BAG: Zusätzlicher Urlaub für ältere Mitarbeiter kann zulässig sein

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.11.2014

Darf der Arbeitgeber älteren Mitarbeitern mehr Urlaubstage einräumen als solchen, die eine bestimmte Altersgrenze noch nicht erreicht haben? Zu dieser praktisch sehr bedeutsamen Grundsatzfrage hat sich nun das BAG (Urteil vom 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12) - geäußert. Die Antwort lautet: grundsätzlich ja, aber der Arbeitgeber muss nachvollziehbar darlegen, warum die älteren Arbeitnehmer in der konkreten Situation ein stärkeres Schutzbedürfnis haben. Daher ist der in der Pressemitteilung dargestellte Sachverhalt für die Einschätzung des Urteils sehr wichtig: Bei der Beklagten handelt es sich um den nicht tarifgebundenen Schuhfabrikant Birkenstock. Birkenstock gewährt seinen in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern. Die 1960 geborene Klägerin hat gemeint, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Beklagte habe deshalb auch ihr jährlich 36 Urlaubstage zu gewähren. Das BAG gab jedoch im Ergebnis dem beklagten Schuhhersteller recht. Gewähre ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, so könne diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, stehe dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu. Die Beklagte habe mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gälte auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah. Anders hatte das BAG im Jahre 2012 (BAG 20.3.2012, NZA 2012, 803) zur früheren Regelung des TVöD entschieden: Die damalige Regelung in § 26 I 2 TVöD, wonach Beschäftigte nach der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub haben, während der Urlaubsanspruch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres nur 26 Arbeitstage und bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres nur 29 Arbeitstage beträgt, beinhaltete nach Ansicht des BAG eine unmittelbare, nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters. Damit sind nun einige Pflöcke geschlagen. Weitere Urteile werden nun die Kasuistik zu entfalten haben. 

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