LAG Hamm: "Unbezahltes Praktikum" bleibt unbezahlt

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.10.2014

Im März hatte Markus Stoffels hier im BeckBlog über ein Urteil des ArbG Bochum berichtet, mit dem eine Praktikantin eines Bochumer Rewe-Marktes über 17.000 Euro vermeintlich vorenthaltenen Arbeitslohns erstritten hatte. Auf die Berufung des Arbeitgebers hat das LAG Hamm jetzt das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (LAG Hamm, Urt. vom 17.10.2014 - 1 Sa 664/14).

Ausweislich der Pressemitteilung des Gerichts ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Zwar habe die Klägerin jedenfalls teilweise reguläre Arbeitstätigkeiten verrichtet. Dies sei allerdings im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlich geprägten Praktikantenverhältnisses geschehen. Die Klägerin habe als Teilnehmerin einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit das Praktikum absolviert und in dieser Zeit Leistungen der Arbeitsagentur erhalten.

Schon in seiner Terminsankündigung hatte das Gericht wichtige Hinweise gegeben, die ein anderes Licht auf den Fall warfen als in der Tagespresse ursprünglich dargestellt:

Die Klägerin hatte bis 2010 die Hauptschule besucht. Im Oktober 2012 hatte sie sich bei dem Beklagten um einen Ausbildungsplatz als Verkäuferin beworben und sich auch bereit erklärt, ein Praktikum aufzunehmen. Die Parteien verständigten sich auf die Durchführung eines Praktikums. Daraufhin schloss der Beklagte mit der Klägerin sowie mit dem Verein "Bildungszentrum des Handels e.V." einen dreiseitigen „Praktikumsvertrag“ ab. Dieser sah u.a. vor, dass die Klägerin einen Einblick in das Berufsfeld mit seinen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen erhalten sollte und Grundkenntnisse des betreffenden Berufsbildes vermittelt werden. Das Praktikum war zunächst für die Dauer eines Monats vereinbart, wurde dann aber mehrmals aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien verlängert. Während der insgesamt gut achtmonatigen Tätigkeit (25.10.2012 bis 04.07.2013) erhielt die Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit eine Berufsausbildungsbeihilfe (§ 56 SGB III) und von dem Trägerverein Zuschüsse für eine Monatskarte für Fahrten im ÖPNV.

Ihre Forderung, sie in Anlehnung an die tariflichen Entgeltstrukturen im Einzelhandel NRW mit 10 Euro brutto pro Stunde zu vergüten, hielt das LAG Hamm daher für nicht gerechtfertigt.

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2 Kommentare

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Das Urteil öffnet dem weiteren Mißbrauch Tür und Tor. Manche Unternehmen stellen systematisch "Praktikanten" für längere Zeiträume zur reinen Arbeitsleistung ein, mit der später nicht mehr beweisebaren mündlichen Zusage, bei Bewährung einen Arbeitsvertrag oder Ausbildungsvertrag zu erhalten. Im Ergebnis ist das Betrug, auch im strafrechtlichen Sinne. Nur beweisen kann man es in der Regel nicht.

Das LAG hätte die Chance gehabt, diesen Mißbrauch einzudämmen. Diese hat es ungenutzt gelassen. Letztlich wird der Gesetzgeber das Problem lösen müssen.

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@ RA Splendor

Ab 1.1.2015 gilt auch für Praktikanten der Mindestlohn, wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert. Abhilfe ist also in Sicht, zumal man § 22 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG so verstehen kann, dass bei einem Überschreiten der Drei-Monats-Dauer der Mindestlohn rückwirkend von Beginn an (und nicht erst ab Beginn des vierten Monats) zu zahlen ist. Die Ausnahme nach § 22 Abs. 1 Nr. 4 MiLoG gilt für Praktikanten in einer Einstiegsqualifizierung (§ 54a SGB III), nicht aber für Empfägerinnen und Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 56 ff. SGB III).

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