Dashcams: Filmen des Verkehrsgeschehens - Datenschutz für den Raser vor Ihnen?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 12.08.2014

Wohl ein Russland-Import, aber auch hier in den USA recht verbreitet: Kleinkameras nahe an der Windschutzscheibe, die das Verkehrsgeschehen aufzeichnen. Dieses anlasslose Aufzeichnen des Geschehens vor dem Fahrzeug ist einigen deutschen  Datenschützern und Richtern ein Dorn im Auge:  Das VG Ansbach hatte kürzlich die Klage eines Nürnberger Anwalts zu entscheiden, der seine Autofahrt mit der Kamera gefilmt hatte. Anschließend stellte er das Videomaterial der Polizei zur Verfügung. Das Gericht meinte in der mündlichen Verhandlung, die Aufzeichnung verstoße gegen das BDSG. Kläger hatte angeführt, dass die Aufnahmen lediglich als Beweis im Fall eines Unfalls eingesetzt würden. Personen seien seinen Angaben zufolge auf den Videos nicht zu sehen.

Was meinen Sie? Sind die Dashcams datenschutzrechtlich zulässig? Sind wir auf dem Wege zu einem Land mit selbsternannten Hilfssheriffs  oder sind die Dashcams nicht anders zu bewerten als freihändige Videoaufzeichnungen  im Fahrzeug oder vom Straßenrand?

Mehr dazu unter http://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/urteil-zu-dashcam-aufzeichnungen-erwartet-datenschutz-geht-vor-videobeweis/10320398.html

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

11 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Das Problem ist leider in Deutschland viel komplizierter. Wenn es nur um die Schuld- (wegen mir auch Teilschuld-) frage gehen würde wäre es ja zu einfach.

Die Frage der Verbindlichkeit betrifft ja nicht nur die Polizei, in vielen Fällen ist die strafrechtliche Seite ja nicht berührt, es ist höchstens eine Ordnungswidrigkeit, wie sieht es aber mit der Verbindlichkeit gegenüber der Versicherung aus? Der eigenen bzw. der gegnerischen?

Wie ist es z.B., wenn kurz vor dem Unfall ein Taschendieb in Aktion aufgezeichnet wird, ist das dann Beweismaterial und muss die Polizei ermitteln?

Was ist mit dem Verkehrsverstoß des vorausfahrenden Fahrzeugs, es gibt in D viele die das gerne zur Anzeige bringen.

Ich denke, dass man den Datenschutz auch deshalb "vorschiebt", um alle diese Folgefragen nicht beantworten zu müssen.

4

Laut Spiegel Online hat das VG Ansbach heute entschieden, dass die Dashcams datenschutzrechtlich höchst problematisch seien.  Die vollständige Begründung liegt noch nicht vor.

 

Vielen Dank, Herr Kollege Lapp. Ich habe auch keine weiteren Infos zur Urteilsbegründung. Susi64 hat recht, da gibt es einige ungeklärte Folgefragen.

Zum Sachverhalt: "Die Anwältin des Mannes erklärte vor Gericht, ihr Mandant fühle sich häufig von anderen Autofahrern genötigt, so dass er sich zum Einsatz der Kamera gezwungen gesehen habe, um Beweismittel zu sichern. Sie bestätigte, dass ihr Mandant, selbst Anwalt, insgesamt 22 Autofahrer wegen Verkehrsdelikten bei der Polizei angezeigt habe. In fünf Fällen habe er seine Dashcam-Aufnahmen der Polizei zur Verfügung gestellt."

Vielleicht berichtet uns Thomas Kranig vom Bayrischen LA für Datenschutz mehr, der bei der Mdl. Verhandlung persönlich anwesend war.

Siehe: http://www.zeit.de/news/2014-08/12/prozesse-streit-um-dashcams-gericht-teilt-datenschutz-bedenken-12141002

Wir hatten das Thema auch schon einmal im Blog bei der Beurteilung der Videoaufzeichnungen von Polizeifahrrädern aus in Münster. http://blog.beck.de/2010/03/12/muenster-keine-polizeifahrraeder-mit-video-datenschutz

 Ein Problem, das sich hier sehe, sind die "Begehrlichkeiten" der KFZ-Versicherer, Zugriff zu den Daten zu erhalten oder ihre nicht so lieben Kunden freundlich oder nicht so freundlich anzuhalten, solche Dashcams zu installieren.

 

Über die strafrechtliche/bußgeldrechtliche Seite mache ich mir keine Gedanken. Zunächst sollte man unterscheiden in Dashcams die an die Heckscheibe und solche die an die Frontscheibe angebracht sind. Bei der Montage an die Heckscheibe habe ich zwangsläufig eine gute Aufnahme des Nachfahrenden. Hier können durchaus Persönlichkeitsrechte betroffen sein. Bei der Montage an der Frontscheibe sieht die Sache anders aus. Mit Ausnahme passierender Fussgänger, querenden Verkehrs an Kreuzungen oder Gegenverkehr, kann die Kamera keine Gesichter aufnehmen. Ich bin Vielfahrer und im wesentlichen allein unterwegs. Mir fehlt schlicht ein objektiver Zeuge im Falle eines Unfalles. Klar kann ich informatorisch angehört werden - aber letztendlich wird sich alles nur durch ein kostenintensives Sachverständigengutachten klären lassen. Muss das sein? Durch die Dashcam steht es kaum einer Partei frei eine wahllose Unfallschilderung abzugeben die halbwegs plausibel ist. Die Dashcam zeichnet neben Geschwindigkeit und Positionsdaten auch Geräusche im Fahrzeug auf, wenn das Radio aus ist, wie ein Blinkergeräusch auf. Manche haben auch die Möglichkeit den Fahrer mit aufzuzeichnen - ein schöner Nachweis für den doch durchgeführten Schulterblick.

 

Nach meiner Auffassung: Frontkamera ja, Heckkamera nein.

4

Hallo Leser,

Ihre Meinung, die Kamera an der Heckscheibe zu verbieten, kann ich nicht unbedingt teilen: Ich habe ein System mit zwei Kameras (vorne das Hauptgerät, hinten nur eine zweite Linse mit langem Kabel). Die hintere Kamera filmt allerdings mit deutlich verminderter Auflösung, so dass Kennzeichen nur in geringer Entfernung erkennbar sind, Gesichter können lediglich erahnt werden, zudem habe ich einen Aufkleber "Video System" (mit symbolischem Auge) an der Heckscheibe. Den Betrieb einer hochauflösenden Heckkamera halte jedoch auch ich nicht für unbedenklich. Ich hoffe, Sie können meiner Einstellung zustimmen.

4

Wer kontrolliert denn, wer zu welchem Zweck die Kameras eingesetzt werden?

Vielleicht werden damit etwa im Sommer durch irgendwelche respektlosen Machos auch leichtbekleidete junge Frauen auf Fahrrädern gefilmt, um sich anschließend zuhause an den Bildern zu erfreuen, oder sie gar ins Internet zu stellen?

Oder irgendwelche kontrollwütigen Stalker überwachen damit ihre Ex-Freundin?

Oder irgendwelche konservativ-spießigen Leute mit Blockwart-Mentalität überwachen ihre Nachbarn?

Oder irgendwelche Profi- oder Hobbydetektive schnüffeln irgendjemandem nach, dem ans Bein gepinkelt werden soll?

Oder irgendwelche Paparazzi wollen vielleicht das Privatleben von Prominenten damit ausspionieren und "dokumentieren"?

Außerdem verleiht dem Filmenden seine Kamera ein Gefühl von Macht und Überlegenheit, und aus darus resultierenden Anflügen von Größenwahnsinn können sehr schnell Agressionen und handfeste Auseindersetzungen resultieren?

Wenn mich jemand ohne meine Erlaubnis zu fotografieren oder zu filmen versucht, lasse ich mir das jedenfalls in der Regel nicht gefallen, und bin zu einer rechtlichen und notfalls (falls es nicht anders geht) auch handfesten Auseinandersetzung jederzeit bereit.

Würde jemand meine Frau oder meine Kinder gegen deren Willen filmen, dann würde ich womöglich sogar noch allergischer reagieren.

Nur wenn die Polizei im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse filmt, geht das in Ordnung - aber nicht wenn irgendein hergelaufener Spießer oder Oberlehrer oder Wichtigtuer oder Möchtegern-Blockwart oder Spanner oder Hanswurst ohne Erlaubnis fremde Menschen filmt, und sei es unter dem (vermeintlichen) Vorwand, es gehe ihm (angeblich) um den Schutz des Verkehrs oder der Sicherheit und Ordnung.

Wer etwas Selbstbewußtsein und Selbstachtung hat, der sollte sich nicht vom Jedem Alles gefallen lassen.

Und der Gesetzgeber und die Rechtsprechung sollten nicht aus Gründen der Wirtschaftsförderung die Verwendung jedweder neuer Produkte zulassen.

2

Die Probleme, die Sie schildern, entstehen doch potentiell bei jeder Kamera und sind unabhängig von der besonderen Art der dash-cam. Mit jedem Handy kann man mittlerweile, wenn man will, seinen Nachbarn auspionieren. Kontrolle, die Sie einfordern, ist von vorneherein gar nicht möglich, verboten ist es natürlich trotzdem.

5

Ich empfehle zu dem Thema den neuen Roman von Dave Eggers "Der Circle"  - jetzt auch auf Deutsch. Solche Kameras spielen dort eine wichtige Rolle.

Man wird auf die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts warten müssen. Meine vorläufige Einschätzung ist, daß die Begründung der Aufhebung falsch ist. Die Verfügung des Landesamts für Datenschutzaufsicht ist deshalb rechtswidrig, weil es für sie keine Rechtsgrundlage gibt. Das Bundesdatenschutzgesetz ist nicht anwendbar, weil der Kläger nicht gewerblich oder sonst wirtschaftlich handelt. Die Begrenzung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG ("es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten") bringt den beschränkten Anwendungsbereich nur unzureichend zum Ausdruck und muß verfassungskonform ausgelegt werden. Der Bund hat nach dem Grundgesetz keine pauschale Gesetzgebungskompetenz für "Datenschutzrecht". Das BDSG wurde auf ein Potpourri von Kompetenztiteln gestützt, von denen Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ("das Recht der Wirtschaft") im Mittelpunkt steht. Eine Auslegung des einfachen Rechts über die Grenzen hinaus, die der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach dem Grundgesetz gesteckt sind, ist selbstverständlich nicht möglich. Keine der angeführten Komptetenztiteln ist hier einschlägig.

Möglich wäre es wohl, daß der Bund eine Verbotsnorm schafft aufgrund seiner Zuständigkeit für den Straßenverkehr (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG), aber eine solche gesetzgeberische Entscheidung liegt bislang nicht vor (vgl. den Katalog des § 6 StVG, ausgeführt durch die StVO). Sie kann nicht dadurch dadurch ersetzt werden, daß eine Behörde den Anwendungsbereich bestehender Gesetze ignoriert. In einem parlamentarischen Rechtsstaat steht es weder Behörden noch Gerichten zu, neue Verbotsnormen zu erfinden.

5

Man sollte m.E. nur bestimmte Dash-Cam Systeme zulassen. Verbieten wird man das nicht mehr können. Fängt man damit an, öffnet man gleichsam die Büchse der Pandora:
Straßenbahnen sind heutzutage standardmäßig mit Innenraumkameras ausgestattet. Diese nehmen auch Teile der Fahrbahn und andere Verkehrsteilnehmer auf. Das führt, dazu, dass diese Aufzeichnungen bei einem Unfall heangezogen werden. Ich habe so einen Fall gerade.

Dash Cams sollten meiner Meinung nach ein Aufnahmefenster von einer Minute haben. Der Zeitraum davor wird automatisch gelöscht. Bei einem Unfall drückt man halt eine Taste, die das Band anhält und die weitere Löschung verhindert. Das könnte man zusätzlich an das Auslösen des Airbags koppeln.

Wenn man nur solche Systeme zulassen würde, würde das Ganze kontrolliert ablaufen. Es entstünden - anders als bei einem Totalverbot - keine "zufälligen" Handyaufzeichnungen o.Ä.

Ich kann die Vielfahrer schon verstehen. Der Kampf gegen die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist doch schon längst entschieden.

5

Az. AN 4 K 13.01634

Bescheid zwar im Prinzip gerechtfertigt, da Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG vorliegen und ein schwerwiegender Verstoß gegen datenschutzrechtlichen Vorschriften vorliegt (schutzwürdige interessen der Betroffenen überwiegen), jedoch ist er zu unbestimmt (Kamera nicht hinreichend bestimmt) und erging ermessensfehlerhaft (keine Ausführungen dazu im Bescheid). Berufung zugelassen. 

Kommentar hinzufügen