Tag acht, die zweite Hälfte – Hauptverhandlung gegen Gustl Mollath

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 17.07.2014

An diesem Nachmittag hatte ich wieder Gelegenheit, der Hauptverhandlung zuzuhören.

Während am Vormittag, wie anderswo berichtet wird (z.B. hier), ein Gebrauchtwagenhändler eine immerhin fast filmreife Begegnung mit Herrn Mollath bezeugte, näherte sich die Verhandlung am Nachmittag den berühmten „Mühen der Ebene“.

Immerhin trat aber mit dem Zeugen L., der von einem Zeugenbeistand begleitet wurde, der erste mit der Begutachtung Mollaths beauftragte Psychiater auf. Allerdings nicht in der Sachverständigenrolle, sondern als „Geschädigter“: Auch ihm wurden Reifen zerstochen. Interessanter als dieser Vorgang war dennoch, ob L. sich noch an Einzelheiten der Verhandlung vor dem AG, insbesondere das Verhalten Mollaths erinnere.

Da sich L. nach eigenem Bekunden intensiv mit dem Fall beschäftigt hat, seit der Fall Mollath vor zwei Jahren bekannt wurde, vermischen sich natürlich Erinnerung und neues Wissen, was er seiner Aussage voranstellte. Mollath sei damals zu zwei angebotenen Terminen nicht gekommen und er sei deshalb ohne Gutachten zur Verhandlung erschienen. Viel später habe er gehört, Mollath sei nicht gekommen, weil dieser annehme, er habe ein Konto bei der HVB. Das sei aber überhaupt nicht der Fall, wie er glaubhaft versichert.

Allerdings habe er damals allein aufgrund der Schriftstücke im „Duraplus“-Ordner (insbesondere deren äußerer Gestaltung) schon angenommen, dass Mollath unter einer gravierenden psychischen Störung litte – wahrscheinlich sogar psychotischer Art. Deshalb habe er dem Gericht auch eine Unterbringung nach § 81 StPO vorgeschlagen, um die Schuldfähigkeit Mollaths zu begutachten. Für einen Lacher sorgt Mollaths Feststellung, vom Lay-Out her sehe die Website von L.s Praxis ganz ähnlich aus. Von RA Strate befragt, wie er seine Mitwirkung heute sehe, bleibt L. bei seiner damaligen Einschätzung. Auch wenn er nun die BVerfG-Entscheidung („Flowtex“) vorgehalten bekomme, ändere dies wenig, da er diese anders interpretiere als Strate. Strate konstatiert in von ihm eingeräumter emotionaler Empörung, er habe von L. mehr Selbstkritik erwartet, zumal L. ja ganz am Anfang der fatalen Entwicklung um den Fall Mollath gestanden habe. Nun ist natürlich fraglich, ob man tatsächlich mit dem heutigen Wissen den Psychiater L. die späteren Fehler anderer Juristen und Psychiater anlasten darf, zumal es vor dem AG noch nicht um das Thema § 63 StGB ging.

Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass – als eine Reaktion auf den Fall Mollath – die Unterbringung nach § 81 StPO heute kaum noch Bedeutung hat.  

Im Anschluss wurden richterliche und polizeiliche Protokolle verlesen, die die damaligen Vernehmungen von Frau Mollath betrafen.

Einen kleinen Ausblick auf Freitag, an dem der Sachverständige Eisenmenger sein rechtsmedizinisches Gutachten erstatten wird, gab es dann noch: Offenbar wird Eisenmenger den Beweiswert der Aussage des Arztes Reichel und dessen Attest als eher gering einschätzen, insbesondere was die Angaben zur Entstehungszeit der Verletzungen angeht.

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