BAG: Kirchliches Krankenhaus darf Kopftuch verbieten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.09.2014

Das Kopftuch als Zeichen der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben hatte vor einigen Jahren schon den Kündigungssenat des BAG befasst (BAG 10.10.2002, NZA 2003, 483). Damals ging es um eine Warenhausverkäuferin, die der Weisung des Arbeitgebers nicht nachkam, das Kopftuch während der Arbeit abzunehmen und der daraufhin dann gekündigt worden war. Nunmehr war ein zweiter Kopftuchfall vom BAG zu entscheiden gewesen, diesmal vom 5. Senat (Urteil vom 24. September 2014 - 5 AZR 611/12). Eine besondere Zuspitzung hatte der jetzt entschiedene Fall dadurch erfahren, dass die Klägerin in einem Bochumer Krankenhaus beschäftigt war, das sich der Evangelischen Kirche zugehörig sah. Bei der 36-jährige Klägerin handelt es sich um eine Krankenschwester, die seit 1996 bei der beklagten Krankenanstalt beschäftigt war. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin hatte bis zunächst jahrelang ohne Kopfbedeckung gearbeitet. Nach einer längeren Jobpause wegen Elternzeit und Krankschreibung wollte sie 2010 an ihren Arbeitsplatz zurückkehren – allerdings nun mit Kopftuch. Die Klinik lehnte das jedoch ab und zahlte keine Arbeitsvergütung mehr. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011. Das BAG gibt im Grundsatz der Beklagten recht. In der Pressemitteilung wird sehr deutlich formuliert: „Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.“ In den Entscheidungsgründen wird man sicherlich auch Ausführungen zur Vereinbarkeit dieser Sichtweise mit dem (auch im europäischen Recht verankerten) Verbot der Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit finden. Eine Rechtfertigung der unbestreitbaren Anknüpfung an das Merkmal der Religionszugehörigkeit sollte in der Tat in dieser Konstellation möglich sein. Interessant dürfte sein, ob sich den Entscheidungsgründen Hinweise entnehmen lassen, ob die Beurteilung eine andere wäre, wenn die Klägerin in einem Labor gearbeitet und wenig Kontakt zu Außenstehenden gehabt hätte, wie dies nach Medienberichten eine Sprecherin des BAG zum Ausdruck gebracht haben soll. Allerdings hält das BAG noch zwei Punkte für klärungsbedürftig, weswegen ihm eine Zurückverweisung an die Vorinstanz (LAG Hamm) geboten erschien. Für nicht geklärt hält das BAG, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Zudem sei offen, ob die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig war. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, indiziere die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin.

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5 Kommentare

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Trägerin des Krankenhauses ist die Augusta-Kranken-Anstalt gGmbH, deren Eigentümerin eine kirchliche Stiftung privaten Rechts (mit einer kirchlichen Aufsichtsbehörde).

Wenn sich eine Kirche privatwirtschaftlicher Konstruktionen und Gesellschaften bedient, um bezahlte Dienstleistungen am Markt zu erbringen, dann befinden sich diese Gesellschaften nicht mehr im grundgesetzlich geschützten Bereich der "inneren Angelegenheiten" der Kirchen, denn diese sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Solche Gesellschaften sind nicht anders zu behandeln als Tochergesellschaften von Scientology.

Also der Scientology Vergleich ist wirklich total verfehlt. Es geht hier um eine Krankenanstalt keinen Kult.

Ich bin wirklich auch ein sehr liberal denkender Mensch und finde auch, dass der Arbeitgeber  sich vielleicht etwas toleranter hätte zeigen können. Trotzdem finde ich, dass man ihn dazu nicht zwingen sollte. Von daher war die Entscheidung des BAG genau richtig.

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Der Vergleich ist nur insoweit verfehlt, als dass Scientology-Angehörige vermutlich keine gGmbHs betreiben, sondern normale GmbHs. Es ändert aber nichts daran, dass gGmbHs wie auch Stiftungen privaten Rechts ganz normale weltliche Gesellschaften und damit auch Arbeitgeber sind. Der Betrieb eines Krankenhauses oder eines Kindergartens ist keine GG/WRV-geschützte "Angelegenheit" einer Religionsgesellschaft, sondern eine auf dem Markt angebotene, entlohnte Dienstleistung ohne jede weltanschauliche Vorussetzung.

Warum soll eine Putzfrau im Krankenhaus ein Kopftuch tragen dürfen, eine Krankenpflegerin aber nicht? Der einzige, der hier mMn "diskriminierungsfähig" ist, ist der Seelsorger des Krankenhauses (falls er denn bei der Klinik direkt angestellt ist).

Und kommen Sie mir bitte nicht mit "christlicher Tradition der Nächstenliebe", die einen Unterschied zur "freien Wirtschaft" ausmachen soll: die Tradition der Klöster und Pfarren umfasst wirtschaftliche Betätigung in mindestens denselbem Umfang wie Seelsorge und Krankenpflege; Handel und Profit mit Reliquien sowie deren einträgliches Zurschaustellen sind genauso Vorläufer von Tourismus wie die Klosterwirtschaft Vorläufer von solchen Firmen ist, die als einziger Arbeitgeber am Ort die Lebens- und Arbeitsbedingungen diktieren. Tatsächlich gehörten Klöster zu den übelsten Ausbeutern, z.B. indem sie Lehen bevorzugt als Freistifte vergaben (der Bauer als Lehnsnehmer war also von der jährlichen Gnade des Verpächters abhängig, ob er seinen Lebensunterhalt weiter bestreiten konnte oder nicht) - eine Praxis, die nur in manchen Ländern, die die fatale Auswirkung auf die Bevölkerung erkannten, von weltlichen Herrschern abgeschafft wurde (wie z.B. in der Tiroler Landesverfassung von 1532)

Da Kenntnisse in Geschichte und insbesondere Wirtschaftsgeschichte selbst bei Akademikern mittlerweile Glückstreffer sind, wundert es mich allerdings nicht, dass sich im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts eine Tradition des fortwährenden Verfassungsbruchs (zur Erinnerung: im GG/WRV steht "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes") etabliert hat.

"Warum soll eine Putzfrau im Krankenhaus ein Kopftuch tragen dürfen, eine Krankenpflegerin aber nicht?"

Interessanter Aspekt - der ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Das Verbot bewirkt möglicherweise eine mittelbare Diskriminierung, weil der Zugang (anders) religiöser Menschen zu einigen, sicherlich auch zu vielen besser bezahlten/angesehenen Positionen verhindert wird. Vielleicht gerechtfertigt, vielleicht nicht, aber ein zu berücksichtigender Gedanke.

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Auch die in diesem Verfahren zu klärende Frage hätte dem EuGH vorgelegt werden müssen. Warum dies nicht geschah, dürfte auf der Hand liegen, denn der EuGH hätte anders entschieden.

 

Die Kirchen werden nun einmal von Staats wegen protegiert, was in Deutschland eine gewisse Tradition hat. Dass dieses "Protektorat" den Kirchen nicht gut tut, beweist die Praxis.

 

Es ist traurig zu sehen, dass in einem liberalen Staat und innerhalb des Rechtssystems des Motors der Europäischen Union derartige alteingesessenen Weltvorstellungen ihren Raum haben.

 

Keinem vernünftigen Europäer kann klargemacht werden, dass in Deutschland eine Muslime in einem Krankenhaus als Krankenschwester kein Kopftuch tragen darf, nur weil der Träger des Krankenhauses auf dem Papier vielleicht ein Kirchenträger ist.

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