Das "Mollath-Gesetz" zur verhältnismäßigen Begrenzung der Unterbringung in der Psychiatrie - neuer Diskussionsentwurf

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.01.2015

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat in dieser Woche einen Diskussionsentwurf zur "Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB" vorgelegt. Die Intention zur Novellierung entstammt der Beobachtung, dass immer mehr Personen aufgrund dieser Vorschrift untergebracht sind, vor allem, weil die durchschnittliche Unterbringungsdauer gravierend angestiegen ist. Durch die besondere Öffentlichkeit des Falls Mollath in den vergangenen zwei Jahren wurde  eine Reform zusätzlich für dringlich erachtet. In der Medienöffentlichkeit wurde und wird daher die Verbindung zum Fall Mollath regelmäßig hergestellt, auch wenn es sich durchaus nicht um Einzelfallgesetzgebung handelt, sondern tausende Untergebrachte direkt oder indirekt betroffen sind (FAZ-Interview mit dem bayerischen Justizminister).

Der Diskussionsentwurf entspricht in wesentlichen Punkten demjenigen des bayerischen Justizministers, der schon im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde (dazu hier im Blog).

Folgende zentrale Punkte stehen auf der Agenda

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (bisher allgemein in § 62 StGB vorangestellt) wird nun konkretisiert:
In § 63 StGB soll nicht mehr die Erwartung "erheblicher rechtswidriger Taten" genügen, sondern nur noch solche Taten, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird". Wenn die Anlasstat nicht selbst in diesem Sinne erheblich ist, soll eine Unterbringung nur noch möglich sein, wenn „besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen“, dass der Täter erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

In § 67d Abs.6 StGB soll der bisher gegenüber § 63 StGB nicht veränderte Verhältnismäßigkeitsmaßstab verschärft werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, das in mehreren Entscheidungen (u.a. auch zu Gustl Mollath) ausgeführt hat, dass mit der Dauer der Unterbringung die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Unterbringung eine strengere Bewertung gebiete. Der jetzige Entwurf sieht vor, nach sechs Jahren seit Unterbringungsbeginn eine Gefahr von Taten, durch die "Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung" gebracht werden, zu fordern – also mehr als nur jeweils erhebliche personenbezogene Schäden zu befürchten sind. Ab dem Zeitpunkt zehn Jahre seit Unterbringungsbeginn soll derselbe Maßstab gelten wie für die Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3 StGB).

Auch für die Begutachtung werden schärfere Regelungen eingeführt: Bei der jährlichen Überprüfung der Unterbringung soll nun eine "gutachterliche Stellungnahme" der Maßregelvollzugseinrichtung Pflicht werden - bisher stand dies nicht im Gesetz. Nach jeweils drei Jahren (bisher fünf) muss ein externes Gutachten eines „anderen“ Sachverständigen eingeholt werden, diese Frist verkürzt sich auf zwei Jahre, wenn sechs Jahre überschritten sind.

Auch im Hinblick auf die mündliche Anhörung bei der Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung folgt der Diskussionsentwurf dem bayerischen Vorschlag. Allerdings bleibt er hinter dem bayerischen Entwurf zurück, insoweit nicht mehr – auf Antrag des Untergebrachten –die Öffentlichkeit der Anhörung vorgesehen ist.

Wegen der Tausenden von „Altfällen“ ist eine Anwendung der neuen Regeln bzw. die Überprüfung bereits bestehender Unterbringungen nur mit Übergangsmodifikationen möglich, da man sonst wohl mit einem größeren Stau rechnen müsste und einem Bedarf an Begutachtungen, der kaum ad hoc erfüllt werden könnte – man rechnet sonst mit ca. 6000 Verfahren im ersten Jahr.

Dieser Entwurf geht in die richtige Richtung: Die Entwicklung der vergangenen Jahre zu immer längeren Unterbringungsdauern wird gesetzlich gebremst, vielleicht sogar eine Trendumkehr bewirkt. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Verhältnismäßigkeit der Unterbringung wird implementiert. Aber natürlich ist zu konstatieren, dass zentrale Fehlerursachen, die dem Fall Mollath zugrunde gelegen haben, vor allem die unzureichende gegenseitige kritische Kontrolle von Justiz und forensischer Psychiatrie (siehe schon hier), damit nicht beseitigt sind.

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76 Kommentare

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Gast schrieb:

Hat sich die Gesellschaft anders entwickelt, als es damals geplant war?

Warum werden es immer mehr Menschen, die untergebracht sind?

Gibt es tatsächlich mehr Menschen, die angeblich schuldunfähig und allgemeingefährlich sind, oder ist der Anspruch der Gesellschaft an ein "Normverhalten" gestiegen - oder hat die Akzeptanz vor dem Anderssein nachgelassen?

 

Es dürften mehrer Gründe hier vorliegen:

a) das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ist größer geworden, niemand will mehr Risiken tragen

b) Ärzte glauben, es ließe sich immer mehr doch "behandeln", das ist ja auch ihr eigenes Geschäft, deshalb wird auch immer mehr "diagnostziert"

c) die Menschen teilen diese Einstellungen im allgemeinen, die Krankenkasse übernimmt die Kosten, oder "der Staat" im Fall der Unterbringung in der Forensik

d) die Pharmabranche findet das auch gut, das kommt ihrem eigenen Geschäft doch ebenfalls zugute

Hat ein offener Umgang mit psychischen Erkrankungen dazu geführt, dass bei mehr Personen "Schuldunfähigkeit" festgestellt wurde? Haben sich mehr Menschen getraut, zuzugeben, dass sie z. B. in einer manischen Phase waren, als die vorgeworfene Tat begangen wurde?

Oder hat die Zahl der Menschen, die schuldunfähig durch die Gegend laufen tatsächlich zugenommen?

 

Sicher wurden mehr Krankheiten in den DSM aufgenommen, aber führt eine größere Bandbreite von Diagnosen auch dazu, dass mehr Menschen schuldunfähig sind? Die werden doch erst mal nur nach der Statistik krank, für die Schuldunfähigkeit braucht es ja mehr als eine psychiatrische Diagnose.

 

Wurde die Grenze der Eingangsmerkmale verändert? Und falls ja, waren es die Ärzte oder die Juristen, die eine Verschiebung vorgenommen haben?

 

Übrigens sagte Klaus Dörner in einem Vortrag, es sei auch immer das ökonomische Interesse der Leute abzufragen, die Therapieempfehlungen geben ... oder so ähnlich. Also, dass die jährlichen Stellungnahmen für eine weitere Unterbringung plädieren, ist bei manchen Patienten aus wirtschaftlicher Sicht absolut verständlich, aber leider ein Verstoss gegen die Menschenrechte.

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Es genügt doch, sich mit den reinen Fakten zu beschäftigen:

a) die Zahl der Forensik-Klienten hat sich innerhalb von 30 Jahren verdreifacht

b) die Verweildauer wird immer länger

c) immer mehr und längere Fixierungen sind teilweise an der Tagesordnung

d) Zwangsmedikationen in der Forensik werden auch wieder ermöglicht / bzw. waren schon immer Usus

e) es hängt statistisch auch stark vom Bundesland ab, ob der Delinquent in den Strafvollzug, oder in den Maßregelvollzug geht

Belege und Links auf Anfrage, oder sie sich im "Selbstsucheverfahren" aneignen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Günter Rudolphi

Ursachenforschung für die Entwicklung von Unterbringungsentscheidungen nach 63 StGB in den letzten dreißig Jahren zu betreiben, das dürfte ein sehr komplexes und umfangreiches Projekt sein. Das zeigt sich schon allein in der Betrachtung der Gegenwart. So hätte man doch davon ausgehen dürfen, dass die Justiz durch den Fall Mollath in der Anwendung des 63 StGB zumindest sensibilisiert worden sei, vor allem in Bayern und insbesondere am LG Nürnberg-Fürth. Dass sich aber an der Schlampigkeit der Unterbringungsentscheidungen am LG Nürnberg-Fürth nichts geändert habe, soll die Entscheidung des BGH vom 10. Juni 2015 - 1 StR 190/15 - zeigen:

http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=20...

Der Angeklagten wurde vorgeworfen, in drei Fällen mit Gegenständen, einem Stein und einem Glas, nach ihrem Vermieter geworfen zu haben, ohne dass er getroffen wurde. Zu dem dritten Vorfall gibt die BGH-Entscheidung nichts her, weil die Angeklagte diesbezüglich aus tatsächlichen Gründen mangels Vorsatzes freigesprochen wurde. Bezüglich des Steinwurfs hatte das LG Nürnberg-Fürth die Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Bezüglich des Glaswurfs wurde die Angeklagte aus rechtlichen Gründen wegen "nicht ausschließbarer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit" freigesprochen und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. 63 StGB angeordnet. In die Gefährlichkeitsprognose eingeflossen sind der Steinwurf, der Glaswurf und ein Wurf mit einer Sichel, der aber nicht angeklagt wurde und dem der Vermieter ausweichen konnte. 

Bis auf den Freispruch aus tatsächlichen Gründen hat der BGH das Urteil des LG Nürnberg-Fürth aufgehoben. Den entscheidenden Rechtsfehler sah der BGH darin, dass das LG bezüglich des Steinwurfs sich nicht mit dem in Betracht kommenden strafbefreienden Rücktritt vom Versuch auseinandergesetzt habe. Dem BGH zufolge scheitert daran auch die Gefährlichkeitsprognose. 

M.E. liegt nach den Feststellungen des LG nicht einmal ein Versuch vor. "Hierbei nahm die Angeklagte billigend in Kauf, dass der Zeuge oder sein Fahrrad von dem Stein getroffen werden und der Zeuge hierdurch verletzt werden könnte." In dem "Oder" und dem Vorsatz, das Fahrrad zu treffen, liegt kein Körperverletzungsvorsatz. 

Bezüglich des Glaswurfs hatte das LG Folgendes festgestellt (BGH-Beschluss, S.3):

Am 20. Juni 2012 warf die Angeklagte, als sie beim Mittagessen saß, ein Wasserglas in Richtung der Füße ihres Vermieters, des Zeugen N., wodurch das Glas zerbrach und Scherben in die Socken eindrangen. Hierdurch wurde der Fuß des Zeugen verletzt und er verspürte Schmerzen, was die Angeklagte billigend in Kauf nahm. 

Bei diesem Kausalverlauf versteht sich der natürliche Vorsatz keinesfalls von selbst.

Was hilft das alles der Angeklagten. Sie wird wahrscheinlich immer noch nach 126a StPO und damit fast ein Jahr in der Forensik untergebracht sein. Der Vermieter dürfte sich aber ihrer endgültig entledigt haben. Ihre Wohnung dürfte inzwischen geräumt sein. 

@ Waldemar Robert Kolos, OG

Mag sein, dass es sbei den unteren Instanzen noch nicht angekommen ist, aber der BGH scheint mir was § 63 StGB angeht jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Das sind genau die Lehren, die aus den Fällen Mollat et al. gezogen werden müssen.

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Schön wär´s - aber in Bayern?

MT schrieb:

@ Waldemar Robert Kolos, OG

Mag sein, dass es sbei den unteren Instanzen noch nicht angekommen ist, aber der BGH scheint mir was § 63 StGB angeht jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Das sind genau die Lehren, die aus den Fällen Mollat et al. gezogen werden müssen.

Bei dieser Gelegenheit: wie prüft man eigentlich, ob die RichterInnen dazulernen? Gibt es da einen Forschungzweig (Rechtstatsachenforschung)?

 

 

Danke an @OG für die Mitteilung der BGH-Entscheidung.

Ich weiß nicht, ob "Dazulernen" auf den BGH begrifflich so gut passt. Jedenfalls finde ich Gefallen an seiner Entscheidung, weil sie sich auf einen Kern des Problems beschränkt: Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der richterlichen Feststellungen zu §§ 20, 21 StGB. 

So wurde auch schon in obigen Beiträgen (von Herrn Rudolphi und Professor Müller) daran gezweifelt, dass es überhaupt möglich sei, rückwirkend auf die Tatzeit Feststellungen zum Krankheitszustand und dessen Auswirkung auf die Tatbegehung zu machen. Ich denke, genau diesen Punkt greift der BGH in seiner Entscheidung auf. Natürlich kann man und muss man vielleicht auch dabei als Revisionsgericht auf den Vortrag grundsätzlicher Zweifel verzichten. Es genügt schon, wenn der BGH "seinen" Anspruch auf Überprüfbarkeit hervorhebt und sich nicht mehr mit hohlen Phrasen begnügt, die das Tatgericht von dem psychiatrischen Gutachter blind übernimmt.

Auch psychisch kranke Menschen können strafbares Unrecht durch fremdaggressives Verhalten begehen, ohne dass es irgendetwas mit ihrer Krankheit zu tun haben muss. Wenn ich den BGH richtig verstanden habe, dann ist das sein Standpunkt und in etwa die Botschaft seiner Entscheidung. 

Schon immer hat mich ein Absolutheitsanspruch in der Rechtsprechung irritiert. Fast immer muß doch abgewogen werden, was spricht für, was dagegen. Im Urteil als Schuldspruch wird dann auch oft die Überzeugung des Gerichts hervorgehoben, wenn in der Beratung hart gerungen wurde, weil z.B. lediglich Indizien, Spuren usw. für eine Täterschaft vorhanden waren, es aber einen völligen Ausschluß eines großen Unbekannten als wahren Täter nicht ganz eindeutig geben konnte, das "in dubio pro reo" aber auch nicht greifen konnte. Darum sind Fragen wie "ist es völlig auszuschließen" an einen psychiatrischen Gutachter im Fall einer retrospektiven Untersuchung des Geisteszustands eines Angeklagten m.E. etwas seltsam.
In dem § 21 StGB heiß es "Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden."
Ob etwas "erheblich" ist, das liegt aber auch im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ist also ebenfalls das Resultat eines  Abwägungsprozesses, und keine absolute Größe, die eindeutig und genau mit einem Metermaß gemessen werden könnte.

Günter Rudolphi schrieb:

 Darum sind Fragen wie "ist es völlig auszuschließen" an einen psychiatrischen Gutachter im Fall einer retrospektiven Untersuchung des Geisteszustands eines Angeklagten m.E. etwas seltsam.

 

Wie so oft, kommt es darauf an, welche Schlussfolgerungen und welche Rechtsfolge das Gericht an die bejahende Antwort des Sachverständigen knüpft. Auch begünstigende Tatumstände sind beweisbedürftig. Übernimmt das Gericht die Antwort des Sachverständigen in die Feststellungen, dann dürfte die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft sein, wenn ansonsten konkrete Anhaltspunkte für (nicht ausschließbare) Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlagen. Es ist auch rechtsfehlerhaft über die Anwendung von in dubio pro reo eine Tatvariante zu unterstellen. Der Zweifelssatz ist eine Beweisregel in einer non liquet Situation, die frühestens in der abschließenden Beweiswürdigung zur Anwendung kommt. Weder auf die einzelne Zeugenaussage, noch auf die Ausführungen eines Sachverständigen ist der Zweifelssatz anwendbar.

BGH:

Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2004, 35, 36 [BGH 26.06.2003 - 1 StR 269/02] m.w.N.).

Wenn die Beweisaufnahme keine Überzeugung darüber schafft, ob die Steuerungsfähigkeit aufgehoben war oder nicht (non liquet), dann ändert die fehlende Beweisbarkeit der Steuerungsfähigkeit (belastender Tatumstand) in Anwendung des Zweifelssatzes nichts an der Beweisbarkeit des Tatvorwurfs. Dass der Angeklagte zur Tatzeit sich im Zustand der Steuerungsfähigkeit befunden habe, muss nicht bewiesen werden. Daran zeigt sich die Unanwendbarkeit des Zweifelssatzes auf §§ 20, 21 StGB. 

Henning Ernst Müller, Behördliche Geheimhaltung und Entlastungsvorbringen des Angeklagten, S. 73: 

In dubio pro reo gibt an, wie zu entscheiden ist, wenn die Feststellungen nicht ausreichen, um den Tatbestand als verwirklicht anzusehen. Insoweit gibt in dubio pro reo in der Situation des non liquet eine bestimmte Rechtsfolge vor. Die vorteilhaftere Rechtsfolge ergibt sich demnach nicht aus der Fiktion eines günstigen Sachverhalts, sondern aus der Unbewiesenheit des belastenden Tatumstands. 

Die Unbewiesenheit des belastenden Tatumstands in Anwendung von in dubio pro reo steht in unmittelbarer Verbindung mit der Unschuldsvermutung. Während bei korrekter Anwendung des Zweifelssatzes die Unschuldsvermutung erhalten bleibt, ändert die fehlerhafte Anwendung nichts an der Widerlegung der Unschuldsvermutung. Sie kann also nicht zugleich erhalten bleiben. Daran kann der freisprechende Urteilstenor auch nichts mehr ändern. 

(Diesen Gedanken wollte ich bei dieser Gelegenheit im Hinblick auf die Beschwer z.B. im Fall Mollath doch nicht unerwähnt lassen.) 

WR Kolos schrieb:

 

Wenn die Beweisaufnahme keine Überzeugung darüber schafft, ob die Steuerungsfähigkeit aufgehoben war oder nicht (non liquet), dann ändert die fehlende Beweisbarkeit der Steuerungsfähigkeit (belastender Tatumstand) in Anwendung des Zweifelssatzes nichts an der Beweisbarkeit des Tatvorwurfs. Dass der Angeklagte zur Tatzeit sich im Zustand der Steuerungsfähigkeit befunden habe, muss nicht bewiesen werden. Daran zeigt sich die Unanwendbarkeit des Zweifelssatzes auf §§ 20, 21 StGB. 

(Hervorhebung im Zitat durch mich)

 

 

Wir haben etwas aneinander vorbei diskutiert. Auch die Steuerungsunfähigkeit zum Zeitpunkt einer Tatausführung ist retrospektiv durch eine Exploration ja nicht mit absoluter Bestimmtheit zu beweisen, auch da muß von fehlender Beweisbarkeit ausgegangen werden, auch wenn Gerichte häufig Entscheidungen dazu treffen auf Grund solcher rein retrospektiver Gutachten.

Alle Fragestellungen mit "ist es völlig auszuschließen" sind m. E. eben nicht nur da mehr als fragwürdig.

Für eine solche Tat, wie jetzt erst in Grafing geschehen, muß ein Mensch ja nicht unbedingt steuerungsunfähig im Sinn der §§20,21 StGB sein. In Grafing spricht zwar sehr vieles dafür, aber vorher war das eben auch nicht vorauszusehen mit ebenfalls absoluter Bestimmtheit. Darum ging es mir.

Ich hatte ja ein Beispiel einer Verhandlung für die Diskussion auch angeführt gehabt. Der berühmte "Kommissar Zufall" wollte es, daß ich diesen zur Bewährung Verurteilten kürzlich darauf ansprechen konnte. Was er mir dazu dann alles sagte, das aber bleibt sein und mein Geheimnis.

 

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015...

 

"Das Landgericht lehnte die von den Beschwerdeführern beantragte Anhörung des Sachverständigen ab, weil das Gutachten zu den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Einwänden „eindeutige und überzeugende Feststellungen“ enthalte und die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage entgegen deren Ansicht „abschließend geklärt“ habe. Das Landgericht kommt dem Antrag somit allein deshalb nicht nach, weil ihm das Gutachten nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint. Das ist nach den dargelegten Maßstäben kein tauglicher Versagungsgrund, sondern begründet einen Gehörsverstoß. "

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@OG

Wenn man noch Ihre Ausführungen zum Begriff der Unschuldsvermutung aus EMRK in der englisch- und französischsprachigen Version hinzunimmt, dann kann man m.E. überzeugend darlegen, dass Schuldfähigkeit mit Unschuldsvermutung nichts zu tun habe. Der so häufig vorgebrachte Einwand der erhalten bleibenden Unschuldsvermutung gegen die Beschwer (oder Rehabilitationsanspruch) bei Freisprüchen aus rechtlichen Gründen geht damit ins Leere.

Feststellungen zur Schuldfähigkeit und zur Schuldunfähigkeit haben keinen Einfluss auf die Unschuldsvermutung. Die (zuvor widerlegte) Unschuldsvermutung kann weder durch Feststellung der Schuldunfähigkeit erhalten bleiben, noch kann sie durch fehlenden Beweis der Schuldfähigkeit verletzt werden. 

 

@ELL

Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie mit dieser Entscheidung hinaus wollen. 

Das Gesetz ist nichts als gezielte Verschleierung

Das Problem ist, dass das rechtsstaatliche Verfahren im psycho-justiziellen Machtappart schon längst durch inoffizielle Standardprozeduren ersetzt wurde. Eingeübt werden diese, um die vielen systemimmanenten Fehler nicht offenkundig werden zu lassen. Besonders intensiv angewandt  werden diese inoffiziellen Standardprozeduren dann, wenn unerwünschten Personen diffamiert werden sollen. Da nun einmal psychiatrische Diagnostik gleich aus mehreren Gründen nicht funktioniert (der Postbote Gert Postel schreibt laut höchstem Richter Armin Nack die bessere "Gutachten" wie die gelernten Psychiater) müssen Gutachten und Akten künstlich stimmig gemacht werden. Es ist deswegen ein Leichtes, die inoffiziellen Regeln (die da heißen, dass jeder Beteiligte nur konforme Informationen zu den bereits bestehenden Vorinformationen in die Akten hineinschreiben darf) zu missbrauchen. Der psycho-justizielle Appart sieht sich im Recht, denn irgendwie muss es ja funktionieren und niemand will die vielen systemimmanenten strukturellen Fehler persönlich ausbaden, was zu einer Art von Teamgeist führt, getreu dem Motto: "ich decke stets Deine Fehler und folglich darf ich mich darauf verlassen, dass Du alle meine Fehler deckst".  Für eine tatsächliche Lösung von Seiten des Gesetzgebers müsste man vor allem die inoffiziellen Regeln beachten, stattdessen aber bezieht er sich weiterhin lediglich auf das "rechtsstaatliche Verfahren", welches jedoch so in der Praxis unterhöhlt ist, dass es nur noch den äußeren Schein eines Verfahres wahrt. Der Motor im System funktioniert nun einmal nicht. Ein Psychiater mit seiner  fehler- und korruptionsanfälligen Expertise soll dem Richter seine Entscheidung erleichtern. Das Gegenteil dürfte wohl eher der Fall sein. Wen wundert es da, dass die Richter die erwünschte Tendenz den Gutachtern praktischer Weise gleich selber vorgegen und somit deutlich zeigen, dass der Gehilfe des Richters, nämlich der psychiatrischen Sachverständige, mit seinem psychiatrichen Kasperletheater keinerlei Erkenntnisgewinn liefern kann. Es mag noch einige Psychiater geben, welche Diagnostik richtig betreiben wollen, aber gerade diese geben offen zu, dass das System "Psychiatrie" eben nicht funktioniert.

 

 

 

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Gast schrieb:

Wen wundert es da, dass die Richter die erwünschte Tendenz den Gutachtern praktischer Weise gleich selber vorgegen und somit deutlich zeigen, dass der Gehilfe des Richters, nämlich der psychiatrischen Sachverständige, mit seinem psychiatrichen Kasperletheater keinerlei Erkenntnisgewinn liefern kann. Es mag noch einige Psychiater geben, welche Diagnostik richtig betreiben wollen, aber gerade diese geben offen zu, dass das System "Psychiatrie" eben nicht funktioniert.

Da ich immer noch am Gedanken der "Aufklärungspflicht" von Gericht und Staatsanwaltschaft festhalte, sollten m.E. beide in der Lage zu einem fundierten Quellenstudium sein, das heißt hier verständiges Studium der Patientenakten, die ja die Psychiater und ihre Gehilfen höchst subjektiv angefertigt haben. Da lassen diese auch die davon Betroffenen i.d.R. höchst ungern hineinsehen. Wer es dann doch einmal geschafft hat, ein solches Machwerk selber mal in Augenschein zu nehmen, der traut manchmal seinen eigenen Augen nicht, was er dann darin lesen kann.

Manche sachliche und vor allem methodische Fehler sind ja leider an der Tagesordnung bei den Psychiatern, und das hatte auch schon das berühmte "Rosenhan-Experiment" (On Being Sane in Insane Places) aufgedeckt gehabt. Sie können ja die allermeisten vom Probanden / Patienten gemachten Angaben nicht auf Richtigkeit überprüfen, wie es aber ein Jurist gewohnt ist.

Einer der häufigsten Fehler dabei ist, daß Psychiater, die von einem Patienten nur relativ wenig eigene und unmittelbare Wahrnehmungen in Arztgesprächen haben, aus diesen wenigen eigenen Wahrnehmungen aus einer dem Patienten auch häufig nicht vertrauten Situation heraus, die ihn dann noch oft stark verunsichert hatte, weitgehende Schlüsse ziehen, und daraus auch rasch Medikationen anordnen. Auf den Patienten aber wirken bei einem stationären Aufenthalt ja sehr viele Einflüsse ein, die oft positiv anschlagen (einige wie der Freiheitsentzug auch negativ natürlich), denn er kann belastenden stressigen Situationen im Beruf, in der Beziehung, oder aus vielen anderen Ereignissen heraus, schon mal zeitweise entkommen und sich auch damit zu einem großen Teil bereits wieder über den Zeitfaktor stabilisieren. Im Arztbericht liest es sich dann aber in etwa so, "der Patient hätte durch die Gabe der vom Arzt ja verordneten Medikamente sich nun wieder stabilisieren können." Damit wird die Medikation aber über Gebühr in den Vordergrund geschoben, d.h. von mehreren Faktoren wird einer hervorgehoben, und dieser eine ist genau derjenige, für den der Psychiater ja das Monopol besitzt. Wen wundert`s noch.

Generell möchte ich sagen, das Interesse der Psychiater an einer eigenen Absicherung, auch für fragwürdigste "Behandlungen" ist enorm ausgeprägt, die Kassen müssen auch keine Off-Label-Anwendungen (Off-Label-Use) finanzieren und keine zu langen stationären Aufenthalte. Dagegen helfen dann großzügige "Diagnostizierungen" aus der ganzen bunten Palette der F-Klasse-Diagnosen.

Auch bei einer Selbst- oder Fremdgefährdung wollen Psychiater m.E. sich selber sehr stark absichern, um möglichen Verfahren und allen Vorwürfen wegen Verletzungen ihrer eigenen Aufsichtspflicht zu entgehen, auch das schlägt sich dann in der Patientenakte nieder, wenn angeordnete Freiheitsbeschränkungen durch den Psychiater auch durch ihn selber begründet werden, wie praktisch doch.

Jedem Juristen, der ja weiß, es kann kein Mensch Ankläger, Richter und Verteidiger in fremder Sache in Personalunion sein, in eigener Sache aber noch viel weniger, kann ich es daher nur eindringlich raten, das Rosenhan-Experiment zur eigenen Fortbildung und besseren Qualifizierung auf eigene Faust einmal inkognito zu wiederholen.

Unvergessliche Einsichten und Erfahrungen gibt es auch heute noch immer gratis dazu.

 

Trotz aller berechtigten Kritik an der Gesetzgebung und an der Beharrlichkeit einer kritikwürdigen Psychiatrie: Wenn man als Indikator die Praxis heranzieht, hat der Fall Mollath und die Ankündigung eienr Gesetzesänderung schon einiges geändert. Jedenfalls führte die durch Mollath angestoßene Diskussion schon dazu, dass viele § 63-Untergebrachte erheblich schneller eine Entlassungsperspektive bekommen. In einigen bayerischen Forensiken findet daher eine Umwidmung von Stationen (ehem. § 63-Stationen werden zu § 64-Stationen) statt, die Überbelegung in den Stationen nimmt spürbar ab. Derzeit sind eher die Entlassungsstationen überbelegt. Irgendwann wird es vielleicht möglich sein, die Anzahl der Tage Freiheit, die v.a. Gustl Mollath für andere Untergebrachte erstritten hat, in Beziehung zu setzen zu den Jahren, die er selbst zu lange eingesperrt war.

Henning Ernst Müller schrieb:

Trotz aller berechtigten Kritik an der Gesetzgebung und an der Beharrlichkeit einer kritikwürdigen Psychiatrie: Wenn man als Indikator die Praxis heranzieht, hat der Fall Mollath und die Ankündigung eienr Gesetzesänderung schon einiges geändert. Jedenfalls führte die durch Mollath angestoßene Diskussion schon dazu, dass viele § 63-Untergebrachte erheblich schneller eine Entlassungsperspektive bekommen. In einigen bayerischen Forensiken findet daher eine Umwidmung von Stationen (ehem. § 63-Stationen werden zu § 64-Stationen) statt, die Überbelegung in den Stationen nimmt spürbar ab. Derzeit sind eher die Entlassungsstationen überbelegt. Irgendwann wird es vielleicht möglich sein, die Anzahl der Tage Freiheit, die v.a. Gustl Mollath für andere Untergebrachte erstritten hat, in Beziehung zu setzen zu den Jahren, die er selbst zu lange eingesperrt war.

Der "Fall Mollath" hat etwas bewegt, das ist schon richtig, aber wie lange hatte es gedauert und welch große Widerstände einer beharrenden bayrischen Justiz und Justizverwaltung waren doch erst zu überwinden! Ohne die vielen Unterstützer wäre das ja so auch sicher nicht ausgegangen.

Straf- und zivilrechtlich scheint es für die direkt daran beteiligten Verursacher ja keinerlei Folgen gehabt zu haben, meines Wissens bei keiner Person aus der Justiz oder aus der Psychiatrie, deren Namen doch alle bekannt sind. Die Entschädigung für Herrn Mollath zahlte die Staatskasse.

Bei den früheren Falschbegutachtungen der hessischen Steuerfahnder durch den Psychiater Dr. Thomas Holzmann gab es eine Verurteilung zu einer Strafzahlung durch ein Berufsgericht, die Verurteilung zu Schadensersatz durch ein ordentliches Zivil-Gericht ist noch beim BGH anhängig und Dr. Holzmann begutachtet weiter bei hessischen Amts- und Landesgerichten als psychiatrischer Sachverständiger.

Strafrechtlich war auch da ja nichts zu machen gewesen, trotz des § 278 StGB.
(§ 278 Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.)
Da gab es ein großes Beharrungsvermögen der hessischen Finanzverwaltung.

Besonders der § 278 StGB und auch der noch nachfolgende § 279 StGB können in der Praxis fast nie angewandt werden.
(§ 279 Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.)

Was hält ein Strafrechtler da eigentlich davon?

Beim § 64 StGB hatte ich eine Berufungsverhandlung beobachtet mit dem Chefarzt einer großen hessischen Forensik für den § 64 StGB. Er wollte erkennbar die Angeklagte für eine Substitution bei sich in der Klinik haben. Ihre eigene Sucht war aber nachrangig, das Dealen war bei ihr vorrangig gewesen. Nach dem m.E. sehr eigenartigen Vortrag des psychiatrischen Sachverständigen wurde die Berufung auch gleich zurückgezogen, die Angeklagte hatte eine vorher verhängte Haftstrafe der möglichen Maßregel vorgezogen.

Möglicherweise war das auch noch eine der "Nebenwirkungen" aus dem "Fall Mollath" gewesen.

Hierzu hat auch der Justitiar Dr. iur. Dirk Schulenburg der Ärztekammer Nordrhein im Jahr 2009 einen Artikel verfaßt:

"Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Arzt und Recht - Folge 55"

Quelle: https://www.aekno.de/page.asp?pageId=7746&noredir=True

Zitat daraus:

"Begriff des Gesundheitszeugnisses

Begrifflich ist ein Gesundheitszeugnis eine „Erklärung über die jetzige, frühere oder voraussichtliche künftige Gesundheit eines Menschen (nicht über die Todesursache)“. Darunter fallen sämtliche ärztliche Bescheinigungen, Behandlungs- und Befundberichte, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie gutachterliche Äußerungen. Die unrichtige Angabe der Todesursache auf der Todesbescheinigung verstößt hingegen gegen §§ 9, 19 BestattungsG NRW und kann als (versuchte) Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder mittelbare Falschbeurkundung (§ 278 StGB) strafbar sein.

Inhaltliche Richtigkeit

Unrichtig ist ein Gesundheitszeugnis, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stehen. Dies gilt auch, wenn die Gesamtbeurteilung des Patienten im Ergebnis zutreffend ist, aber Einzelbehauptungen unrichtig oder wahrheitswidrig sind.

Unrichtig ist das Gesundheitszeugnis zudem, wenn ein Befund bescheinigt wird, ohne dass der Arzt überhaupt eine Untersuchung des Patienten durchgeführt hat. Es gehört zu den Aufgaben des Arztes, sich von den Leiden des Patienten ein eigenes Bild zu machen und dabei die Angaben Dritter nicht ungeprüft zu übernehmen und wichtige Befunde selbst zu erheben. Sofern der Arzt den Patienten vor der Ausstellung des ersten Gesundheitszeugnisses (z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) untersucht hat, gilt dies für die Folgebescheinigungen nicht.
Ausnahmsweise kann das ärztliche Zeugnis trotz fehlender ärztlicher Untersuchung richtig sein, wenn der Arzt sich von seinem ihm bekannten Patienten dessen Beschwerden anschaulich schildern lässt und die Symptome widerspruchsfrei zu einem entsprechenden Krankheitsbild passen."

Meines Erachtens wäre der Straftatbestand des § 278 StGB damit auch erfüllt gewesen im "Fall Mollath", oder bei den Steuerfahndern.

Welcher Strafrechtler hier unter den Experten im Blog - oder in der Community - möchte sich dazu äußern?

 

 

 

 

War eine Gesetzesänderung wirklich nötig? Wäre es ausreichend gewesen, die Gesetze vorher tatsächlich zu beachten? Jetzt werden sich im Wahlkampf einige Menschen aus der Politik damit brüsten, dass sie einer Gesetzesänderung zugestimmt haben.

Wären Ulvi Kulac, Mollath und all die anderen ungenannten tatsächlich in der Psychiatrie gelandet, wenn alle ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätten?

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Gast schrieb:

Wären Ulvi Kulac, Mollath und all die anderen ungenannten tatsächlich in der Psychiatrie gelandet, wenn alle ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätten?

Zu den Pflichten für Psychiater, Gutachter und Richter gehören m.E. aber auch die Garantenpflichten aus deren Garantenstellung heraus, dann sind echte und unechte Unterlassungsdelikte doch dabei ebenfalls eingeschlossen, würde ich mal vermuten.

Einerseits ist die hiermit konstruierte (wenn auch bereits dem geltenden Recht immanente) „Gefahr der Gefährdung“ zu kritisieren: Als Maßnahme der Gefahrenabwehr kann eine solche freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung ihre Legitimation allenfalls daraus ableiten, zu erwartende Taten zu verhindern, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt“ werden. Werden potenzielle ‚Opfer‘ lediglich „gefährdet“, ohne dass bereits die Gefahr besteht, sie würden seelisch oder körperlich auch „erheblich geschädigt“, so kann der Schutz vor einer solchen Gefährdung das mit der Freiheitsentziehung durch den Betroffenen erbrachte Sonderopfer nicht aufwiegen. Eine solche „Gefahr der Gefährdung“ ist auch kriminalprognostisch derart vage, dass sie nicht geeignet erscheint, die forensisch-psychiatrische Freiheitsentziehung zu legitimieren.

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