Geburtsort im Zeugnis?
von , veröffentlicht am 03.02.2015So ein Rechtsstreit ist eher selten: Die Klägerin, seit 15 Jahren bei einem großen Möbel-Discounter beschäftigt, beantragt und erhält ein Zwischenzeugnis. Das bescheinigt ihr durchweg gute Leistungen. Damit ist die Klägerin auch völlig zufrieden. Was ihr aber nicht gefällt ist, dass im Zeugnis ihr Geburtsort (Hagen in Westfalen) genannt wird. Die Klägerin befürchtet dadurch Hemmnisse für ihr berufliches Fortkommen: "Stellen Sie sich vor, ein Personalchef hat Unterlagen von zwei gleich guten Bewerbern auf dem Tisch. Der eine stammt aus München, der andere aus Karl-Marx-Stadt. Für wen wird er sich wohl entscheiden?“ fragt ihr Anwalt rhetorisch.
Unglücklicherweise gerät die Klägerin vor dem ArbG Hagen an die einzige Richterin, die in dieser Stadt auch ihren Wohnsitz hat. Die rät im Gütetermin zur Klagerücknahme: "Das Arbeitsverhältnis besteht noch fort. Man sollte es nicht durch einen Rechtsstreit belasten.“
Taktisch ist es wohl tatsächlich nicht besonders klug, aus einem solchen Grund in einem bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zu verklagen. Rechtlich liegen die Dinge aber kompliziert: § 109 Abs. 1 GewO lautet:
Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
Die Angabe persönlicher Daten wie Geburtsdatum und -ort sind im Zeugnis zwar allgemein üblich. Das Gesetz erwähnt sie aber nicht. Allerdings gehört es wohl zur Natur eines Zeugnisses, dass der Beurteilte zweifelsfrei identifiziert werden kann. Darüber, ob dazu auch der Geburtsort gehört, kann man trefflich streiten.
Eine persönliche Nachbemerkung: Markus Stoffels und ich sind beide an der FernUniversität in Hagen habilitiert worden. Das hat die Universitäten in Bonn, Passau, Osnabrück, Heidelberg (M.S.), Bielefeld, München und Köln (C.R.) nicht daran gehindert, uns zu berufen. Aber geboren sind wir dort nicht.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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7 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenHeutiger Gast kommentiert am Permanenter Link
Danke für den Hinweis. Mir ist nur gerade die Sinnhaftigkeit des Rechtsstreits um das Zeugnis schleierhaft, wenn die Informationen bei den meisten Personen aus dem Lebenslauf ersichtlich sind. Aber wahrscheinlich unterschlägt sie diesen dort auch ...
Gast kommentiert am Permanenter Link
Naja, häufig provoziert der AN auf den Rat seines Anwalts auch den AG auf diese Weise zur Kündigung, sodass solche Scharmützel lediglich Mittel zum Zweck sind.
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
Konsequent wäre ein Befangenheitsantrag gegen die Richterin gewesen
Gast kommentiert am Permanenter Link
Wie das denn?
Ich hielt den Ausgangssatz:
"Unglücklicherweise geriet man am ArG Hagen an die einzige Richterin, die dort auch ihren Wohnsitz hat"
für eine humorvolle, satirische Zusatzbemerkung.
Wo wohnen denn die Richter am Gerich zu Hagen denn regelmässig? In Karl-Marx-Stadt?
Leser kommentiert am Permanenter Link
Ist das nicht diese Art Antrag, die immer abgelehnt wird?
HR Lawyer (m/w) kommentiert am Permanenter Link
Wie schlecht ist der Arbeitgeber beraten gewesen, sich auf so einen Rechtsstreit einzulassen und damit Zeit, Geld, Personal für nichts und wieder nichts zu investieren? Warum nicht einfach den Herzenswunsch der Mitarbeiterin erfüllen, dazu ein schlankes Anschreiben, dass die Änderungen auf ihren Wunsch geschehen sind und fertig ist der Lack. Kostet im Vergleich zum Rechtsstreit nichts und schont Nerven auf beiden Seiten.
Nils Kratzer kommentiert am Permanenter Link
Was soll man dazu sagen. Ein Rechtsanwalt ist der Auffassung, dass ein Bewerber mit dem Geburtsort "München" bessere Karten im Bewerbungsverfahren hat als mit einem Geburtsort "Karl-Marx-Stadt"( heißt übrigens zwischenzeitlich Chemnitz).
Allein, um derartige Auswüchse von Darlegungen von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zu vermeiden, sollte man auf den Herkunftsort im Zwischenzeugnis verzichten.
Traurig aber wahr:
Ein Bayer hats schwerer im Rheinland
Ein "Ossi" hats schwerer im "Westen"
Ein Preuße hats unendlich schwer in Bayern
... und ein "Piefke" hats schwer in Österreich....