Trotz Ecclestone und Hoeneß besteht ein großes Vertrauen in die Justiz

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 27.08.2014

Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der FAZ erbrachte ein nach wie vor bestehendes großes Grundvertrauen in die Justiz: Zwei Drittel der Bürger haben großes Vertrauen in die deutschen Gerichte, nur 29 % wenig und ganze 5 % keinerlei Vertrauen. Das Ecclestone-Verfahren bestärkte allerdings viele in ihrer Ansicht, wonach reiche Angeklagte vor Gericht größere Chancen auf ein mildes Urteil haben als andere (im Blog zu Hoeneß).

Nichts reicht an das Vertrauen heran, das insbesondere das Grundgesetz  (87 %) und das Bundesverfassungsgericht (72 %) genießen. Das überwältigende Vertrauen in das BVerfG bedeutet jedoch nicht, dass die Mehrheit in der Regel mit den Karlsruher Entscheidungen übereinstimmt.

Erstaunlich, wie differenziert der Bürger diese Fragen sieht!

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9 Kommentare

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Interessant wäre eine Untersuchung, die auf eine Korrelation zwischen persönlicher oder beruflicher Erfahrung mit der Justiz und Vertrauen in die Justiz prüft.

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Es handelt sich offensichtlich um einen FAZ-Monatsbericht, der beim Allensbach-Institut (noch) nicht online verfügbar ist. Auf Differenzierung kann bei dem einen Schaubild kaum geschlossen werden. Ich hoffe die Umfrage demnächst vollständig zu erhalten.

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JBY.bernd.heintschel-heinegg schrieb:
...und ganze 5 % keinerlei Vertrauen.

Da sieht man mal wieder, wie viele Juristen es gibt.

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aus der Umfrage destilliert:

1. 71 % haben keine Erfahrung mit der Justiz

71 % der Befragten kennen Gerichte offensichtlich nur aus den Medien und vom Hörensagen. Die Umfrage gibt daher kein Abbild des realen Vertrauens, sondern zu 71 % allenfalls die Wiedergabe dessen, was aus Medien und Hörensagen als zutreffend vermutet wird. Nur 11 % der Befragten hatten mehr als 1 Mal persönlichen Bezug zu einem Gerichtsprozess. Hätte man erfragt, aufgrund welcher Informationen die Einschätzungen abgegeben werden, dann wären die Einflüsse auf die Meinungsbildung erkennbar. So ist die gesamte Umfrage eher als Wiedergabe einer öffentlichen Wahrnehmung aus Sekundärquellen zu sehen. Beispielhaft wird das daran deutlich, dass der Artikel in der FAZ die Bevorzugung von Reichen fokussiert, gleichzeitig aber die Meisten sich im Rechtssystem gut aufgehoben fühlen. Hier spielt offensichtlich der medial hochpräsente Hoeneß-Faktor als reicher Symphatieträger eine wesentliche Rolle, dessen Bevorzugung von 66 % der Befragten nicht ausgeschlossen und rechtsgefährdend eingeschätzt wird.  Diese Message wird sicher noch häufiger in verschiedenen Medien wiederholt werden, so dass bei der nächsten Umfrage die von Vielen Befragten "erlesene" Meinung sicher großen Einfluss auf künftige Ergebnisse hat. Dieser Einfluss wird mit der Umfrage jedoch an keiner Stelle erfasst.

2. Entwicklung des allgemeinen Vertrauens 2008 - 2014 unbeachtet

Die Spanne des allgemeinen Vertrauens liegt im Zeitraum von 6 Jahren zwischen 60 und 71 %. Ein signifikanter Anstieg des Vertrauens um immerhin 11 % zeigte sich zwischen 2011 und 2013, also im Mittel 5,5% pro Jahr. Ungefähr in gleichem Maß (5 %) fiel das Vertrauen 2014 jedoch wieder ab. Diese Effekte werden im Bericht nicht weiter besprochen. Welche Einflüsse hier wirkten kann daher nur spekuliert werden. Zukünftig einen linearen Verlauf unterstellt, wäre das Vertrauen in die Justiz in 13 Jahren aufgebraucht (schaubild 2). Sollte es einen alarmierenden unteren Grenzwert geben?

3. Vorbehalte gegen Gerichte und zu Rechtssicherheit

Gerichte stehen eher selten unter dem Zwang des Akuten bzw. der schnellen Gefahrenabwehr. Nimmt man die Uraufgabe von Gerichten in den Fokus, nämlich das sorgfältige Feststellen der Sachverhalte und das rechtmäßige und gerechte Urteilen im "Namen des Volkes" anhand der bestehenden Gesetze, dann erscheinen einige Umfragewerte keineswegs so positiv, wie im Artikel dargestellt.
Wenn 1/3 der Befragten wenig bis überhaupt kein Vertrauen in Gerichte haben (Tabelle A1), dann bedeutet das, dass diese den Gerichten kaum zutrauen diese Uraufgaben überhaupt angemessen zu erfüllen. Dabei geht es hier ja nicht um politische Aushandlungsprozesse oder einen frei verhandelbaren Interessenausgleich, sondern im Wesentlichen, um die sorgfältige Ausführung von vorgegebenen Abläufen zur Entscheidungsfindung anhand bereits feststehender Gesetze. Genaugenommen müsste im Idealfall das Urteil bereits vorher kalkulierbar sein, wenn den Beteiligten alle regulären Parameter in der Sache bekannt wären. Die Rechtssicherheit in Deutschland wird wohl nicht von ungefähr nur von einer Minderheit (42 %) als großer Erfolg angesehen (Tabelle A2).

Als Probleme dafür werden vor allem zu lange Verfahrensdauern (81 %), Überlastung der Gerichte (71 %), Chancenabhängigkeit vom "Geldbeutel" (71 %) und komplizierte Gesetze (63 %) genannt. Spiegelbildlich als echte Probleme sind auch die geringe Zustimmung zum Respekt vor Richtern (29 %), rechtmäßigem Gerichtshandeln (26 %) und gewissenhafter Arbeit der Gerichte (26 %) zu sehen (Tabelle A5).

Die Ergebnisse geben m.E, nach eine Deutung vor. Wenn einerseits die Überlastung der Gerichte von den Befragten deutlich erkannt wird und dies überwiegend zur Versagung der Anerkennung des richterlichen Bemühens und des Gerichtshandeln führt, könnten diese von den Befragten durchaus als Verursacher der Probleme angesehen werden.   
Wenn sich 57 % der Befragten allgemein nicht dazu entscheiden können, den Gerichten gerechte Urteile zu bescheinigen, dann ist das eine mehrheitliche Skepsis. Denn Skepsis bedeutet Unsicherheit in einer Sachfrage.

Das im Bericht aus dieser tatsächlich überwiegenden Skepsis die Aussage "keine grundsätzliche Skepsis" destilliert wird, mutet schon sehr manipulativ an (Tabelle A7).

4. Grundgesetz ist Basis des Vertrauens in das Recht

Das Grundgesetz wird mit 87 % von der überwiegenden Mehrheit positiv bestätigt und zurecht als die Basis staatlichen und politischen Handelns verstanden. Nur das Bundesverfassungsgericht kann nach Ansicht von 79 % der Befragten diesem Anspruch überwiegend gerecht werden. Polizei (74 %) und Verwaltung (45 %) markieren den oberen und unteren Grenzwert im Alltagsempfinden der Befragten. Die deutschen Gesetze sehen 72 % immer noch als deutlich vertrauenswürdiger an, als deren derzeitige (um-)Gestalter aus Regierung, Bundesrat, Bundestag und Parteien (22 -59 %). Die Skepsis gegenüber der Verlagerung von Entscheidungen auf die fernere europäische Ebene spiegelt sich in dem geringen Vertrauen gegenüber den Parteien und der Europäischen Kommission wieder (22 bzw.23 %). Da wirkt sicher der Unmut fort, dass sich die Einen die "Gurkenhoheit" anmaßen (EK) und die anderen dies zulassen (Parteien).

Insgesamt kann man die Umfrage so werten, dass die rechtliche Klammer Grundgesetz mehrheitlich bestätigt wird, aber durch die dem Grundgesetz verpflichteten Institutionen nicht ausreichend beachtet wird, mit Ausnahme des BVerfG und der Polizei.

Der gewisse (Rest-)Vorbehalt gegenüber dem Grundgesetz (13 %) und dem BVerfG (21 %) könnte mit der eingeschränkten Sicherung des Grundgesetzes aus dem Werk selbst und dem BVerfG gegenüber Missbrauch und Verstössen der Institutionen zusammenhängen. Gefühlt wissen wohl auch viele Befragte, dass weit über 50 % der Verfassungsbeschwerden gar nicht beachtet werden und damit nicht unerheblich viele Verstösse der Institutionen gegen das Grundgesetz. Der Rechtsstaat krankt also nicht an dem Wohlwollen der Bürger, sondern allenfalls an dem der Institutionen.

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Ich hatte das Allensbach-Institut Mitte September gebeten, mir ihre Meinung zu meinen Erkenntnissen/Fragen zum Bericht mitzuteilen. Was ich im Bericht bemerkte, hatte ich hier unter # 6 mitgeteilt.

http://blog.beck.de/2014/08/27/trotz-ecclestone-und-hoene-besteht-ein-gro-es-vertrauen-in-die-justiz#comment-61187

Leider erhielt ich bis heute keine Antwort / Reaktion. Die Freude über das große Vertrauen in die Justiz scheint dann doch wenig Substanz zu haben.

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