Was sollte das? Überlegungen zum Ende des Leistungsschutzrechts für Verleger

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 26.10.2014

Eine der merkwürdigsten Presseerklärung der letzten Jahre wurde am 23. Oktober 2014 von der VG Media veröffentlicht. Im Streit zwischen Verlegern und Google erklären die Verlage, sie beugten sich dem Druck von Google und gäben gegen ihren Willen eine "Gratiseinwilligung" zugunsten des Nachrichtendienstes Google News ab.

https://www.vg-media.de/images/stories/pdfs/presse/2014/141022_pm_vgmedi...

Damit endet ein Streit, der vor allem vom Springer Verlag mit wahnhaften Zügen geführt wurde. Im Zuge massiver lobbyistischer Einflußnahme der Verlage auf die letzte Koalition wurde in § 87 f UrhG ein Passus eingeführt, wonach kleine Ausschnitte aus Zeitungsartikeln für ein Jahr ab Veröffentlichung gesetzlich geschützt sind, es sei denn, es handele sich um "einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“. Kein anderer Staat weltweit hat glücklicherweise diesen Unsinn übernommen. Aber die damalige Koalition aus CDU und FDP fühlte sich gegenüber den Verlegern in der Pflicht und hatte diese gleich auch noch in den Koalitionsvertrag festgeschrieben. Und die Verleger gründeten freudig, in Erwartung großer Einnahmen, eine neue Verwertungsgesellschaft, eben besagte VG Media.

Nach der Presseerklärung der VG Media wird es Zeit, dieses bizarre Theater zu beenden und § 87 f ersatzlos zu streichen. Und es wird Zeit, aus diesem Fall Lehren zu ziehen, über die deutsche Digitalpolitik, die die Strukturen des Internets nicht verstehen will - und manche Verleger, die  alte Zöpfe retten wollen - statt innovative Pressearbeit zu betreiben.

Wer mehr wissen will:

http://www.sueddeutsche.de/medien/verlage-im-streit-mit-google-peinliche...

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Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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12 Kommentare

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Der Ausgang war absehbar. Wieso sich die Verlage überhaupt in diese Idee verrannt haben, lässt wundern. Übertragen in die Offline-Welt wäre das Begehren vergleichbar damit, Geld vom Verleger der Gelben Seiten dafür zu verlangen, dass das Unternehmen dort eingetragen werden darf. Wieso sollte der Verleger darauf eingehen? Allenfalls anders'rum wird ein Schuh d'raus.

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Heise berichtet, dass die Regierung einen Gutachter zur Evaluierung des Leistungsschutzrechts einsetzen möchte. Man ahnt, was dann passiert. Man nimmt sich einen gekauften Hansel aus der Professorenschaft, die Nordemann-Familie, Riesenhuber, Wandtke etc - und der findet alles toll.

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@ Leser: die korrekte Analogie wäre die Forderung, dass Kioske und andere Zeitschriftenläden die Presseerzeugnisse nur noch unter dem Ladentisch verkaufen dürften, da beim bisherigen offenen Ausliegen die Schlagzeilen und Textabschnitte im gleichen Maße kostenlos sichtbar sind wie bei Google News. In manchen Buchhandlungen wird man nicht einmal daran gehindert, ganze Artikel zu lesen - Skandal!

@Prof. Dr. Hoeren: spätestens nach der "Experten"anhörung zum Genitalverstümmelungserlaubnisgesetz sollte auch dem letzten klar geworden sein, dass der Gesetzgeber hier nicht an echter Erkenntnis interessiert ist, sondern nur dem Schmarrn, den er sowieso beschließen will, den Anschein eines fachlichen Hintergrundes geben will.

Im Gegensatz zur Genitalverstümmelung ist der "Schaden" hier uberschaubar: dann streicht Google eben wie angekündigt die Suchergebnisse. Wäre ohne Springer-Presse auch ein echter Qualitätsgewinn. Marktzutrittsschranken gibt es keine, die VG kann gerne ihr eigenes Nachrichtensuchportal auf die Beine stellen. Was die VG eigentlich will - Pflichtauflistung plus Geld dafür - darüber wird im Kartellamt herzlich gelacht werden.

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Es ist höchste Zeit § 87 f ersatzlos zu streichen. Denn nachdem Google von der "Gratiseinwilligung" profitiert, sehen sich nunmehr nur noch die Suchmaschinen mit einem kleinen Marktanteil den Forderungen der VG Media konfrontiert. Dabei sollten gerade die Presseverlage ein Interesse daran haben, die Konkurrenten von Google zu stärken.

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Sie sehen sich dadurch gezwungen, gegen ihren Willen die VG Media anzuweisen, Google eine „Gratiseinwilligung“ zu erklären. 

Wo bleibt die Strafanzeige wegen Nötigung? Ansonsten können sie ihre Zivilklage gegen Google gleich einsargen. Oder hat Herr Delventhal in letzter Zeit zu viel Valentin und Orwell gelesen?

Zu den behaupteten Umsatzeinbußen könnten die Verleger einen ganz einfachen Test machen: ihre bepreisten Erzeugnisse an einem beliebigen Tag in exakt denselbem Umfang veröffentlichen wie Google-Snippets, nämlich bestehend nur aus Schlagzeile, einem Mini-Bild und einem Anriss-Satz. Wenn diese Ausgabe den gleichen Absatz findet wie die mit vollständigen Texten und Bildern, dann wissen sie, dass die Leser tatsächlich nicht mehr wollen als auf Google zu finden ist.

Sollten sie sich das nicht trauen, dann ist das ein starkes Indiz dafür, dass es nicht um "drohende Umsatzeinbrüche durch Google" geht, sondern diese Umsatzeinbrüche durch Gratisangebote selbst verschuldet sind und das Motiv eher lautet: "uns fällt nix ein, wie man im Internet Geld verdienen kann, also wollen wir was abhaben von denen, die erfolgreich sind. Begründung: So halt."

Die besagte VG Media wurde nicht anlässlich ersehnter Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage gegründet. Wie man in http://de.wikipedia.org/wiki/VG_Media nachlesen kann ist die VG Media bereits seit 1997 zugelassen. „Kabelweitersendung“ heißt hier der Ermächtungstitel, liegt direkt zwischen dem „Recht auf öffentliche Nacherzählung“ und „Erörterung im Rahmen des Schulunterrichts“ :-)

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Frust schrieb:

Und dazu auch

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/leistungsschutzrecht-verleger-ur...

LTO Artikel schrieb:
Der Verweis auf Spanien hingegen hilft gar nichts. Dort hat man sich in typisch spanischer Manier für ein weiteres Stück symbolischer Gesetzgebung entschieden, das nicht durchgesetzt werden wird.

Google hat als Reaktion auf das spanische Leistungsschutzrecht Google News Spanien geschlossen.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Wegen-Google-Gebuehr-Google-News-...

http://googlepolicyeurope.blogspot.co.uk/2014/12/an-update-on-google-new...

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Mit einer solchen Konsequenz hatte man bei den spanischen Verlagen wohl auch wieder nicht gerechnet. Jetzt wollen die spanischen Verlage Google zwingen, aus angeblichen Monopolgründen den Dienst nicht abzuschalten. Sie fürchten jetzt um ihre Öffentlichkeitswirkung und wollen offensichtlich ein gesetzliches Recht, mit Google Geld zu verdienen. Dreist...

https://www.thespainreport.com/13199/spanish-newspaper-publishers-associ...

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