Der Klaps auf den Po und der Papst

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 07.02.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht13|4666 Aufrufe

Anlässlich der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch sprach Papst Franziskus über die Rolle des Vaters in der Familie. Vom Redetext abweichend – und aus diesem Grund erreichte die Debatte die meisten Medien mit einem Tag Verzögerung - brachte der Papst Folgendes vor:


„Ein guter Vater versteht es zu warten und zu vergeben, aus der Tiefe seines Herzens. Natürlich weiß er aber auch mit Entschlossenheit zu korrigieren: er ist kein schwacher, nachgiebiger, sentimentaler Vater. Der Vater, der es versteht zu korrigieren, ohne zu erniedrigen, ist derselbe, der Schutz gebietet, ohne sich zu schonen. [In freier Rede fährt der Papst fort:] Einmal habe ich in einer Versammlung mit Ehepaaren einen Vater sagen hören: „Hin und wieder muss ich meine Kinder ein wenig schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen.“ Wie schön! Er hat Sinn für die Würde. Er muss strafen, aber er tut es gerecht, und geht voran.“

(zitiert nach Radio Vatikan)


Dazu § 1631 BGB


(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.


Anscheinend unterscheidet das deutsche Gesetz nicht zwischen entwürdigenden und nicht entwürdigenden körperlichen Bestrafungen. Jede körperliche Bestrafung ist entwürdigend („und anderen… “) und damit unzulässig.

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13 Kommentare

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Ein Klapps aufs Gesäß ist keine Gewalt.

Die Berührung durch den Erziehungsberechtigten unterstreicht nur die Bedeutung des zugleich Gerügten oder Gesagten. 

Ein Schlag wäre dagegen natürlich Gewalt, und insbesondere hilflosen und wehrlosen Kindern gegenüber entwürdigend.

Meiner Freundin habe ich auch schon oft einen Klapps  auf den Po gegeben, aber sie nie geschlagen (und umgekehrt verhält es sich auch so). 

Männer, die Frauen schlagen, oder Männer, die Kinder schlagen, sind in meinen Augen keine Männer mehr, sondern bloß noch erbärmliche Kreaturen.

Ein Klaps, der Aufmerksamkeit erregt und Nachdruck ausdrückt, ist ok, aber ein richtiger Schlag, der echte Schmerzen zufügt, ist nicht ok.

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Mein Name schrieb:

"Ein wenig schlagen" ist mehr als nur ein Klaps auf den Po.

"Ein wenig schlagen" ist auch eine Übersetzung, vermutlich eine doppelte.

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Hallo Herr Burschel,

mit den Gesetzen und dem Gesagten eines Papstes hat es etwas gemeinsam: "wie man sie umsetzt, so wird es wirken!". Leider, und dass muss ich aus eigener leidvoller Erfahrung unterstreichen, ist auch das gesetzliche Verbot der Gewalt gegen Kinder ein - meines erachtens - stumpfes Schwert.

In meinem persönlichen Fall hat die Kindesmutter die Kinder körperlich und verbal mißhandelt, in allen Verfahren ist dies nach jeder Thematisierung als Bedeutungslos fallen gelassen worden. Nun, nach Jahren kommen die psychischen Auffälligkeiten und Diagnosen, die einen Rückschluß auf die (evtl.) Mißhandlungen zulassen ...

 

Die Frage, die ich mir in meinem persönlichen Fall seit einiger Zeit stelle: Wer sind tatsächlich die Täter?

 

Danke

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@ Herr Burschel: es ist § 1631 BGB, oder?

@ all:

Ich habe als Kind, da werde ich vielleicht elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein, in einem Tierpark gesehen, wie ein kleineres Kind, vielleicht 5 Jahre, ein Meerschweinchen gequält hat. In mir entstand, wenn ich das so ausdrücken darf, der glühende Wunsch, das Kind schwer körperlich zu züchtigen, was ja eine Bestrafung gewesen wäre, wenn ich das in die Tat umgesetzt hätte, indem ich, was ich erwog, mit einem da herumliegenden Ast (in Spazierstockdicke) auf den Missetäter losgegangen wäre, und zwar nicht etwa, um "dazwischenzugehen" (das schreiende Meerschweinchen war schon von einem Tierparkmitarbeiter weggetragen worden), sondern ex post. Ich hatte da die Vorstellung, dem bösen Jungen, durch Asthiebe speziell ins Gesicht, beträchtliche Schmerzen zuzufügen, um ihm einerseits zu einer Erkenntnis zu verhelfen, nämlich ihm eine annäherende Vorstellung davon zu geben, was er dem Meerschweinchen antat, und um ihm andererseits eine Lehre zu erteilen, so etwas nie wieder zu tun - zum Schutz künftiger Meerschweinchen. Ich habe das damals nicht gemacht, aber einzig und allein aus einem Gefühl der Ohnmacht, das Gesehene auch dann nicht rückgängig machen zu können.

Ich bin froh, dass ich als Erwachsener bei unseren eigenen Kindern nie in die Lage kam, derartige Abwägungen vornehmen zu müssen. Aber immer noch ist jene archaische Regung - zumindest in der Erinnerung - in mir, und ich tue mich emotional und intellektuell schwer damit einräumen zu müssen, dass das, was ich seinerzeit vorhatte, "entwürdigend" gewesen wäre.  

 

Nach § 1631 Abs. 2 S. 2 BGB sind körperliche Bestrafungen (KB), seelische Verletzungen (SV) und andere entwürdigende Maßnahmen (EM) unzulässig.

Die Frage ist, wofür "andere" EM der Überbegriff ist. Ist die Norm so zu lesen?:

- KB sowie

- andere EM wie z. B. SV

sind unzulässig

oder so:?

- alle EM wie z. B. KB und SV

sind unzulässig.

Wie dem auch sei: Gewalt ist jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut von S. 2 nur bei der KB unzulässig, nämlich wegen des verpönten pönalen Elements (Kluge Eltern wissen: erst hinterher draufhauen nützt sowieso nix mehr). Wenn also die Gewalt nicht der BESTRAFUNG, sondern dem Vollzug von Erziehungsmaßnahmen dient, ist sie - entgegen dem missverständlichen Wortlaut von S. 1 - aber nach dem insoweit klaren Wortlaut von S. 2 erlaubt, denn nur eine ENTWÜRDIGENDE Maßnahme ist unzulässig, nicht unzulässig ist eine GEWALTÄTIGE Maßnahme. Beispiel bei Götz, in: Palandt, 74. Aufl. 2015, Rn. 9 zu § 1631 BGB: dem Kind, das zündeln will, entwinden die Eltern mit Gewalt die Streichholzschachtel.

 

 

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Werter Herr Notker,

Ihre zitierte "Gewalttätige Maßnahme" beim Zündeln von Kindern meint wohl eher das energische Einschreiten bei Gefahr im Verzug, was nicht notwendigerweise automatisch Gewalt gegen das Kind bedeuten würde.

Gruß

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Die interessante Frage ist doch die: Wieso sollte der Papst (Argentinier von Geburt, Vatikanischer Staatsbürger)  §1631 II BGB anwenden?

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@ Notker S.

Danke, es war § 1631 gemeint und ist jetzt auch von mir so korrigiert.

 

Der Oberbegriff ist "entwürdigende Maßnahmen".

Darunter fallen "körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen" und eben andere "entwürdigende Maßnahmen"

Entwürdigend können außer körperlichen Bestrafungen und seelischen Verletzungen auch andere Maßnahmen sein, die das Ehr- und Selbstwertgefühl des Kindes in einem durch den Anlass der Maßnahme nicht zu rechtfertigenden Maß verletzen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Eltern sich über das Kind hinter dessen Rücken in Gesprächen mit Freunden des Kindes laufend verächtlich und herabsetzend äußern (BT-Drucks 14/1247 S 8; BT-Drucks 12/6343 S 16). In diesem Fall liegt mangels Verletzungserfolgs keine seelische Verletzung, wohl aber eine entwürdigende Maßnahme iSv Abs 2 S 2 Alt 3 vor. 

Der Erziehungserfolg von Eltern, die ihre Kinder schlagen, ist meist geringer, als der von Eltern, die ihre Kinder nicht schlagen.

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Für das gesetzliche Verbot, Kinder zu schlagen, gibt es gute Gründe.

Das gesetzliche Verbot, Kinder zu schlagen, ist sicherlich auch nicht verfassungswidrig.

Wer gegen das gesetzliche Verbot, Kinder zu schlagen, verstößt, kann sich nicht mit einem Zitat des Papstes rechtfertigen.

Worte von Religionsführern sind kein Freibrief Gesetze zu ignorieren.

Egal, ob der Religionsführer Muslim oder Christ oder sonstwas ist. 

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Die Darbietung der körperlichen Überlegenheit der Eltern kann auch im Zweifelsfall nicht das Unrechtsbewusstsein eines Kindes schaffen oder stärken. Das Einzige, was ein Kind dabei lernen könnte, ist, dass körperliche Überlegenheit und Gewalt immer dann Recht bedeutet, wenn Argumente allein nicht weiterhelfen. Und das ist bekanntlich ein fataler Trugschluss.

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Vielleicht hat der Papst es ja nicht wörtlich gemeint, sondern (ähnlich wie in einem Gleichnis) in (allegorischen) Bildern gesprochen.

Vielleicht wollte der Papst (in Italien und Latainamerika oft auch "der heilige Vater" genannt) eigentlich indirekt und durch die Blume sagen, daß er auch zu schmerzhaften Mitteln greife müssen, um seine (ungezogenen) "Kinder" (im Sinne von: seine Bischöfe, seine Pastoren, seine Untergebenen) zu erziehen.

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