Spezialist oder Fachanwalt?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 05.02.2015

Der BGH hat im Beschluss vom 24.07.2014 – I ZR 53/13 - sich auf den Standpunkt gestellt, dass einem Anwalt die Bezeichnung Spezialist für Familienrecht dann nicht untersagt werden kann, wenn seine (praktischen und theoretischen) Fähigkeiten einem Rechtsanwalt entsprechen, der die Qualifikation des Fachanwalts für Familienrecht hat. Dies solle nach dem BGH auch dann gelten, wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht“ besteht. Man fragt sich aber dann allerdings in diesem Zusammenhang, ob überhaupt dann ein praktisches Bedürfnis für die „Spezialisten“ besteht, denn zumindest in den Bereichen, in denen Fachanwaltschaften gegeben sind, müssten sie aufgrund ihrer theoretischen und praktischen Erfahrung ja auch gerade in der Lage sein, den Fachanwaltstitel in dem dafür vorgesehen Verfahren zu erwerben

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6 Kommentare

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Der BGH gibt der Rechtssicherheit Steine statt Brot. Die Darlegungs- und Beweislast für einem FA entsprechenden Fähigkeiten liegt beim "Spezialisten". Der Nachweis praktischen Fähigkeiten mag ja noch relativ leicht nachprüfbar sein (Vorlage von Fallzahlen entspr. FAO).

 

Aber wie sollen die theoretischen Fähigkeiten nachgewiesen werden können?  Etwa durch fiktive Klausuren?

Dirk Bischoff schrieb:

Aber wie sollen die theoretischen Fähigkeiten nachgewiesen werden können?  Etwa durch fiktive Klausuren?

Dazu aus dem Parallelbeitrag:

Gast schrieb:

Yo - und wie soll der Bengel das beweisen ohne die FA Prüfung abzulegen?

Hopper schrieb:

Der Zivilsenat des OLG wird ihn zum Familienrecht peinlich befragen

http://blog.beck.de/2015/01/28/hier-ber-t-sie-der-spezialist#comments

So richtig weiss wohl noch keiner, wie der Nachweis für den "Spezialisten" zu führen ist. Vielleicht ist aber auch gerade das gewollt.

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Allerdings!!! wird das eine peinliche Befragung, wenn der für Wettberwerbssachen zuständige Zivilsenat des OLG das Familienrecht examiniert - ebenso wahrscheinlich auch umgekehrt.

 

Im Übrigen dürfte man - anders als umgekehrt - mit erreichen der Fallzahl auch die theoretischen Kenntnisse erwoben haben.  

 

Es bleibt letztlich immer noch die Entscheidung des Rechtsanwalts, ob er sich mit der Fachanwaltszulassung "branden" lassen will. Ich selbst hätte die erforderlichen Fallzahlen für verschiedene Fachanwaltschaften aber lehne es ab, mich in die Schublade stecken zu lassen (Fachidiot für "Urheber und Mädchenrecht"?) - egal,  sich anstelle des Fachanwalts gelegentlich als Spezialist zu bezeichnen finde ich durchaus vertretbar.

 

Die Fachanwaltschaften sind ohnehin nur Marketing. Ich habe schon so manchen großen Schwachsinn geschriebn von Fachanwälten gelesen - und manches Brilliante von Nichtfachanwälten als Einzelanwalt mit Schreibmachinenschrift unter Briefköpfen designt in den frühen Achtzigern (logisch mit t-online Adresse). Die Fachanwaltschaften dienen letzlich eh nur dazu alles für den Verbraucher / Rechtsuchenden möglichst einfach und mundgerecht zu machen.

 

Wann wird eigentlich der Fachrichter für ... eingeführt, damit der Bürger wirklich sicher ist, das seine Sache vom "Spezialisten Durchentschieden" wurde?

 

 

 

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Schon vor gut 10 Jahren hat das BVerfG in der Spezialistenenscheidung zutreffend klargestellt, dass Fachanwälte nicht notwendigerweise Spezialisten sind (BVerfG 28. Juli 2004 - 1 BvR 159/04) und zumindest in Bereichen, in denen keine Fachanwaltstitel erworben werden können, eine entsprechende Bezeichnung für zulässig erachtet. Eine vielerorts als "Paukenschlag" bezeichnete und nicht unumstrittene Entscheidung. Nicht verkannt wurde damals jedoch bereits die bestehende Verwechslungsgefahr für den rechtssuchenden Laien, der eine Differenzierung zwischen Fachmann und Spezialist regelmäßig allenfalls überschlägig vornehmen dürfte. Mit der vorliegende Entscheidung, mit der sich der BGH über derartige Bedenken nun gänzlich hinwegsetzt, hat er dem gemeinen Bürger letztlich einen Bärendienst erwiesen, da es bei der Frage ob jemand tatsächlich berechtigterweise die Bezeichnung "Spezialist" führt schon an einem gesicherten und vereinheitlichten Minimalstandard fehlt und damit die Begrifflichkeiten insgesamt erheblich an Verlässlichkeit einbüßen. Das Argument, dass der Fachanwaltstitel ohnehin bereits in der Praxis kein verlässliches Gütesiegel sei erscheint dabei (unabhängig davon ob dies tatsächlich so ist oder nicht) sollte dabei nicht dazu missbraucht werden, den Titel durch Zulassung weiterer Bezeichnungen zu entwerten, vielmehr sollte deratigen Bedenken durch Verbesserung der FAO Rechnung getragen werden.
Wenn sich der Gesetzgeber zum Zwecke der Information und des Vertrauensschutzes für die Einführung einer Bezeichnung bzw. eines Titels entscheidet, der eine bestimmtes (nachgewiesenes!) Qualifikationsniveau voraussetzen soll, sollte die Rechtsprechung diese Grundsatzentscheidung nicht durch Zulassung von Bezeichnung im Dunstkreis des entsprechenden Titels konterkarieren. Die Entscheidung öffnet Tür und Tor für z.B. "Spezialisten für betriebswirtschaftliche Prüfungen" die selbstverständlich die Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung als Wirtschaftsprüfer nach § 1 WPO erfüllen aber aus persönlichen (Kosten?)-Gründen darauf verzichten und ähnliche "Spezialisten". Darauf zu vertrauen, dass eine  Selbstregulierung auf dem Markt solches verhindert erscheint zumindest gewagt. Vielmehr stet zu befürchten, dass die Kostenfrage letztlich zu einem Ende der Fachanwaltschaften führen und damit die Bemühungen zur Schaffung zumindest einigermaßen gesicherter Informationsgrundlagen für den Rechtssuchenden scheitern lässt.

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Ein Bedürfnis, um sich als Spezialist zu bezeichnen, wird regelmäßig dann bestehen, wenn es keine solche Fachanwaltschaft gibt, aber eine vergleichbare Qualifikation.

Einte deutsch und türkischsprachige Rechtsanwältin, die Fachanwältin für Familienrecht ist, und die fast ausschließschlich türkischstämmige Mandantschaft hat,  und die solide Kenntnisse nicht nur im deutschen, sondern auch im türkischen Familenrecht hat, sollte sich "Spezialistin für deutsches und türkisches Familienrecht" nennen dürfen, und damit werben dürfen. 

Wenn sie dagegen auch viele andere Fälle bearbeitet, reicht es aus, wenn sie angibt "Schwerpunkttätigkeit deutsches und türkisches Familienrecht."

Und ein Anwalt, der nichts anderes macht als Abmahnungen, sollte vielleicht sogar gezwungen werden, sich "Spezialist für Abmahnungen" zu nennen.

Ähnliches könnte man bei reinen Inkasso-Anwälten andenken ...

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