Schon in Ordnung: Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr bei 2,0 Promille = 1 Jahr 9 Monate O H N E Bewährung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.09.2014

Schneidige Rechtsfolge: Da fährt der Angeklagte besoffen einen Radfahrer tot. Rechtlich recht einfach: § 315c StGB, 222 StGB, 53 StGB. Das AG mach noch zwei Jahre auf Bewährung draus. Die Berufungskammer dagegen hält 1 Jahr 9 Monate ohne Bewährung für richtig. Das OLG hat`s gehalten:

Das Amtsgericht Gütersloh hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Maßregelentscheidung getroffen. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Bielefeld das Urteil abgeändert und den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt und die Maßregelentscheidung aufgrund des Zeitablaufs abgeändert. Das Landgericht hat insgesamt neue Feststellung getroffen, weil es die Beschränkung der Berufung zutreffend als unwirksam angesehen hat.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Revision hatte keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 11. November 2012 kurz vor 6.00 Uhr morgens mit seinem Fahrzeug die L 806 von C über V in Richtung N, obschon er hierzu alkoholbedingt nicht in der Lage war und dies hätte erkennen können. Seine Blutalkoholkonzentration betrug um 5.54 Uhr mindestens 2,0 Promille. Zu diesem Zeitpunkt fuhr vor ihm auf der N-Straße kurz hinter der Zufahrt zur Hausnummer 390 der 48-jährige Herr M auf einem Fahrrad. Dieser war aufgrund professioneller Kleidung und einer eingeschalteten Rückleuchte für den Angeklagten auf eine      Entfernung von 200 – 300 Metern gut sichtbar. Infolge der Alkoholintoxikation nahm der Angeklagte Herrn M nicht oder nicht richtig wahr, wich ihm nicht aus, obschon ihm dies möglich war und kollidierte mit ihm mit einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h. Der Angeklagte hätte Herrn M rechtzeitig wahrnehmen und sein Fahrverhalten hierauf einrichten können.

Herr M verstarb sehr kurz darauf infolge der Kollision. Er war verheiratet und Vater von drei Kindern.

Aufgrund des Alkohlrausches bei einer Blutalkoholkonzentration von maximal 2,69 Promille war nicht auszuschließen, dass die Fähigkeit des Angeklagten, entsprechend einer vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln, erheblich im Sinne des § 21 StGB vermindert war; sie war nicht vollständig aufgehoben. Der sozial integrierte Angeklagte ist strafrechtlich und verkehrsrechtlich zuvor nicht in Erscheinung getreten. Er war weitgehend geständig und bereut sein Fehlverhalten; er hat der Familie des Herrn M eine Beileidskarte zukommen lassen. Er wurde selbst verletzt und insbesondere die Folgen der Tat haben ihn psychisch stark beeinträchtigt. Er wurde deshalb etwa drei Wochen stationär und im Anschluss ambulant behandelt.

II.

Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts greift nicht durch.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuld- und den        Rechtsfolgenausspruch. Insbesondere ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Kammer besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB nicht, demgegenüber aber angenommen hat, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebietet, § 56 Abs. 3 StGB.

Kurz vor der Kollision war der Angeklagte einem Zeugen durch besonders aggressive Fahrweise aufgefallen. Bei vorhandenen Handlungsalternativen – insbesondere wäre es ihm möglich gewesen, sich von einem Bruder abholen zu lassen – entschloss er sich dazu, sein Fahrzeug die 30 km lange Strecke zu seiner Wohnung zu führen. Er setzte sich dabei bedenkenlos ans Steuer, obschon die besonders hohe Alkoholisierung für ihn erkennbar war.

Deswegen haben die drei Kinder des Getöteten ihren Vater und die Ehefrau ihren Ehemann verloren.

Insbesondere im Hinblick auf diese herausragend schweren Folgen für den Getöteten und seine nahen Angehörigen, die das Maß der absoluten Fahruntüchtigkeit weit übersteigende Alkoholisierung des Angeklagten sowie die festgestellte aggressive Fahrweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat ist trotz der zahlreichen mildernden Umstände die genannte Wertung des Landgerichtes nicht nur aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat teilt diese Wertung.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 26.08.2014 - 3 RVs 55/14

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

4 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Die Wertung, dass das Opfer Frau und Kinder gehabt hat und daher eine Strafe ohne Bewährung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten ist, halte ich für bedenklich. Denn für mich klingt das so, als ob das Leben eines Familienvaters wichtiger ist als das Leben zB eines Singles. Da nach meiner Überzeugung (und wenn ich mich an Studium und Refrendariat richtig erinnere) jedes menschliche Leben gleich viel "Wert" ist, finde ich es auch rechtlich problematisch. Irgendwie fühle ich mich dann an amerikanische Gerichtsserien erinnert, in denen argumentiert wird, dass die Tat besonders schlimm sei, da das Opfer jung und hübsch war.

 

3

@Oph: die Formulierung dinde ich auch bedenklich.

Allerdings find ich es gut, dass mal von der Standard-Nicht-Strafe "2 Jahre mit" abgewichen wird - so ein Verhalten wie das des Angeklagten ist mMn schon im Bereich des bedingten Vorsatzes anzusiedeln und sollte auch entsprechend geahndet werden.

Das Gericht hat das Recht die Folgen mit in die Urteilsfindung einzubeziehen, trotzdem hätte ich es auch lieber gesehen, wenn auf die besondere Rücksichtslosigkeit abgestellt worden wäre.

Letzlich bedeutet, dass Urteil eben auch nicht anderes als wäre es ein 20jähriger Single gewesen, dann wären's halt nur 2 Jahre auf Bewährung gewesen.

Von der Freiheitsstrafe (ohne Bewährung) hat die Familie des Opfers, die es sehr wohl hart getroffen hat, am Ende auch gar nichts.

5

Susi64 schrieb:
Von der Freiheitsstrafe (ohne Bewährung) hat die Familie des Opfers, die es sehr wohl hart getroffen hat, am Ende auch gar nichts.
Es ist richtig, dass es den Getöteten nicht wieder lebendig macht, aber so pauschal stimmt das sicher nicht. Nichtjuristen, insbesondere Opfer, haben ein Recht auf menschliche Gefühle, zu denen auch der Wunsch nach Vergeltung gehören kann. Sie müssen mit dem Verlust fertig werden und es gibt gewiss nicht wenige Opfer, denen es bei der Bewältigung hilft, wenn der Täter eine fühlbare Strafe erhält anstatt weiter frei herumzulaufen.

Gibt es eigentlich Untersuchungen, ob sich eine "echte" Strafe auf  eine PTBS der Opfer auswirkt oder gar eine Kosten (der Haftstrafe)-Nutzen (geringere Behandlungskosten)-Rechnung? Das wäre ein interessanter Forschungsbereich.

Kommentar hinzufügen