"Fahrverbotsfeindliche" Verfahrensdauer und rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vermischt?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.08.2014
Rechtsgebiete: FahrverbotOLG BremenStrafrechtVerkehrsrecht1|2398 Aufrufe

Das OLG Bremen hatte einen Fahrverbotsfall zu behandeln, an dem es nix zu meckern hatte. Kein Rechtsfehler war nach Ansicht des Senates vorhanden. Damit war eigentlich mangels eigener Sachentscheidung die Entscheidung über den Wegfall eines Fahrverbots wegen langer Verfahrensdauer gesperrt. Diese Verfahrensdauer ist offenbar erst beim OLG aufgetreten. Was also nun? Man hätte eine rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer bejahen können und dann über eine Vollstreckungslösung das Fahrverbot als vollstreckt erklären können. Das OLG hat das Fahrverbot dann aber einfach wegfallen lassen. Im Ergebnis sicher ok - vom Lösungsweg m.E. eher fraglich:

Indes war wegen Zeitablaufs der Wegfall des vom Amtsgericht angeordneten Fahrverbotes anzuordnen. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.1969, 2 BvL 11/69, BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann daher seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und er sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (Hans. OLG in Bremen, Beschluss vom 10.03.2014, 1 SsBs 41/13; KG, Beschlüsse vom 05.09.2007, 3 Ws (B) 459/07, und 27.12.2004, 3 Ws (B) 508/04, zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 02.07.2007, 3 Ss OWi 360/07, zitiert nach juris; OLG Dresden, Beschluss vom 08.02.2005, Ss (OWi) 32/05, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 08.06.2004, Ss 247/04 (B), zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom 09.10.2003, 1 ObOWi 270/03; BeckRS 2003, 09551). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalles, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. Der Sinn eines Fahrverbots dürfte jedoch zumindest dann fraglich sein, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (Hans. OLG Bremen, KG, OLG Hamm, BayObLG, OLG Dresden, OLG Köln, jeweils a. a. O.). Das Urteil des Amtsgerichts erging am 15.02.2013 und damit knapp 10 Monate nach der Tat. Auch die zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts verstrichene Zeit ist bei der Prüfung der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, zu berücksichtigen (KG, a. a. O.). Die ungewöhnliche große Zeitspanne zwischen erstinstanzlichem Urteil und der Entscheidung des Senats, die dem Einflussbereich des Betroffenen nicht zuzurechnen ist, lässt den Versuch einer erzieherischen Einwirkung auf den inzwischen schon 31-jährigen Betroffenen gut zwei Jahre nach der Tat unter den gegebenen Umständen nicht mehr als geeignet erscheinen.

OLG Bremen, Beschluss vom 18.06.2014 - 1 SsBs 51/13
BeckRS 2014, 13398

Hier kann man alles zu der Problematik nachlesen:

Krumm | Fahrverbot in Bußgeldsachen | Cover

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1 Kommentar

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Vom Lösungsweg m.E. eher richtig. Wozu Umwege über eine angeblich "rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer"? "lässt den Versuch einer erzieherischen Einwirkung auf den inzwischen schon 31-jährigen Betroffenen gut zwei Jahre nach der Tat unter den gegebenen Umständen nicht mehr als geeignet erscheinen" überzeugt jedenfalls mich weit eher.

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