Die richtige Reihenfolge

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 11.12.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht|2266 Aufrufe

Während der Ehe von M und F wurde das Kind K geboren.

Nun meldet sich der Dritte D und behauptet, er sei der biologische Vater des Kindes. Gemäß § 1686a BGB begehrt er Umgang mit und Auskunft über das Kind.

Das OLG hat die Einholung eines Abstammungsgutachtens beschlossen. Ferner hat es durch Zwischenbeschluss festgestellt, dass die Weigerung der rechtlichen Eltern an dem Abstammungsgutachten mitzuwirken, rechtswidrig ist.

Hiergegen wenden sich die rechtlichen Eltern mit einer Verfassungsbeschwerde. Weil eine Abstammungsuntersuchung in die Grundrechte der Beschwerdeführer eingreife, sei zunächst sicher festzustellen, ob die weiteren Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs bestehen, bevor die Frage der Abstammung geklärt werde.

Das BVerfG :

Von Verfassungs wegen darf die Reihenfolge der Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1686a BGB indessen nicht im Belieben des Gerichts stehen, weil die Betroffenen nicht mit Grundrechtseingriffen belastet werden dürfen, die nicht erforderlich sind. Insbesondere dürfen die Gerichte die Reihenfolge nicht allein aus das Gerichtsverfahren betreffenden Praktikabilitätserwägungen wählen. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht vielmehr geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für die Betroffenen ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen

Wenn sich die Frage der Kindeswohldienlichkeit oder -verträglichkeit ohne großen Aufwand klären lässt, wird das Gericht danach in der Regel vorab keine Abstammungsuntersuchung anordnen dürfen. Die Anordnung einer Abstammungsuntersuchung vor Klärung der sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 1686 a BGB scheidet regelmäßig auch dann aus, wenn nach dem Stand der Ermittlungen unwahrscheinlich ist, dass die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Je wahrscheinlicher hingegen ist, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und je geringer die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Familienlebens wären, desto eher darf eine Abstammungsuntersuchung vor der abschließenden Klärung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen angeordnet werden. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigungen des Familienlebens kann insbesondere dem Umstand Bedeutung zukommen, ob die Möglichkeit der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers zwischen den Beteiligten streitig ist oder nicht. Der Wortlaut von § 1686a BGB und § 167a FamFG lässt die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen zu.

Dies zugrunde gelegt, begegne die Anordnung der Abstammungsuntersuchung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, obwohl die weiteren Anspruchsvoraussetzungen noch nicht abschließend geklärt sind. Das Oberlandesgerichthabe in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass erhebliche psychische Auswirkungen der Abstammungsklärung auf die Beteiligten nicht zu befürchten sind, weil hier unstreitig ist, dass eine leibliche Vaterschaft des Antragstellers in Betracht kommt. Das Gericht habe zudem festgestellt, derzeit sehe es die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 1686a Nr. 1 BGB mit Ausnahme der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers - als gegeben an. Insbesondere die vorläufige Annahme, dass die Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspreche, erscheine hier angesichts des Umstandes nicht unplausibel, dass die rechtlichen Eltern selbst einen solchen Anspruch „anerkannt“ haben und damit zu erkennen gegeben haben, dass aus ihrer Sicht der Auskunft über das Kind keine unüberwindbaren Kindeswohlbelange entgegenstehen.

BVerfG, Beschluss vom 19.11.2014 - 1 BvR 2843/14

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