Hier berät Sie: Der Spezialist

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 28.01.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht12|3502 Aufrufe

Ein Anwalt im Bezirk Freiburg ist mit zwei weiteren Rechtsanwälten in einer Kanzlei tätig. Im Jahr 2011 verwendete er einen Briefkopf, in dem rechts in einer Spalte die drei Rechtsanwälte genannt waren. Unter dem an erster Stelle angeführten Beklagten befand sich die Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht". Bei den beiden weiteren mit dem Beklagten tätigen Rechtsanwälten fanden sich die Angaben "auch Fachanwältin für Familienrecht" bzw. "auch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht".

Die zuständige Rechtsanwaltskammer hält den verwandten Begriff "Spezialist für Familienrecht" für irreführend. Sie hat den Anwalt auf Unterlassung in Anspruch genommen. LG und OLG gaben der Kammer recht. Zwischen Spezialist für Familienrecht und Fachanwalt für Familienrecht bestehe für das rechtssuchende Publikum eine Verwechslungsgefahr

Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, würden die Interessen der Rechtsuchenden nicht beeinträchtigt, wenn sie die Begriffe "Fachanwalt" und "Spezialist" verwechseln. Es bestehe bei einer solchen Sachlage keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung der Bezeichnung "Spezialist" zu untersagen. Ein in diesem Fall gleichwohl ausgesprochenes Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht" sei zum Schutz des rechtsuchenden Publikums und im Interesse der Rechtsanwaltschaft nicht erforderlich und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit seien aber nur dann mit Art 12 GG . vereinbar, wenn sie den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trage für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast. Dies müsse aufgeklärt werden

BGH v. 24.07.2014 - I ZR 53/13

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

12 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Das wäre vermutlich eine interessante mündliche Verhandlung.

Wenn ich die Urteilsbegründung quer lese, habe ich den Eindruck, dass der Spezialist zumindest die Fähigkeiten eines Fachanwaltes haben muss. Bei Rechtsgebieten, in denen es einen solchen Titel gibt, hat man ja damit eine Orientierung. Aber wie schaut es in anderen Materien aus?

Mir stellt sich dabei auch die Frage, ob sofort abrufbares Präsenzwissen ein tauglicher Fähigkeitsnachweis ist. Immerhin bietet der Arbeitsalltag durch juris & Co. auch andere Wege, fachliche Kompetenz in den Kopf zu befördern. Und Praxiserfahrung ... nun ja, man kann etwas auch sehr lange und sehr oft sehr falsch machen.

Wenn ich bedenke, das die Erinnerung an diverse mündliche Prüfungen selbst heute noch bei mir Stressgefühle verursacht ... bleibe ich doch lieber vorläufig nur Fachanwalt und schau, wie sich der Fall entwickelt ...

0

"Und Praxiserfahrung ... nun ja, man kann etwas auch sehr lange und sehr oft sehr falsch machen."

 

Oh ja, das kenne ich aus meiner "Branche".

Aber vllt hat er wirklich einfach nur Prüfungsangst?

0

@Pressepfarrerin

kanntest Du den Unterschied zwischen Fachanwalt und Spezialist?

die nur von privat angebotenen Fachanwaltslehrgänge sind nicht ganz billig.

Hinzu kommt, dass der Fachanwalt jährlich 15 Stunden Pflichtfortbildung nachweisen muss.

der Spezialist bleibt für immer Spezialist.

Hopper schrieb:

Hinzu kommt, dass der Fachanwalt jährlich 15 Stunden Pflichtfortbildung nachweisen muss.

der Spezialist bleibt für immer Spezialist.

 

Ist das wirklich so? Ich habe den Volltext der Entscheidung nicht gelesen, aber aus der obigen Begründung ließe sich doch durchaus herleiten, dass die Kammer jährlich entsprechende Fortbildungsnachweise anfordern kann. Jedenfalls erscheint dies nicht ausgeschlossen.

Darüber hinaus wird der Kläger konsequenterweise im weiteren (öffentlichen!) Verfahren allerdings auch eine Fallliste, die den Anforderungen der FAO genügt, vorlegen müssen. Wie steht es da eigentlich mit der anwaltlichen Schweigepflicht, wenn die Kammer den Inhalt oder das Vorhandensein einzelner oder aller Akten mit Nichtwissen bestreitet und insoweit Beweis erhoben werden muss?

0

Keine Sorge, lieber Vorsitzender, ich bin ja nicht umsonst mit einem Zitat meines Vorkommentators eingestiegen, schließlich bin ich in meiner "Branche" ebenfalls von "Spezialisten" umgeben. Öffentlichkeitsarbeit kann schließlich jeder. (Bedeutungsschwer seufzend ab.)

5

Herr Burschel, den Unterschied zwischen Fachanwalt und Spezialist haben sie sehr treffend zusammengefasst. Ich mache mir Ihre Argumentation zu eigen ;-)

 

Unterstellt, man wäre in der Lage, sein "Spezialistentum" vor Gericht tatsächlich nachweisen, dann könnte man doch auch Werbung mit "gerichtlich anerkannter Spezialist" machen. Schick. Sehr schick ... und die Begrenzung auf drei Titel gibt es auch nicht.

5

"Gerichtlich anerkannter Spezialist für Familienrecht". Schade, dass mir das als Titel für den thread nicht eingefallen ist

Hallo Waterkant,

 

vielen Dank für den Kommentar. Die Zitierfunktion spinnt nicht wirklich, da sie den Benutzernamen des Zitierten heranzieht. Im Fall von Herrn Burschel ist dies „Hopper“. Ich werde prüfen lassen, ob sich das so einstellen lässt, dass der tatsächliche Name angezeigt wird.

 

viele Grüße 

Stephan Lahl

 

Kommentar hinzufügen