Leihmutterschaft: Ein Damm ist gebrochen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.12.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht18|4436 Aufrufe

Erstmals hat der BGH einer im Ausland mit Hilfe einer Leihmutter erfolgten Geburt rechtliche Wirkungen beigegeben. Die PM des BGH:

Im August 2010 schlossen die beteiligten Lebenspartner mit Frau J. in Kalifornien einen Leihmutterschaftsvertrag. Entsprechend der Vereinbarung wurde mittels einer Samenspende eines der Lebenspartner unter Verwendung einer Eizellspende das betroffene Kind gezeugt und von der Leihmutter ausgetragen. Außerdem erkannte dieser Lebenspartner mit Zustimmung der Leihmutter vor dem deutschen Generalkonsulat in San Francisco die Vaterschaft bereits vor der Geburt an. 

Im April 2011 erging auf Antrag der Lebenspartner ein Urteil des kalifornischen Superior Court. Danach sind die Lebenspartner die Eltern des von der Leihmutter zu gebärenden Kindes, während die Leihmutter keine Elternstellung hat. Nach der Geburt des Kindes im Mai 2011 reisten die Lebenspartner mit dem Kind im Juni nach Berlin, wo sie mit dem Kind leben. Die Lebenspartner und das durch sie vertretene Kind haben bei dem Standesamt die Eintragung der Auslandsgeburt und der Lebenspartner als Eltern im Geburtenregister beantragt. Das Standesamt hat den Antrag abgelehnt. Der Antrag, das Standesamt zur Eintragung anzuweisen, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen wandte sich die Rechtsbeschwerde der Lebenspartner und des Kindes. 

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Die Entscheidung des kalifornischen Gerichts, die die Elternstellung den Lebenspartnern zuweist, ist in Deutschland anzuerkennen. Grundsätzlich werden ausländische Entscheidungen vom deutschen Recht anerkannt (Grundsatz des internationalen Entscheidungseinklangs). Die Anerkennung ist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (sog. ordre public-Vorbehalt). Die gerichtliche Feststellung, dass die beiden Lebenspartner die Eltern des Kindes sind, weicht zwar teilweise von der deutschen Gesetzeslage ab. Nach deutschem Recht wäre der Lebenspartner, der die Vaterschaft anerkannt hat, der rechtliche Vater des Kindes. Die Durchführung einer Leihmutterschaft im Inland ist hingegen verboten. Rechtliche Mutter wäre die Leihmutter als die Frau, die das Kind geboren hat § 1591 BGB). Der Lebenspartner des rechtlichen Vaters könnte nur durch eine Stiefkindadoption in die rechtliche Elternstellung gelangen. 

Darin liegt hingegen noch keine Abweichung von solcher Tragweite, als dass durch sie der ordre public verletzt wäre. Bei der Beurteilung sind neben dem vorwiegend generalpräventiv wirkenden Verbot der Leihmutterschaft und der darauf beruhenden gesetzlichen Regelung zur Mutterschaft vor allem auch die Grund- und Menschenrechte des Kindes und der Leihmutter zu berücksichtigen. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben insbesondere ein Recht des Kindes hervorgehoben, unter bestimmten Umständen ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis begründen zu können. Diese Rechte sind bei der Frage, ob ein ordre public-Verstoß vorliegt, zu beachten. Würde die Anerkennung der Auslandsentscheidung verweigert, so würde zum Nachteil des Kindes ein sogenanntes hinkendes Verwandtschaftsverhältnis entstehen. Dem Kind wäre zwar nach deutschem Recht die Leihmutter als rechtliche Mutter zugeordnet. In deren Heimatstaat sind rechtliche Eltern entsprechend der kalifornischen Entscheidung aber ausschließlich die Wunscheltern. Dem entspricht die Tatsache, dass die Leihmutter, wenn keine ernsthaften Zweifel an der Freiwilligkeit ihrer Entscheidung bestehen, im Unterschied zu den Wunscheltern keine rechtliche Elternverantwortung für das Kind übernehmen will. 

Indem die ausländische Entscheidung die Elternstellung bei dieser Sachlage den Wunscheltern zuweist, weicht sie jedenfalls dann, wenn ein Wunschelternteil – im Unterschied zur Leihmutter – mit dem Kind genetisch verwandt ist, nicht in einem solchen Maß von der deutschen Rechtslage ab, dass ihre Anerkennung untragbar wäre. Die Lebenspartner sind demnach rechtliche Eltern des Kindes und als solche im Geburtenregister einzutragen.

BGH v. 10.12.2014 XII ZB 463/13

Die Folgen sind m.E. unabsehbar.

Zunächst wird sicherlich der Leihmuttertourismus ins Ausland blühen. Möglicherweise gerät mit dieser Entscheidung des BGH das gesamte deutsche Abstammungsrecht ins Wanken

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18 Kommentare

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Wäre das so schlimm?

Das Ungleichgewicht in Bezug auf Trennung der biologischen und rechtlichen Elternschaft ist doch offensichtlich: der Vaterschaftsanerkennung eines im Ausland (z.B. Dänemark) durch anonyme Samenspende gezeugten Kindes steht nichts im Wege, nur bei der Mutterschaft besteht der Gesetzgeber trotz der mittlerweile bestehenden medizinischen Möglichkeiten auf der Einheit von biologischer und rechtlicher Abstammung. So lange eine rechtliche Mutter- bzw. Elternschaft für das Kind gewährleistet ist, gibt es keinen sachlichen Grund, andere Maßstäbe anzulegen als bei der Vaterschaft.

Hopper schrieb:

Die Folgen sind m.E. unabsehbar.

Zunächst wird sicherlich der Leihmuttertourismus ins Ausland blühen. Möglicherweise gerät mit dieser Entscheidung des BGH das gesamte deutsche Abstammungsrecht ins Wanken

Mein lieber Herr Burschel,

für so antiquiert hätte ich Sie gar nicht gehalten: Das geht doch heute alles online... ;-)

Nachdem die deutschen Unternehmen in letzter Zeit so viel Kritik für ihr unmoralisches Angebot einstecken mussten, die Tragezeit aus beruflichen Gründen schockgefrostet nach hinten zu verlegen, ergeben sich nun viel grössere Harmonisierungsmöglichkeiten.

Das Gute ist doch, man kann sich die Ware jetzt auch termingerecht zu Weihnachten liefern lassen.

Über Neujahr ist eh nicht viel los und dann gehts ab in die betriebsinterne Kinderkrippe.

Soll mal einer sagen, Wirtschaft und Gesetzgeber würden sich nicht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmern.

Vielleicht optimieren die Leihmütter noch ihr Angebot und bieten ein Kombimodell an, bei dem die Dinger erst stubenrein ausgeliefert werden.

Wenn wir es jetzt noch schaffen, Störche zu dressieren, die die Pakete stilecht im Vorgarten abwerfen, ist die Idylle perfekt. 

Hopper schrieb:
Bei der Beurteilung sind neben dem vorwiegend generalpräventiv wirkenden Verbot der Leihmutterschaft und der darauf beruhenden gesetzlichen Regelung zur Mutterschaft vor allem auch die Grund- und Menschenrechte des Kindes und der Leihmutter zu berücksichtigen.

Mit anderen Worten: Die Interpretation der Grund- und Menschenrechte des Kindes, die das Verbot der Leihmutterschaft begründet, wird in dem Moment über Bord geworfen, in dem man sich darüber hinweg setzt. So geht Generalprävention.

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Der biologische Vater war auch der rechtliche Vater.

Sein eingetragener Lebenspartner hätte das Kind als Stiefkind adoptieren können.

Damit wäre den Interessen der beiden Männer sowie des Kindes dann doch wohl hinreichend genüge getan, oder etwa nicht?

Gilt nach US-Recht der biologische Vater als Vater, und der eingetragene Lebenspartner als Mutter des Kindes?

Oder hat das Kind nun keine Mutter, sondern zwei Väter?

Ist es überhaupt möglich, daß ein Kind keine Mutter hat?

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@Ratloser

Leider habe ich die links in einem anderen Computer, aber in der Schweiz ist es schon seit einiger Zeit üblich, dass der Staat verpflichtet ist, alle seine Äusserungen geschlechtsneutral zu formulieren.

Vater und Mutter gibts nicht mehr. Das heisst dann Elternschaft.

Da gibts meterweise Anleitungen, wie Texte nun verfasst werden müssen, mit Formulierungsvorschlägen etc.

@ Gast #3: welche "Grund- und Menschenrechte des Kindes" werden denn Ihrer Ansicht nach durch das Verbot der Leihmutterschaft geschützt?

@ Ratloser2014: die Stiefkindadoption ist mit einer "echten" Elternschaft wie in vorliegenden Fall nicht völlig identisch, was das Erlöschen bzw. Nichtexisiteren bisheriger Verwandtschaftsverhältnisse und die Möglichkeit der Aufhebung von Amts wegen (§ 1763) angeht.

Und: ja, gemäß § 9 (7) Lebenspartnerschaftsgesetz ist es möglich, dass ein Kind nach der Annahme durch den anderen Lebenspartner rechtlich zwei gleichgeschlechtliche Eltern hat.

@Mein Name: Das Recht des Kindes, seinen biologischen Ursprung zu kennen und eine aus den Gegebenheiten natürlicher Fortpflanzung entspringende Beziehung zu seinen biologischen Eltern aufbauen zu können. Eingriffe in die Reproduktion stehen daher momentan weitgehend unter dem Vorbehalt, dies nicht zu konterkarieren, bzw. sollten im Übrigen meiner Ansicht nach unter diesem Vorbehalt stehen.

Wenn ich Ihren ersten Kommentar richtig deute, trennt uns der Umstand, dass Sie die Gewährleistung einer rechtliche Elternschaft von zwei Personen als hinreichend für die Rechtspositionen des Kindes betrachten. Abgesehen davon, dass Sie damit die genannte, in Grundzügen auch der Rechtsprechung nicht fremde Grundrechtsinterpretation außer Acht lassen, ist die rechtliche Vaterschaft dafür kein geeigneter Anknüpfungspunkt. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist gerade umgekehrt: Mit der Trennung von rechtlicher und biologischer Abstammung wollte der Gesetzgeber angesichts potenziell unklarer Vaterschaftsverhältnisse sicherstellen, dass ein Kind jedenfalls "irgendeinen" Vater hat. Es ist fraglich, ob das angesichts einer vereinfachten Vaterschaftsfeststellung, dem Stand des Sozialstaats und wirtschaftlich in der Regel unabhängigen Müttern noch zeitgemäß ist. Als Grundsatz der Elternschaft verbliebe dann aber nicht eine rechtliche Konstruktion wie die Vaterschaft, sondern eben die Bezugnahme des Rechts auf die biologische Abstammung, wie das bei der Mutter der Fall ist.

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Mit dem Kindeswohl zu argumentieren, halte ich grundsätzlich für trickreich.

Den Schwerpunkt setze ich vielmehr auf den Aspekt, dass Kinder/Geburten Handelsware werden.

Ich kenne solche Leihmütter Verträge nicht, aber wie schaut das mit den Mängeln-/Gewährleistungsansprüchen aus?

Nehmen wir einmal -abseits von den natürlichen Risiken- an, die Leihmutter fängt in Monat 4 an, Crack zu rauchen. Was ist denn dann mit der Abnahme?

Die Leihmutter sichert sich zwar ab, dadurch dass der Vater die Annerkennung eintragen lässt, aber für Diskussionen wird ein solch vertragswidriges Handeln auf alle Fälle sorgen.

 

Im vorliegenden Fall frage ich mich auch, ob die Lebenspartner sich nicht in Unkenntnis des Verfahrensausganges besser gestellt hätten, wenn der Lebenspartner sich die Anerkennung hätte eintragen lassen und der biologische Vater nachträglich hilfsweise seinen Anspruch auf Eintragung durch Abstammung hätte durchsetzen können. 

Ist das so, dass die Anerkennung des Lebenspartner missbräuchlich gewesen wäre, da die beiden ja wussten, dass der Lebenspartner nicht der biologische Vater ist?

Da kenn ich mich gar nicht aus. Weiss das jemand?

 

Ich bin kein Familienrechtler, was mich an der Entscheidung aber überzeugt, ist, dass streng dogmatisch die IPR Regeln angewendet werden. Wahrscheinlich hat der BGH auch seine Mühe mit dem Ergebnis gehabt - sich aber nicht zu einem Gesinnungsaufsatz hinreißen lassen. 

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@ Gast #9: Sie werfen hier Dinge durcheinander, die heute nicht  mehr zusammengehören.

1. das Recht auf Kenntnis der Abstammung. Dies bezieht sich nach bisheriger Rechtsprechung des BVerfG rein auf die biologisch-genetische Abstammung (mit wem bin ich blutsverwandt, d.h. wessen Gene habe ich?). Hier gibt es tatsächlich Defizite, jedoch akzeptiert der Gesetzgeber bereits anonyme Samenspenden unter Umgehung deutschen Rechts (s.o.) und hilft sogar, das Recht des Kindes zu unterdrücken: lässt sich eine Frau im Ausland per Eizellspende "ein Kind machen" und trägt es selbst aus, dann hat hat sie keine Probleme in D, auch als biologische Mutter zu gelten - obwohl sie biologisch gesehen nur Leihmutter ist. Das Kind hat keine Möglichkeit zu erfahren, wer seine tatsächliche biologische Mutter ist. Noch krasser: lässt eine Frau ihre selbst gespendete Eizelle von einer Leihmutter austragen (weil sie es selbst aus medizinischen Gründen nicht kann, z.B. als Folge eines ärztlichen Kunstfehlers), so gilt nach deutschem Recht die Leihmutter als biologische Mutter, obwohl sie nicht mit dem Kind genetisch verwandt ist.

2. das Recht des Kindes auf rechtliche Eltern (Fürsorge, Unterhalt, Erbrecht). Erworben durch Geburt oder Adoption.

3. das Recht des Kindes auf soziale Eltern - z.B. Pflegeeltern, wenn die rechtlichen Eltern ihren Pflichten nicht nachkommen können oder wollen.

Punkt 1. hat mit den im vorliegenden Fall, der nur über die Punkte 2. und 3. entschieden hat, nichts zu tun.

@Max Mustermann: Anfang August ging der Fall "Gammy" durch die Presse. Ein australisches Ehepaar nahm das Kind mit Downsyndrom von Zwillingen einer thailändischen Leihmutter nicht ab.

@Mein Name: Ob diese Dinge heute nicht mehr zusammen gehören, ist eine demokratische Disposition im Lichte der Grundrechte. Das Meinungsspektrum in diesem Bereich zeigt ganz deutlich, dass es für viele noch zusammen gehört.
Natürlich bestehen die Widersprüche, auf die Sie hinweisen. Aus dieser Teilerosion des Rechts ist aber kein Argument in eine bestimmte Richtung zu gewinnen. Wie gesagt ist der Ausgangspunkt des historischen Gesetzgebers auch ein anderer, und als jemand, der dem weiterhin folgt, scheint es mir heute leichter denn je, auf die biologische Abstammung Bezug zu nehmen.
Hat denn eine Formulierung wie "Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat" den Sinn, die Eizellenspende an die Mutter im Ausland offen zu halten? Und ist sie umgekehrt schlecht, weil sie im Fall der Eizellenspende an die Leihmutter zum "privatautonom" unerwünschten Ergebnis führt?
Nein, sie ist moralisch in einem ganz anderen Koordinatensystem beheimatet - in jenem, in dem diese Handlungsweisen verboten sind, und stellt deshalb für sie auch bewusst kein Patentrezept bereit.

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@ Gast #13: Dass diese Dinge nicht mehr zusammengehören bzw. nicht mehr unverrückbar identisch sind, ist keine Frage der Meinung, sondern eine Tatsache. Im Falle der Punkte 2. und 3. sogar schon Praxis seit Jahrhunderten. 

Und wie ich in meinem ersten Beitrag schon erwähnte, gibt es eine Ungleichbehandlung der Mutter- und Vaterschaft, die durch die medizinischen Realitäten nicht mehr gerechtfertigt ist. 

Bei einer anonymen Samenspende im Ausland akzeptiert der deutsche Rechtsstaat das Ergebnis und die damit einhergehende Verletzung des von Ihnen angesprochenen Rechts des Kindes auf Kenntnis der Abstammung. Insofern gibt es keinen Grund, Eizell- und Samenspender(innen) unterschiedlich zu behandeln (wobei nicht einmal sicher ist, ob die Eizellspende im vorliegenden Fall anonym war) und schon gar keinen Grund, das Ergebnis einer Leihmutterschaft abzulehenen, wenn die genetische Mutter auch die rechtliche sein will und die Leihmutter nicht.

Ob dafür Gesetzesänderungen notwendig sind, ist wieder eine ganz andere Frage - der vorliegende Fall hat ja gezeigt, dass eine am Kindeswohl und der Rechtsprechung von BVerfG und EuGH orientierte Rechtsprechung  genügt.

@Mein Name:

Quote:
Punkt 1. hat mit den im vorliegenden Fall, der nur über die Punkte 2. und 3. entschieden hat, nichts zu tun.

Diese Abgrenzung ist willkürlich und von Ihrer persönlichen Ansicht vorgegeben.

Zunächst mal steht außer Frage, dass die Elternschaft über das Adoptionsrecht nachträglich verändert werden kann. Das hat mit der Thematik nur am Rande zu tun und wäre ja für einen Aspekt dieses Fall auch die Alternative gewesen. Warum das Adoptionsrecht nicht alle Phänomene in dem Bereich abdeckt, dürfte daran liegen, dass es als soziale Reaktion auf atypische Notlagen und Schicksalsschläge gestaltet ist, und nicht als das nachgefragte Verfügungsinstrument Erwachsener über (ggf. noch ungeborene) Kinder. Das nur als polemische Rahmeneinschätzung.

Worum es mir und worum es durchaus auch in dem Fall (bei seiner rechtspolitischen Würdigung, nicht beim Schemaklopfen) geht, ist das Verhältnis von rechtlicher, initialer Elternschaft und biologischer Abstammung. Dabei warf ich nichts durcheinander, sondern wollte einen Kontext herstellen. Der erste Satz in Beitrag #9 ist dazu sorgfältig gewählt. Sie beachten nur die eine Hälfte des Nebensatzes, die Sie aus der Rechtsprechung kennen: das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung.

Dieses Recht ist aber sicher nicht aus der Luft gegriffen sondern hat einen breiteren Hintergrund; in dieser Bedeutung, die Menschen offenbar ihrer Abstammung zumessen, kann man weitere Facetten sehen.
Dieser Hintergrund verbietet es daher meines Erachtens dem Gesetzgeber und Privaten unter Grundrechtsaspekten, sich beliebige Konstruktionen zur Begründung einer anfänglichen rechtlichen Elternschaft auszudenken, denen dann ein verkümmertes Recht auf bloße Kenntnis der Abstammung zur Seite gestellt wird. Die rechtliche Elternschaft sollte vielmehr im Grundsatz aus der Abstammung geschlossen werden. Das ist unverkennbar noch der Geist der gegenwärtigen Rechtslage, die (naiv) davon ausgeht, dass eine Mutter ein Kind aus einer eigenen Eizelle austrägt, und lediglich für die Vaterschaft Einschränkungen vornimmt, deren notwendige Rechtfertigung ich oben schon hinterfragte.
Das kommt nur deshalb nicht zum Tragen, weil der reproduktionsmedizinische Fortschritt durch die Lücken dieser Rechtslage wächst; mit der Folge, dass die Rechtsanwendung die Elternschaft mal - wie hier - demjenigen zuspricht, der ein Kind zwar nicht (irgendwie) "gezeugt" hat, aber es "haben" will, und mal derjenigen, die es zwar geboren hat, aber nicht haben will. Das ist ein rechtspolitisch unbefriedigender Zustand, unabhängig davon, ob meiner Meinung ist, dem müsste durch Nachziehen der Grenzen begegnet werden, oder für einen Abbau von Grenzen ist.

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Die Abgrenzung ist keineswegs willkürlich. Die Punkte 2. und 3. sind gesetzlich geregelt, Punkt 1. ist aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Richterrecht.

Das Problem ist doch, dass die heutigen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin das BGB längst haben veralten lassen. Die von Ihnen angesprochene "biologische Mutterschaft" spielte im vorliegenden Fall keine Rolle, denn die Eizellspende war nicht Entscheidungsthema. Es sei denn, Sie wollen an der überholten Mutterdefinition des BGB festhalten.

Dazu hat Gast #11 bereits das Wesentliche gesagt. Und der reproduktionsmedizinische Fortschritt schert sich sicher nicht um die Lücken der deutschen Rechtslage, der entwickelt sich von alleine. Es ist vielmehr so, dass die Gesetzeslage so zu gestalten ist, dass die Rechte und Interessen aller Beteiligten in möglichst großem Maße gewahrt sind; sollte das aus ideologischen Gründen nicht erwünscht sein, so ist eben die Gesetzeslage anderer Länder anzuerkennen, wenn dies nicht den Rechten der Beteiligten diametral entgegensteht. Und da ist die Leihmutterschaft weit weniger kritisch als - bereits hingenommene - anonyme männliche Keimzellspenden.

Hallo,

 

was ist, wenn man keine "ausländische Entscheidung" hat?

 

Konkret: Vater, Samenspender, ist US-Amerikaner, Wunsch-Mutter ist Deutsche. Das Kind entstammt nicht ihrer Eizelle.

 

Das Kind hat eine US-Gebrutsurkunde, in welcher die Wunsch-Mutter und der Samenspende-Vater eingetragen ist, da im betreffenden Bundesstaat die Leihmutterschaft unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt ist und diese Voraussetzungen gegeben waren.

 

Eine Adoption (das Kind wurde in einem osteuropäischen Staat ausgetragen und geboren) erfolgte nicht.

 

Hat das hiesige Standesamt und/oder andere Behörden nun die Geburtsurkunde anzuerkennen?

 

 

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