Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Was muss aus der einbezogenen Entscheidung ins Urteil?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.08.2014
Rechtsgebiete: GesamtstrafenbildungStrafrechtVerkehrsrecht|14699 Aufrufe

Ist nachträglich in einem Urteil eine andere Strafe im Wege der Gesamstrafenbildung einzubeziehen, so geschieht dies durch genaue Bezeichnung der Strafe im neuen Urteilstenor. Was dazu in die Urteilsgründe muss, kann man schön in einer Entscheidung des OLG Hamm nachlesen:

I.

Das Amtsgericht Hamm hat die Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung (begangen zu Lasten einer Nebenbuhlerin) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Dortmund ausgeurteilt, dass die Angeklagte unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und  unter Verwerfung der Berufung wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der

Strafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Werl vom 05.07.2013

(192 Js 344/13 – 3 Cs 289/13, Strafbefehl) zu einer Gesamtgeldstrafe von

110 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt wird. Eine in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Werl angeordnete Sperre für die Fahrerlaubniserteilung hat es aufrecht erhalten. Zu der Verurteilung, deren Strafe einbezogen wurde, teilt das Landgericht im angefochtenen Urteil das Datum des Strafbefehls sowie den Umstand mit, dass dieser „zwischenzeitlich“ rechtskräftig sei. Weiter wird mitgeteilt, dass die Angeklagte dort wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt worden ist, dass eine Sperre bis zum 04.03.2014 angeordnet wurde und die Strafe noch nicht bezahlt wurde. Weitere Feststellungen hierzu wurden nicht getroffen.

Gegen das Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Revision, mit der sie die Sachrüge erhebt und eine Verletzung des § 261 StPO rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision der Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf die Sachrüge hin Erfolg (§§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 2 StPO).

1.

Näherer Erörterung bedarf nur die Begründung der Gesamtgeldstrafe, die durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.

Die Gesamtstrafe begründet das Berufungsgericht damit, dass sie „sämtliche für und gegen die Angeklagte sprechenden aufgezeigten Strafzumessungserwägungen sowie darüber hinaus die allgemein in § 46 niedergelegten allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte“ mitberücksichtigt habe. Sie habe auch „den zeitlichen und situativen Zusammenhang, indem beide Taten zu einer gestanden haben“ gesehen.

Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung bedarf es grundsätzlich der Mitteilung der Tatzeiten der einbezogenen Strafen sowie der wesentlichen Zumessungserwägungen in der einbezogenen Verurteilung (BGH, Beschl. v. 08.02.2011 – 4 StR 658/10 = BeckRS 2011, 04350; BGH NStZ-RR 2013, 287 LS; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 55 Rdn. 34). Den Rechtsfehler sieht der Senat hier nicht darin, dass Strafzumessungserwägungen aus der einbezogenen Verurteilung nicht mitgeteilt wurden. Dies ist hier nicht möglich, da es sich bei der einbezogenen Verurteilung um einen Strafbefehl handelte, der üblicherweise keine Strafzumessungserwägungen enthält. Das Landgericht war auch nicht gehalten, etwa aus dem Akteninhalt  des Verfahrens, aus dessen Verurteilung die Strafe einbezogen wurde, etwaige strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte herauszuarbeiten, da es sich insoweit um reine Spekulation über die Strafzumessungserwägungen des anderen Tatrichters handeln würde.

Indes fehlt es aber an der Mitteilung der Tatzeit und ggf. der Tatumstände aus der einbezogenen Verurteilung. Diese ist zwar vorliegend nicht relevant, um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Gesamtstrafenfähigkeit als solche zu ermöglichen. Ihrer Angabe bedurfte es aber, weil das Berufungsgericht vorliegend einen „zeitlichen und situativen Zusammenhang“ beider Taten möglicherweise (was letztlich unklar bleibt) zu Lasten der Angeklagten bewertet hat. Ob dies zu Recht geschah, kann der Senat ohne Angabe der Tatzeit und ohne Darstellung des Tatgeschehens, das der einbezogenen Verurteilung zu Grunde lag, nicht prüfen.

Da sich die ausgeurteilte Gesamtstrafe auch eher im oberen Bereich des zur Verfügung stehenden Gesamtstrafenrahmen hält, kann der Senat letztlich auch ein Beruhen des – ansonsten überaus sorgfältig und umfänglich begründeten - Urteils auf dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht ausschließen.

2.

Im Übrigen ist die Revision aus den zutreffenden Gründen der Antragschrift der Generalstaatsanwaltschaft offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 5.5.2014 - 1 RVs 38/14

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