bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO zur Beobachtung ankommt, nämlich  auf die Mitwirkungsbereitschaft des Beschuldigten, wenn eine Exploration erforderlich ist.

Ich merke an: Eine Exploration ist fast immer notwendig , wenn es um die Beurteilung der §§ 21, 63 StGB zu einem späteren Zeitpunkt geht, denn hier sind  Verfassung, Befinden und Verhalten zu den Tatzeiten, die im Regelfall Monate oder Jahre zurückliegen, zu ergründen. Solche Erkenntnisse sind aber nur über die forensisch-psychopathologische Exploration zu gewinnen und durch keine - wie auch immer geartete - Beobachtung Monate oder Jahre später. Leider hat die forensische Psychiatrie bis jetzt keine wissenschaftlich begründete und praktische Methodik vorgelegt, wie die Eingangsmerkmale im Hinblick auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit für die Tatzeitpunkte beurteilt werden können. Ihre Methoden erschöpfen sich bislang meist im Meinen,  Mutmaßen, Phantasieren, Spekulieren.

Einmal mehr zeigt der Fall Mollath die extremen Schwächen unseres Rechtssystems, das mit einer - zu befürchtenden nur kosmetischen - Korrektur des § 63 StGB in keinster Weise zu reparieren ist. Hier liegt viel mehr und auch grundlegendes im Argen. 

 

Quelle mit Links: http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/WA0.htm#Zwangseinweisung%2...

 

RSponsel schrieb:

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2001 ein wegweisenden Urteil zur Einweisung nach § 81 StPO gefällt, das gesunden Menschen- und elementaren forensischen Sachverstand beweist, was aber das Unterbringungstriumvirat Richter, Staatsanwalt und Psychiater die letzten 10 Jahre wenig interessiert hat. Auch in den großen forensisch-psychiatrischen Standardwerken  fehlt jeglicher Hinweis auf das bedeutende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 2 BvR 1523/01. Und dieses Urteil wurde auch im Fall Mollath souverän ignoriert:....

 

Die vernünftig klingenden Urteile von BVerfG und BGH haben den Charakter von "Demoversionen". Auch die vom BGH vorgeschriebenen Anforderungen an sog. psychiatrische Gutachten werden so gut wie nie erfüllt, und es stört die Richter üblicherweise nicht einmal, wenn man ihnen schriftlich nachweist, dass ein Gutachten, auf dem sie bauen wollen, den Anforderungen des BGH nicht entspricht.

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Danke Herr Sponsel für Ihr unermüdliches Wirken nicht nur zu Grundfragen der Psychiatrie. Ich fasse mal Ihre Aussagen für mich etwas anders zusammen.

"Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn Staatsanwälte und Richter mit einem "Fall" befasst werden, in dem sie noch nicht einmal die grundlegende höchstrichterliche Rechtsprechung kennen oder respektieren"

"Leider hat die forensische Psychiatrie bis jetzt keine wissenschaftlich begründete und praktische Methodik vorgelegt"

"Ihre Methoden erschöpfen sich bislang meist im Meinen,  Mutmaßen, Phantasieren, Spekulieren."

"Einmal mehr zeigt der Fall Mollath die extremen Schwächen unseres Rechtssystems"

"Hier liegt viel mehr und auch grundlegendes im Argen."

Es wird schnell klar, dass man Rechtssystem/Richter und forensische Psychiatrie/Gutachter beliebig in diese Sätze einbauen kann. Zumindest in der Anwendung (Gesetzgebung/Rechtspflege/Begutachtung/Unterbringung) des in deutscher Lehre gebildeten Personals ist die fehlende Wissenschaftlichkeit und Methodik für beide Disziplinen prägend. Wenn auch die zur Disziplin gehörende "Forschung" darauf nicht kommt (Sie Herr Sponsel beweisen ja als Ausnahme die Regel), zeigt sich schon am praktischen Beispiel die fehlende Wissenschaftlichkeit. Wissenschaft ohne Methode ist wie Fussball ohne Ball. Reines Posing! Da beißt die Maus keinen Faden ab.   

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Herrn Dr. Sponsel ist weitestgehend zuzustimmen, lediglich das "meist" verstört, weil es suggeriert, dass ein Teil der Psychiater doch mit akzeptablen (wissenschaftlichen) Methoden arbeite.

Ihre Ergänzungen, Herr Lippke, treffen vollumfänglich zu. Es schlägt jedem rational orientierten Menschen ins Gesicht, wie in der Rechtspraxis Gutachten und Urteile gemacht werden können und entsprechend auch werden, man kann das nur entsetzt zur Kenntnis nehmen.

 

Das Schlimme daran ist, dass diese Dinge eindeutig politisch gewollt sind, wie sich auch an den Widerständen erkennen lässt, wenn man diese Dinge nur anspricht.

 

Objektiv können Richter und Gutachter fernab "geeichter" Methodik machen, was sie wollen, dabei haben die Richter es nich in der Hand, auf Protokolle von Zeugenaussagen zu verzichten, um selbst Verfälschungen von Zeugenaussagen vornehmen zu können, ohne dass man ihnen das nachweisen könnte. Er4wischt man einen Richter dennoch bei irgendetwas, was man der Rechtsbeugung zuordnen muss, dann haut die Justiz ihn heraus.

 

Objektiv: Es sind ideale Voraussetzungen für eine Justizwillkür gegeben, die aus jedem "U" ein "X" oder "!", also praktisch jedes beliebige Zeichen machen kann. Und das ist ganz offensichtlich politisch gewollt.

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Sehr geehrter Herr Sponsel,

die von Ihnnen zitierten Passagen der Entscheidung des BVerfG habe ich letzte Woche bereits zitiert und das Verhalten des Richters E. kommentiert. Dort befindet sich auch die Diskussion dazu. Im Wesentlichen geht es um den Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ich würde Sie (und die Leser)  bitten, die Diskussion jetzt nicht an zwei Stellen zu führen.

Danke

Henning Ernst Müller

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