Alternierende Telearbeit - keine einseitige Beendigung durch den Arbeitgeber

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.10.2014

Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass der Arbeitgeber eine vertragliche Vereinbarung zur "alternierenden Telearbeit" (60% der Arbeitszeit werden im Büro verbracht, 40% von zu Hause mit Telearbeit) nicht einseitig widerrufen kann. Solle der Arbeitnehmer künftig seine vollständige Arbeitsleistung an der Betriebsstätte des Arbeitgebers verrichten, handele es sich um eine Versetzung, die der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Individualrechtlich müsse die Versetzungsanordnung "billigem Ermessen" (§ 106 GewO) standhalten. Dies gelte auch dann, wenn ein Rechtsanspruch auf die alternierende Telearbeit vertraglich ausgeschlossen sei.

Der Kläger war bei der Beklagten, einer überregional tätigen Bank, zuletzt als Firmenkundenbetreuer tätig. Die Parteien vereinbarten im Jahr 2005 alternierende Telearbeit. Ausweislich dieser Vereinbarung war der Kläger zu mindestens 40% an der häuslichen Arbeitsstätte tätig. Die betriebliche Arbeitsstätte war die Niederlassung der Beklagten, die je nach Verkehrsweg 70 bis 90 km vom Wohnort des Klägers entfernt lag. In der Vereinbarung zur Telearbeit hieß es, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird. Weiter war vereinbart, dass die häusliche Arbeitsstätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen aufgegeben werden kann. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt hatten, kündigte die Beklagte die Vereinbarung der Telearbeit. Dabei beteiligte sie den Betriebsrat nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beendigung der Telearbeit sei unwirksam. Diese sei nur erfolgt, weil er sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingelassen habe. Die Beklagte ist der Ansicht, die Beendigung der Telearbeit sei nach der Vereinbarung wirksam. Sie habe zudem eine Umstrukturierung des Vertriebs vorgenommen. Das neue Vertriebskonzept stehe der Telearbeit entgegen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das LAG hat festgestellt, dass die Beendigung der alternierenden Telearbeit unwirksam ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger weiter zu mindestens 40% an seiner häuslichen Arbeitsstätte zu beschäftigen. Eine Abrede in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermögliche und nicht erkennen lasse, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, sei wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild, wonach die Bestimmung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (§ 106 Satz 1 GewO), unwirksam.

Zur Überzeugung des LAG Düsseldorf hätte die Anordnung zudem der Zustimmung des Betriebsrats bedurft, die hier fehlte. Die Beendigung alternierender Telearbeit stelle regelmäßig eine Versetzung im Sinne des BetrVG dar. Dies gelte auch dann, wenn ein Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis typisch ist, weil der Arbeitnehmer als Marktverantwortlicher seine Arbeit zu einem Großteil bei den Kunden erbracht habe. Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung sei auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit, so dass sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich ändere.

Die Revision wurde zugelassen.

(LAG Düsseldorf, Urt. vom 10.9.2014 - 12 Sa 505/14; mit Material der Pressemitteilung)

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3 Kommentare

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Welcher Teil dieser Entscheidung hat hier dazu geführt, dass die Revision zum BAG zugelassen wurde? Der AGB-rechtliche zu § 106 GewO eigentlich nicht, oder? Das ist ja schon 2010 in Erfurt entschieden. War es der kollektivrechtliche?

@ Martin Bender

Die Entscheidungsgründe sind bislang nicht veröffentlicht. Eine Begründung für die Zulassung der Revision ergibt sich aus der Pressemitteilung nicht. Für mein Verständnis muss die Revision angesichts der Doppelbegründung des LAG für beide Rechtsfragen zugelassen sein. Denn es würde ja nicht genügen, wenn das BAG "nur" hinsichtlich der individual- oder der kollektivrechtlichen Rechtslage zu einer anderen Beurteilung käme. Die Revision kann nur Erfolg haben, wenn das BAG beide Fragen anders beantwortet als das LAG.

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