BAG zum Pflege-Mindestlohn: Ein Fingerzeig für das MiLoG?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.12.2014
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtMindestlohnPflegebranche|3721 Aufrufe

Schon im Frühjahr hatte ich an dieser Stelle über den Entwurf des Mindestlohngesetzes (MiLoG) berichtet und dabei die - in den Kommentaren heftig diskutierte - Frage aufgeworfen, ob dieser auch für Zeiten des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft gezahlt werden müsse. Jetzt hat das BAG für die Pflegebranche entschieden, dass der dort bereits seit 2010 geltende Mindestlohn auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

Auf der Basis des AEntG hatte das BMAS unter dem 15.7.2010 die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV, BAnz S. 2571) erlassen. Diese sieht einen Mindest-Stundenlohn von aktuell 9,00 Euro (im Beitrittsgebiet 8,00 Euro) für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Pflegebetrieben vor, die überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI erbringen.

Im Streitfall war die 1954 geborene Klägerin bei einem privaten Pflegedienst beschäftigt. Ihr Brutto-Monatsgehalt betrug knapp 1.700 Euro. Sie betreute u.a. zwei demente und auf einen Rollstuhl angewiesene Schwestern einer katholischen Schwesternschaft. Sie arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. In den Arbeitsphasen wohnte die Klägerin in einem Zimmer der Schwesternschaft in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Sie macht klageweise die Vergütungsdifferenz zwischen ihrem Bruttolohn und demjenigen Arbeitsentgelt geltend, das auf der Basis von 24 Stunden, 7 Tage die Woche, jeweils für Blöcke von zweiwöchiger Dauer, unter Zugrundelegung des Pflege-Mindestlohns fällig gewesen wäre.

Während ihre Klage in erster Instanz ohne Erfolg geblieben war, hat das LAG Baden-Württemberg ihr überwiegend stattgegeben. Es hat lediglich zwei Zeitstunden am Tag als Pausen abgesetzt, während derer die Schwestern am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft und am Gottesdienst teilgenommen haben. Auf der Basis der übrigen 22 mit dem Mindestentgelt zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst hat es der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BAG erfolglos: Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei „je Stunde“ festgelegt und knüpfe damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehörten nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst. Während beider müsse sich die Arbeitnehmerin an einem von der Arbeitgeberin bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Zwar könne dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit habe der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb seien arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam (BAG, Urt. vom 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12).

Angesichts des Umstandes, dass auch das MiLoG als Berechnungsbasis nur die "Zeitstunde" kennt, ohne zwischen verschiedenen Stufen der Arbeitsintensität zu differenzieren, dürfte ab 1.1.2015 für den Mindestlohn dasselbe gelten.

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