Gurtverstoß und § 100h StPO

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.11.2014

Eigentlich denkt man ja: Die Problematik der Ermächtigungsgrundlage zur Videoüberwachung (oder auch zur Fertigung von Messbildern) wäre ausgelutscht. Von wegen. Das OLG Hamm hatte sich mit einer Provida-Geschwindigkeitsmessung zu befassen, anlässlich derer auch noch ein Gurtverstoß festgestellt wurde. Der Verteidiger hat dann aber die Verfahrensrüge zu § 100h StPO nicht ganz auf die Kette bekommen, obwohl er sehr kreativ argumentiert hatte. Ich empfehle hierzu einfach mal die Ausführungen in meinem "Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014", dort § 5. Das OLG hatte es angesichts der nicht ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge  doch eher einfach:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes sowie Nichtmitführen des Führerscheins zu einer Geldbuße von 575 Euro verurteilt und gleichzeitig gegen ihn ein zweimonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sogenannten „Viermonatsfrist“ angeordnet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene die BAB2 bei KM 431,7 in P am 16.08.2013 um 10.23 Uhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 144 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist an dieser Stelle auf 80 km/h begrenzt. Gleichzeit war der Sicherheitsgurt nicht angelegt und der Betroffene führte seinen Führerschein nicht mit sich.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde. Er erhebt die Rüge der Verletzung materiellen Rechts in deren Rahmen er (u.a.) rügt, dass das Urteil gegen § 100h StPO i.V.m. § 46 OWiG verstoße, weil – so sein Vortrag – die Videoaufzeichnung allein wegen des Gurtverstoßes auf noch nicht geschwindigkeitsbeschränkter Strecke eingeleitet und dann erst später der Geschwindigkeitsverstoß festgestellt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des Betroffenen hat keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).

1.

Näherer Erörterung bedarf nur die der Sache nach erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 100h StPO i.V.m. § 46 OWiG.

Eine Verletzung des § 100h StPO i.A. § 46 OWiG ist mittels einer Verfahrensrüge rechtsbeschwerderechtlich geltend zu machen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 07.06.2011 – 1 RBs 75/11). Die hier erhobene (Verfahrens-) Rüge entspricht aber nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG. Danach muss die Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das behauptete Vorbringen zutrifft (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.w.N.). Dem wird das Rechtsbeschwerdevorbringen hier nicht gerecht. Zum einen fehlt es an einer hinreichenden Wiedergabe des Widerspruchs gegen die Verwertung des Videobeweises in der Hauptverhandlung. Die Rechtsbeschwerde teilt lediglich mit, dass und wann der Verwertung der Videomessung widersprochen wurde, nicht aber die Begründung des Widerspruchs. Die Angriffsrichtung des Widerspruchs bleibt damit offen. Die Begründung des Widerspruchs muss aber die Angriffsrichtung erkennen lassen, die den Prüfungsumfang durch das Tatgericht begrenzt. Dadurch soll dem Tatgericht die Möglichkeit gegeben werden, sich mit dem Einwand auseinanderzusetzen. Der befristet zu erhebende Widerspruch dient insoweit der gebotenen Verfahrensförderung, ohne dass dem verteidigten Angeklagten dadurch unzumutbare Anforderungen auferlegt würden (Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschl. v. 31. Oktober 2011 – 2 SsRs 28/11, 2 Ss Rs 28/11 –, juris, m.w.N.). Ohne die Angabe der Angriffsrichtung des Widerspruchs kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht prüfen, ob der Widerspruch auch mit der Angriffsrichtung erfolgt ist, mit der nunmehr die Rechtsbeschwerde begründet wird.

Zum anderen enthält die Rüge auch keine hinreichenden Angaben, die es dem Rechtsbeschwerdegericht ermöglichen würden, zu überprüfen, ob hier ggf. hinsichtlich der Geschwindigkeitsbeschränkung ein verwertbarer Zufallsfund vorliegt (vgl. insoweit Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 100h Rdn. 13), was möglicherweise der Fall wäre, wenn die Voraussetzungen des § 100h StPO bzgl. des Gurtverstoßes auch noch bei Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung vorgelegen hätten, was dann ggf. der Fall gewesen wäre, wenn die notwendige Dokumentation des Gurtverstoßes zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen wäre. Die Rechtsbeschwerdebegründung stellt lediglich auf eine zeitliche Differenz zwischen dem Einschalten des ProViDa-Gerätes und dem Geschwindigkeitsverstoß, nicht aber auf eine etwaige zeitliche Differenz zwischen dem Abschluss der notwendigen Dokumentation des Gurtverstoßes und dem Geschwindigkeitsverstoß ab. Auch aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt sich eine solche zeitliche Differenz nicht. Diesem lässt sich bestenfalls entnehmen, dass die ermittelnden Polizei-  beamten den Entschluss zur Ingangsetzung des ProViDa-Gerätes gefasst haben, als eine Geschwindigkeitsbeschränkung noch nicht bestand.

2.

Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft.

OLG Hamm, Beschl. v. 11.9. 2014 - 1 RBs 145/14

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