Zu schnell vollstreckt

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 11.02.2015

Nach § 717 Abs. 2 ZPO hat der Kläger, wenn er aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben hat, das Urteil aber später aufgehoben oder abgeändert wird, dem Beklagten den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Ob diese Vorschrift auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwendung findet, ist umstritten. Die bislang herrschende Auffassung in der Literatur hat sie verneint, weil der Betriebsrat und die anderen betriebsverfassungsrechtlichen Stellen vermögenslos sind und daher keinen Schadensersatz leisten können. Das hat das BAG jetzt anders gesehen (Beschl. vom 12.11.2014 - 7 ABR 86/12, BeckRS 2015, 65434):

Honoraranspruch für die Beratung des Betriebsrats eingeklagt und nach erstinstanzlichem Beschluss sofort vollstreckt

Der Antragsteller des Beschlussverfahrens ist Rechtsanwalt. Er hatte in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten den bei der Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) gebildeten Betriebsrat vertreten und hierfür knapp 7.000 Euro in Rechnung gestellt. Nachdem der Betriebsrat dem Antragsteller seinen Freistellungsanspruch abgetreten hatte, hat dieser das vorliegende Verfahren eingeleitet. Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Daraufhin hat der Antragsteller die Zwangsvollstreckung betrieben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das LAG München dem Antrag nur in Höhe von rund 1.600 Euro nebst Zinsen stattgegeben und ihn im Übrigen abgewiesen. Die Arbeitgeberin macht nunmehr die Rückzahlung des Differenzbetrages und ihren Zinsschaden geltend. Hinsichtlich der Hauptforderung ist der Rechtsstreit bereits rechtskräftig abgeschlossen. Das BAG musste aber noch über den Zinsschaden entscheiden.

Nach teilweiser Aufhebung des Beschlusses in der Beschwerdeinstanz werden Rückzahlung und Zinsen geschuldet

Zur Überzeugung des Siebten Senats ist die Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich anwendbar. Das folge aus § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, der für die Zwangsvollstreckung im Beschlussverfahren auf das Achte Buch der ZPO verweise und § 717 ZPO hiervon nicht ausnehme. Die Vermögenslosigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Stellen stehe dem nicht entgegen. Sie rechtfertige nicht die analoge Anwendung von § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, der für die einstweilige Verfügung in Beschlussverfahren Ansprüche auf Schadensersatz nach § 945 ZPO ausschließt. Eine teleologische Reduktion des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG komme jedenfalls in den Fallgestaltungen nicht in Betracht, in denen sich der Schadensersatzanspruch - wie hier - nicht gegen eine vermögenslose betriebsverfassungsrechtliche Stelle, sondern gegen einen Dritten richtet. Der Rechtsanwalt schulde der Arbeitgeberin daher nicht nur die Erstattung des Differenzbertrages, sondern auch den Ersatz des Zinsschadens.

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